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H-Soz-Kult
 

Das Historische Buch 2009

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Zeitgeschichte

Essay von Konrad H. Jarausch für H-Soz-Kult

1. Rang

Doering-Manteuffel, Anselm; Raphael, Lutz: Nach dem Boom. Perspektiven auf die Zeitgeschichte seit 1970. Göttingen 2008.

Zuerst zu dem schmalen Bändchen, das aus der Feder der beiden Zeithistoriker Anselm Doering-Manteuffel (Tübingen) und Lutz Raphael (Trier) stammt und auf einem Konzeptpapier für einen anvisierten Forschungsverbund fußt. Sie plädieren für eine systematisch angelegte Zeitgeschichte, die sich von der Fixierung auf Jubiläen und Archivfristen lösen soll. Um die zunehmende Komplexität und Widersprüchlichkeit des Untersuchungsgegenstandes zu erfassen, bedürfe es eines neuen konzeptionellen Zuschnitts dieses historischen Teilfachs, das die Verfasser im Anschluss an Hans Günter Hockerts als problemorientierte Vorgeschichte der Gegenwart verstanden wissen wollen. Diesen Rahmen spannen sie für jene Ära „nach dem Boom“ auf, die die Zeit von 1965/70 bis 1995/2000 umfasst. [...] Auch wenn man einwenden mag, dass sich die Themenfelder erkennbar an bereits bestehenden Forschungs- und Arbeitsschwerpunkten der beiden Verfasser orientieren – wie sollte es bei einem anvisierten Forschungsverbund auch anders sein – und sich gegen die Formel des „Wandels von revolutionärer Qualität“ die in der Debatte um den Begriff der „industriellen Revolution“ vorgebrachten Vorbehalte vorbringen ließen, ist der Essay zweifelsfrei ein anregender Beitrag zum Standort jener „Geschichte, die noch qualmt“ (Barbara Tuchman). Nils Freytag für H-Soz-Kult

Der schmale Band erfüllt mehrere Zwecke: Er ist eine - vorläufige - Zusammenschau der zu erheblicher Breite angewachsenen Einzelforschung zum säkularen Strukturwandel seit den 1970er Jahren. Er ist Ortsbestimmung und provisorische, aber bereits paradigmenbildende Synthese (zumindest für die Zeithistorikerzunft; aus Sicht der Sozialwissenschaften ist vieles bekannt, auch theoretisch verarbeitet). Er skizziert zudem - wenn auch reichlich erratisch-unsystematisch - die Grundzüge eines Forschungsprogramms.
Stephan Lessenich (sehepunkte)
http://www.sehepunkte.de/2009/05/15521.html


2. Rang

Wehler, Hans-Ulrich: Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Bundesrepublik und DDR 1949 - 1990. München 2008.

Nach rund 25 Jahren hat Hans-Ulrich Wehler sein großes Vorhaben einer „deutschen Gesellschaftsgeschichte“ mit dem fünften Band über die Zeit von 1949 bis 1990 nunmehr erfolgreich abgeschlossen. In einer schnelllebigen, mediengetriebenen Zeit ist diese Synthese eine eindrucksvolle Leistung, die schon aufgrund der dafür notwendigen Disziplin Anerkennung verdient. […] Eindrucksvoll bleiben Wehlers wissenschaftliche Disziplin, die Synthese einer enormen Literaturfülle sowie das Engagement für Demokratie und Chancengleichheit. In dieser Hinsicht ist der Band selbst ein Ausdruck einiger der besten Seiten der alten Bundesrepublik. Konrad H. Jarausch für H-Soz-Kult

Wehlers Stärke liegt in der konsequenten klassischen materiellen Schichtungsanalyse […]. Ausgiebig arbeitet er sich an den methodisch-theoretischen sozialwissenschaftlichen Debatten seiner Zeit der siebziger und achtziger Jahre ab, und er hat zweifellos recht, wenn er die auch in dieser Zeit virulenten, höchstens latent gewordenen materiellen Ungleichheiten hervorhebt, die manche kultursoziologische Überspitzung voreilig eliminierte, wobei die reflektierten Vertreter dieser Richtung dies auch nicht wirklich taten.
(FAZ vom 28.11.2008, Nr. 279 / Seite L20)
http://www.faz.net/s/RubC17179D529AB4E2BBEDB095D7C41F46...html

