Cover
Titel
Der rote Terror. Die Geschichte des Stalinismus


Autor(en)
Baberowski, Jörg
Erschienen
Anzahl Seiten
288 S.
Preis
€ 24,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Wladislaw Hedeler, Berlin

Rechtzeitig zum Russlandschwerpunkt der Frankfurter Buchmesse 2003 legte Jörg Baberowski, Professor für osteuropäische Geschichte an der Humboldt-Universität Berlin, zwei Bücher vor, die sich mit der Geschichte des Stalinismus beschäftigen. Aus der Feder des Berliner Russland-Historikers stammen "Der rote Terror" und "Der Feind ist überall" (beide DVA, 2003). Auf die Ausarbeitungen aus der letztgenannten Studie über den Stalinismus im Kaukasus greift Baberowski im "Roten Terror" immer wieder zurück.

Im übersichtlich strukturierten und flüssig geschriebenen Buch "Der rote Terror. Die Geschichte des Stalinismus" nähert sich der Autor in fünf thematisch und chronologisch angelegten Kapiteln dem Thema. Die neue Literatur zum Thema ist verarbeitet, die relevanten russischen Archivbestände ausgewertet. Terror und Stalinismus sind für Baberowski Synonyme, die Geschichte des Stalinismus nicht mit der Geschichte der UdSSR identisch. "Der Stalinismus war eine Zivilisation, die aus dem sowjetischen Imperium kam und mit dem Tod Stalins zugrunde ging", stellt der Autor einleitend, im Rahmen einer ebenso lesenswerten wie informativen Polemik gegen Auffassungen von Autoren des Schwarzbuches und die so genannten "Revisionisten" fest (S. 8).

Das erste Kapitel "Der Weg in den Stalinismus" enthält Ausarbeitungen über Revolution und Bürgerkrieg, den historischen Kontext und den Ausgangspunkt der blutigsten Epoche in der Geschichte des Landes. In "Ruhe vor dem Sturm" finden sich Überlegungen und Diskussionsangebote zur Entwicklung von Industrie und Landwirtschaft, der nationalen Frage und der Ideologie. Daran schließt sich ein Kapitel über die Kulturrevolution an. Das vierte Kapitel enthält Untersuchungen zum Terror, angefangen von den Moskauer Schauprozessen über die Parteisäuberungen bis hin zum Massenterror. Im fünften Kapitel "Krieg und Nachkrieg" wird ein Diskussionsangebot zum Spätstalinismus unterbreitet.

Interessant sind Baberowskis Überlegungen zum Feindbild der Bolschewiki, die Baberowski zurecht mit einem Schwertträgerorden vergleicht (S. 29). Das Thema durchzieht den Band wie ein roter Faden. Vieles, was andere politische Parteien, gesellschaftliche Kräfte, militärische Formationen oder Privatpersonen bisher als Reaktion, als Antwort der Bolschewiki auf die gegen sie gerichteten Aktivitäten gedeutet und interpretiert haben, muss im Ergebnis der Lektüre neu durchdacht werden. Leider konnten Diskussionslinien wie das Verschwinden des bürgerlichen Gegenentwurfes einer Gesellschaft, das Ende der Parteiopposition oder die Orientierung auf Zwangsarbeit, um nur einige zentrale Fragestellungen zu nennen, im vorgegebenen thematischen Rahmen nicht ausdiskutiert werden. Dies sollte mit Blick auf eine noch zu schreibende Geschichte der Sowjetunion einschließlich einer differenzierteren Untersuchung der Rolle einzelner Akteure nachgeholt werden.

Anknüpfungspunkte gibt es nicht nur in Gestalt von monographischen Arbeiten und Dokumenteneditionen zur Genüge. Zu letzteren gehören Editionen wichtiger Dokumente nichtbolschewistischer Parteien und die Veröffentlichung des Journals der Besucher in Stalins Kabinett im Kreml. Unter Einbeziehung dieser Quellen hätte das Buch noch mehr zur Beförderung der Debatte über den Stalinismus beitragen können. Unter diesem Blickwinkel seien drei zu diskutierende Aspekte, die NÖP, die Kulturrevolution und der Gulag, hervorgehoben.

Die Geschichte des Stalinismus ist eine Geschichte des Scheiterns der Politik der Bolschewiki. Zahlreiche Folgen traten erst nach dem Zerfall, dem Auseinderbrechen der Großmacht mit aller Deutlichkeit hervor. "Die Sowjetunion war ein Personenverbandsstaat, in dem die Macht errang, wer auf der Klaviatur der persönlichen Beziehungen zu spielen verstand. Das galt für die Partei mehr als für die Staatsbehörden, denn im Orden der Bolschewiki dienten keine Staatsbeamten, sondern Revolutionäre, die auf die Verwaltung des Status quo nichts gaben" (S. 86.). Mit dieser Erblast muss auf dem Weg von der totalitären Gesellschaft zur Demokratie ein für allemal gebrochen werden. Ein Spiegelbild dieses komplizierten Weges ist die neuere russische Geschichte.

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