E. Stein-Hölkeskamp: Das römische Gastmahl

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Titel
Das römische Gastmahl. Eine Kulturgeschichte


Autor(en)
Stein-Hölkeskamp, Elke
Erschienen
München 2005: C.H. Beck Verlag
Anzahl Seiten
364 S.
Preis
€ 29,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Dorit Engster, Althistorisches Seminar, Georg-August-Universität Göttingen

Die Untersuchung der sozialen Normen des gesellschaftlichen Umgangs hat sich gerade in den letzten Jahren zu einem wichtigen Forschungsfeld der Alten Geschichte entwickelt. Einen wichtigen Teilbereich bilden in diesem Zusammenhang die Arbeiten zur antiken Fest- und Freizeitkultur.1 Mit einem Bestandteil der Festkultur Roms, dem Gastmahl, seinen kulturellen, sozialen und politischen Aspekten, beschäftigt sich die Untersuchung von Elke Stein-Hölkeskamp.2 Einleitend werden von ihr die herangezogenen literarischen und materiellen Quellen vorgestellt und in ihrer Problematik diskutiert sowie die methodischen Grundlagen der Analyse dargelegt. Der Hauptteil der Arbeit gliedert sich in vier Abschnitte, die jeweils die Teilnehmer (S. 34ff.), Ort und Zeit des Gastmahls (S. 112ff.), die genossenen Speisen (S.163ff.) und die Form der Unterhaltung bei Tisch (S. 220ff.) thematisieren.

Stein-Hölkeskamp setzt in ihrer Analyse bei den Gastmählern der späten Republik und ihrer Schilderung durch Cicero an. Hier wäre sicherlich auch ein früherer Ansatz denkbar bzw. eine Erörterung des Ursprungs des Gastmahls sowie des ab dem 2. Jahrhundert v.Chr. zunehmenden Gegensatzes zwischen der Esskultur der breiten Masse und derjenigen der Oberschicht von Vorteil gewesen.3 Allerdings ermöglicht der gewählte Beginn der Untersuchung mit der Zeit der innenpolitischen Auseinandersetzungen einen prägnanten Vergleich zwischen Republik und Kaiserzeit und eine Diskussion der soziopolitischen Relevanz der Gastmähler. Wie Stein-Hölkeskamp herausstellt, dienten die convivia der Kommunikation innerhalb der politischen Führungselite. Demgegenüber fungierte das kaiserliche Bankett als Gelegenheit zur Kommunikation der Kaiser mit den Senatoren und Rittern. Stein-Hölkeskamp verbindet den Wandel der politischen Ordnung mit einer Veränderung von Ablauf und Funktion der Gastmähler. Zunehmend hätten bei der Konversation Bildung und Kunstverständnis an Bedeutung gewonnen, da dieser Bereich für die Führungsschicht nun eine größere Rolle gespielt habe. Diese "Veränderung der kaiserzeitlichen Geselligkeitskultur" (S. 72) wird von der Stein-Hölkeskamp positiv bewertet, weil so die Ausrichtung des Lebens nur auf eine militärische oder politische Führungsposition durch andere Aspekte ergänzt worden sei. Allerdings wird man nicht verkennen dürfen, dass sich hierin auch das Schwinden politischer Einflussmöglichkeiten manifestierte.

Ausführlich wird von Stein-Hölkeskamp die Teilnahme von Frauen an den Gastmählern thematisiert, und zwar einerseits die Selbstverständlichkeit weiblicher Gäste und Gastgeberinnen und andererseits die Polemik gegen deren Verhalten. In zwei weiteren Kapiteln (S. 86ff.) "sortiert" Stein-Hölkeskamp die Teilnehmer jeweils nach Jung und Alt bzw. Reich und Arm. Deutlich wird die soziopolitische Bedeutung der convivia, aber auch der sich vollziehende Wandel. So wird von den römischen Autoren kritisiert, dass die Gastmähler nicht mehr die ihnen zukommende Rolle bei der Sozialisation junger Aristokraten erfüllten und die Patrone ihre Klienten nicht mehr angemessen behandelten. Damit habe das Gastmahl als Ort institutionalisierter Kommunikation mehr und mehr seinen Wert verloren. In der Möglichkeit zu Kommunikation und Anknüpfung von Kontakten unter Respektierung der gesellschaftlichen Hierarchie sieht Stein-Hölkeskamp die wesentliche, integrative Aufgabe der convivia. In der Kaiserzeit habe sich die Zusammensetzung der Tischgesellschaften gewandelt: Nun zählten nicht nur die politische Elite, sondern auch Künstler zum Teilnehmerkreis. Die Normen des gesellschaftlichen Umgangs hätten sich somit zwar verändert, jedoch blieben, wie Stein-Hölkeskamp an einer Reihe von literarischen Beispielen nachweist, die althergebrachten Regeln als Ideal bestehen.