Teilung und Einheit sind meine Lebensthemen gewesen, lange als Journalist, später als Zeithistoriker. Beides hat Wehler nicht um den Schlaf gebracht. Im letzten Band seiner "Deutschen Gesellschaftsgeschichte" beschreibt er zwei "Gesellschaften", aber nicht, wie sie zueinander standen. Zogen sie sich an? Stießen sie sich ab? Entfremdeten oder näherten sie sich einander? Von den Antworten hängt ab, wie schwer oder leicht sich die Deutschen nach der staatlichen Vereinigung zu einer gesamtdeutschen Gesellschaft zusammenfinden können.
Peter Bender (FAZ vom 24.09.2008, Nr. 224 / Seite 36)
http://www.faz.net/s/RubC17179D529AB4E2BBEDB095D7C41F46...html

Ein gigantisches Projekt ist abgeschlossen. Jetzt kann man auch den fünften Band der deutschen "Gesellschaftsgeschichte" von Hans-Ulrich Wehler kaufen. 21 Jahre mussten seine Fans darauf warten; nun endlich hat ihnen der Schulmeister der "Historischen Sozialwissenschaft" die deutsche Geschichte der letzten drei Jahrhunderte komplett durchgedeutet. […] Natürlich, wer hauptberuflich lehrt, ob an Schulen oder Universitäten, freut sich über Wehlers Handbuch und Steinbruch - vor allem dann, wenn er Angst hat vor der Geschichte. Denn bei Wehler ist jeder historische Eigensinn an die begriffliche Leine gelegt, sind Chaos und Wildheit der Geschichte gebändigt, ist sie säuberlich zergliedert in: erstens, zweitens, drittens, a., b., c., usw. usf. Alles ist angenehm lernziel- und prüfungstauglich typologisiert, probat nach Dimensionen, Strukturen, Prozessen, Achsen aufgeteilt.
Jürgen Kaube (FAZ vom 31.08.2008, Nr. 35 / Seite 13)
http://www.faz.net/s/RubC17179D529AB4E2BBEDB095D7C41F46...html


3. Rang

Paul, Gerhard (Hg.): Das Jahrhundert der Bilder. Bildatlas 1900-1949 /1949 bis heute. Göttingen 2008.

Eigentlich wundert man sich, dass es einen Bildatlas in der Art, wie ihn Gerhard Paul in zwei Bänden vorgelegt hat, nicht schon längst gab. […] Nun aber hat sich endlich jemand an die Vermessung des kollektiven Bildgedächtnisses gemacht, wie es sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelte. Und um es vorwegzunehmen: Das Ergebnis ist insgesamt überzeugend. […] Am stärksten erscheint Pauls Konzept da, wo man am ehesten Beliebigkeit befürchtet hätte. So geht der in Flensburg lehrende Historiker von einem sehr weiten Kulturbegriff aus, der Grenzen zwischen ‚high’ und ‚low’ nicht anerkennt. […] So gewissenhaft viele Beiträge auf die Wirkungsgeschichte einzelner Bilder eingehen, so wenig reflektieren sie ökonomische oder logistische Dimensionen von deren Erfolg. Doch wiegen solche Mängel gering gegenüber den Verdiensten des Sammelwerkes – und gegenüber den Perspektiven, die es eröffnet. So bricht Paul mit der sonst üblichen Praxis, das Bildgedächtnis nur als Summe von Einzelbildern zu begreifen […] War die Orientierung am Einzelbild noch dem aus der Kunstgeschichte stammenden Konzept des Meisterwerks verpflichtet, so bietet Pauls Bildatlas den ersten Versuch, die Bedeutung von Bildlichkeit im Ganzen für Genese und Funktionieren des kulturellen Gedächtnisses auszuloten. Wolfgang Ullrich für H-Soz-Kult

[…] breit gefächert ist die Auswahl der Gegenstände. Sie reicht von Werken der bildenden Kunst wie Picassos "Guernica" über das politische Plakat und den Film bis hin zur Ikonographie der beiden Weltkriege. […] Schon dieser differenzierte Überblick lohnt die Lektüre des Bandes, und auch die ausführliche Bibliographie macht das Buch zu einer empfehlenswerten Einführung in das Thema. […] Der Anspruch des Unternehmens ist hoch: Der Band will kein Geschichtsbuch mit angehängtem Bildteil sein, vielmehr soll gezeigt werden, dass das zwanzigste Jahrhundert maßgeblich visuell geprägt war und folglich das Logo "Jahrhundert der Bilder" tragen darf.
Peter Geimer (FAZ vom 10.07.2009)


4. Rang

Gaddis, John Lewis: Der Kalte Krieg. Eine neue Geschichte. München 2007.

Es ist aber bei dem eloquenten und elegant schreibenden Yale-Historiker ein brillantes Buch geworden, das von den Undergraduates bis weit in historisch-politisch interessierte Leserkreise gelangen kann und wird – in den USA zeichnet sich das Echo bereits ab. […] Wie kann dieser Mann, der doch schon alles wusste, nochmals nachlegen? Es ist der Reiz der Gesamtschau aus der Distanz, mit dem sich Gaddis wohl auf einige Zeit von seinem Thema verabschiedet. Er kann erzählen, in einem unprätentiösen Stil, der nur selten erkennen lässt, wie methodisch beschlagen sich der Autor in anderen Büchern ausgelassen hat. Die Quellenaufnahme und -recherche, die er selbst geleistet und etwa durch das Cold War International History Project angestoßen hat, nötigt Respekt ab. Gaddis berichtet personen- und situationsgebunden, mit klarem Urteil in der Sache und antithetischer, oft dialektisch zugespitzter Formulierung häufig erhellend. Jost Dülffer für H-Soz-Kult

Jetzt erscheint von Gaddis eine komplette Geschichte des Kalten Krieges. […] Ein atemraubendes Programm, das auf 370 Seiten kaum angemessen zu bewältigen ist. Gaddis schafft es dennoch, indem er nicht die ganze Geschichte des Kalten Krieges schreibt, sondern eine Ideologiegeschichte aus der Perspektive der Sieger.
Josef Foschepoth (FAZ vom 03.04.2007, Nr. 79 / Seite 7)
http://www.faz.net/s/RubA330E54C3C12410780B68403A11F948...html


5. Rang

Grossmann, Atina: Jews, Germans, and Allies: Close Encounters in Occupied Germany. Close Encounters in Occupied Germany. Princeton 2007.

Atina Grossmann, eine ausgewiesene Gender-Historikerin mit dem Forschungsschwerpunkt deutsch-jüdische Geschichte, hat sich mit diesem Buch viel vorgenommen. Das auf den ersten Blick vielleicht miniaturhaft erscheinende Thema wirft tatsächlich ein Unzahl von Fragen auf, die mitten in einige der heftigsten fachwissenschaftlichen und allgemein-politischen Diskussionen der Gegenwart führen […]. Grossmann, das darf man getrost so sagen, ist es gelungen, eine enorme Fülle von Fakten, viele aus bislang unerschlossenen Quellen, souverän zu präsentieren und zu situieren und dabei die genannten Forschungsprobleme und -diskussionen überall angemessen zu berücksichtigen. Dabei verfällt sie niemals in eine naive Identifikation mit ihrem Sujet. Atina Grossmann demonstriert von der ersten bis zur letzten Seite, was es heißt, als Forscherin die notwendige Distanz zum eigenen historiographischen Gegenstand zu halten (nicht zu verwechseln mit moralischer Indifferenz oder Äquidistanz zu Opfern und Tätern). Luise Hirsch für H-Soz-Kult