In einem zweiten Hauptteil geht Stein-Hölkeskamp auf den Verlauf der Gastmähler und hierbei zunächst auf den zeitlichen Rahmen ein. Wie auch bei den hierarchischen Tischordnungen galten Abweichungen von der Norm als Verstoß gegen die guten Sitten, die zunehmende Lockerung der zeitlichen Vorgaben wurde als Dekadenz angesehen. Ein derartiger Vorwurf findet sich bei den antiken Autoren auch im Hinblick auf den zunehmenden Luxus bei Anlage und Ausstattung der Speiseräume. Dieser wird von Stein-Hölkeskamp ausführlich beschrieben, und zwar von der Ausgestaltung der Räume bis zu den in diesen zu findenden Möbeln, die auch als Statussymbole fungierten. Diskutiert werden von ihr die Bedeutung der Exklusivität und die wechselnden Moden im Bezug auf die Möbelstücke. Hieraus ergibt sich eine Konzentration auf "Luxusversionen" der Ausstattung.4 Etwas in den Hintergrund tritt demgegenüber leider in der Darstellung das "durchschnittliche" Gastmahl, wie es in den Häusern römischer Bürger stattfand. Auch hinsichtlich des bei den Gastmählern verwendeten Geschirrs konzentriert sich Stein-Hölkeskamp auf die kostbaren Gefäße. Von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang ihre Beobachtung, dass nicht allein der reine Materialwert des Geschirrs von Bedeutung war. Die kostbaren Gefäße waren Statussymbole und sollten Geschmack und Bildung des Besitzers demonstrieren; gleichzeitig dienten die auf ihnen angebrachten Bilder der Selbstdarstellung und sollten ebenso wie die mit dem Stück verbundenen Anekdoten bei Tisch das Gespräch anregen.

In einem dritten Teil behandelt Stein-Hölkeskamp die bei den Gastmählern servierten Speisen, wobei sie sich - wie im vorangehenden Kapitel - auf die literarischen Quellen konzentriert und die Ergebnisse der archäologischen Forschung eher am Rande mit einbezieht. Sie setzt bei der von Cicero vorgebrachten Kritik an allzu großem Tafelluxus an. Dass dessen Sichtweise keineswegs der Auffassung aller Standesgenossen entsprach, weist Stein-Hölkeskamp durch eine Analyse des Verhaltens seiner Zeitgenossen nach, von denen sich eine Reihe einen besonderen Ruf als Feinschmecker erwarb bzw. in einen auf kulinarischen Luxus ausgerichteten Lebensstil investierte. Stein-Hölkeskamp analysiert die hiermit verbundenen Ausgaben und schildert den Wandel der Villen zu Produktionsstätten von Delikatessen. Der Selbstdarstellung dienten auch die beim Essen servierten Gänge. Entscheidend waren hier Exklusivität und Raffinesse bei der Zubereitung, ausgefallene Speisen sowie eine schier unendliche Fantasie bei deren Anrichtung. Wie sie darlegt, war das Gastmahl Ort des aristokratischen Wetteiferns; Spezialkenntnisse auch in kulinarischen Fragen bildeten ein wichtiges Gesprächsthema. Stein-Hölkeskamp spricht in diesem Zusammenhang von einer "hierarchisch strukturierten Gourmetgemeinde" (S. 203), in der derartige Kenntnisse und kulinarische Innovationen als besondere Leistung gewürdigt wurden.

Im Anschluss behandelt Stein-Hölkeskamp die beim Gastmahl gebotenen unterschiedlichen Formen der Unterhaltung: die intellektuellen und politischen Tischgespräche sowie Tanz, Gesang und andere Vorstellungen, die bereits in republikanischer Zeit zum "Programm" gehörten. Wie Stein-Hölkeskamp darlegt, wurde in der Kaiserzeit zunehmend ein Leben in Genuss empfohlen, zu dem auch das Gastmahl gehörte - mit den verschiedensten Formen der Unterhaltung und in zunehmendem Maße auch dichterischen Vorträgen, die neben dem traditionellen römischen Wertekanon auch Lebensfreude, Liebe und Selbstverwirklichung thematisierten. Als Leitfaden zieht sich durch die Arbeit die Gegenüberstellung von Luxus als Statussymbol und immer wieder geäußerter Kritik an übertriebenem Aufwand und Dekadenz. Entsprechend wird die Untersuchung abgeschlossen durch Kapitel, die Ende und Folgen der Ausschweifungen sowie den Stellenwert der convivia für die römische Lebensweise thematisieren.

Die Arbeit von Elke Stein-Hölkeskamp zeichnet sich insgesamt durch eine große Quellennähe und eine ausgezeichnete Kenntnis des Materials aus. Bei ihrer Analyse wählt sie generell den Weg über die Charakterisierung einzelner Gastgeber und Gäste bzw. der - in vielen Fällen mit diesen identischen - römischen Autoren. Auf diese Weise gelingt es ihr, sehr anschaulich und zugleich präzise zu vermitteln, in welch hohem Maße die Gastmähler, die Einladungen und Gegeneinladungen das gesellschaftliche Leben Roms prägten. Gleichzeitig gelingt es ihr überzeugend, den Wandel der politischen und sozialen Bedeutung des Gastmahls nachzuzeichnen.

Anmerkungen:
1 Maurer, Michael, Fest und Feiern als historischer Forschungsgegenstand, in: HZ 253 (1991), S. 101-130; Wörrle, Michael, Stadt und Fest im kaiserzeitlichen Kleinasien. Studien zu einer agonistischen Stiftung aus Oinoanda, München 1988; André, Jacques, Griechische Feste, römische Spiele. Die Freizeitkultur der Antike, Stuttgart 1994; Weeber, Karl-Wilhelm, Panem et circenses. Massenunterhaltung als Politik im antiken Rom, Mainz 1994.
2 Salza, Eugenia, L'arte del convito della Roma antica, Roma 1983; Vössing, Konrad, Mensa Regia. Das Bankett beim hellenistischen König und beim römischen Kaiser, München 2004.
3 Vgl. hierzu Fellmeth, Ulrich, Brot und Politik. Ernährung, Tafelluxus und Hunger im antiken Rom, Stuttgart 2001.
4 Vgl. zum Tafelluxus insgesamt Weeber, Karl-Wilhelm, Die Schwelgerei, das süße Gift ... Luxus im alten Rom, Darmstadt 2003.

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