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H-Soz-Kult
 

Das Historische Buch 2007

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Entangled History: nationale und europäische Geschichte in globaler Perspektive
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Essay von Harald Müller für H-Soz-Kult

1. Rang (53 Punkte, 14 Voten)

Koselleck, Reinhart: Begriffsgeschichten. Studien zur Semantik und Pragmatik der politischen und sozialen Sprache. [Mit zwei Beitr. von Ulrike Spree und Willibald Steinmetz]. Frankfurt am Main: Suhrkamp Taschenbuch Verlag 2006.

Titel und Untertitel der neuen Sammlung klingen fürchterlich akademisch, geradezu nichtssagend neutral. Die Gesamtaussage der Texte aber ist eine andere. Koselleck betrieb seine "Begriffsgeschichten" nicht als akademisches Glasperlenspiel. Er betrachtete die Begriffsgeschichte als ein Mittel, zu einem begrifflich differenzierten Geschichtsbild zu gelangen, das politische Funktionen im "Postulat der Prognosenkontrolle" erfüllt. Dieser Schritt über die bloßen "Begriffsgeschichten" hinaus ist das Vermächtnis der neuen Sammlung. Reinhard Mehring für H-Soz-Kult

Reinhart Koselleck ist mit der Zeit immer mehr in die Rolle eines theoretischen Übervaters der Begriffsgeschichte geschlüpft. Seine gesammelten Studien sind sein Vermächtnis; nie zuvor hat er das Ethos seiner unermüdlichen Begriffsarbeit so aufscheinen lassen. Gerade in unseren Zeiten empfehlen sich seine theoretisch »gehegten« Begriffsgeschichten als wirksames Gegenmittel gegen neue Feinderklärungen.
Stephan Schlak (Die Zeit 07.12.2006)
http://www.zeit.de/2006/50/P-Koselleck

Der Anfang dieses Jahres [2006] gestorbene Historiker Reinhart Koselleck nahm gern die Gelegenheit wahr, die eigenen Forschungen zur historisch-politischen Begrifflichkeit als Ausdruck begriffener Welt in gegenwärtigen Auseinandersetzungen fruchtbar zu machen. Wie intensiv er das betrieben hat, läßt sich auch an dem postum erschienenen, von Willibald Steinmetz, Ulrike Spree und Carsten Dutt bearbeiteten Band "Begriffsgeschichten" ablesen, in dem grundsätzliche Aufsätze zur Begriffsgeschichte und Semantik der bürgerlichen Welt bis zu Gegenwartsproblemen fortgeführt werden.
Michael Jeismann (FAZ 11.12.2006)
http://www.faz.net/s/RubC17179D529AB4E2BBEDB095D7C41F46...html


2. Rang (40 Punkte, 10 Voten)

De Grazia, Victoria: Irresistible empire. America's advance through twentieth-century Europe. Cambridge, Mass. [u.a.]: Belknap Press 2005.

De Grazias Werk markiert eine neue Qualität der Forschung zu den amerikanisch-europäischen Kulturtransfers im 20. Jahrhundert. Es ragt heraus durch Weite des Blicks und Vielschichtigkeit der Darstellung wie durch Umfang und Aussagekraft der herangezogenen Quellen: neben amerikanischen vor allem deutsche, italienische und französische, die wirklich eine Darstellung in (west)europäischer Dimension ergeben. Literarische Eleganz sowie gut gewählte und kommentierte Abbildungen garantieren Lesevergnügen. Doch vor allem ist "Irresistible Empire" ein großer Wurf, weil es zwanzig Jahre Amerikanisierungsforschung abschließt. Es nimmt das Modell von eigensinnig sich selbst amerikanisierenden Europäern und Europäerinnen auf, das in den 1980er-Jahren das Imperialismus- und Überwältigungsparadigma abgelöst hat. Es nimmt die Erkenntnisgewinne des cultural turn und der Alltagsgeschichte auf und integriert sie in einen komplexeren analytischen Ansatz. De Grazia bringt die Fragen von Dominanz und Folgebereitschaft, Klassenunterschieden und Freiheitsansprüchen, sozialen Kosten des Kapitalismus und Alternativen zum westlichen Konsummodell derart differenziert und nachdrücklich in die Amerikanisierungsdebatte zurück, dass sich jede weitere Studie daran wird messen lassen müssen. Kaspar Maase für H-Soz-Kult

The past and future of empire has been much discussed of late, due to the United States' recent overseas military engagements. But whatever may be afoot in the shifting sands of the Middle East, Professor de Grazia has shown us that if historians are really to gauge the origins, extent, and power of the American imperium, they will have to dig deeper and wider than military and official records, and explore the remarkably enduring patterns of consumption that Americans have transmitted to Europe. Americans may not have built roads, amphitheaters, and aqueducts, but their impact on the landscape of Europe, from discount super-stores to Euro-Disney and the now-ubiquitous golden arches, may last as long as anything ever dreamed of in Rome.
William I. Hitchcock (H-Diplo 08.2005)
http://www.h-net.org/reviews/showrev.cgi?path=158261137...

Alles in allem liegt hier aber eine überaus lesenswerte Arbeit mit vielen weiter zu diskutierenden Thesen vor, das für jeden ein Muss ist, der sich mit der Geschichte des Konsums im zwanzigsten Jahrhundert, gleichgültig aus welcher Perspektive, befasst.
André Steiner (sehepunkte 2006, Nr. 6)
http://www.sehepunkte.de/2006/06/9587.html

But no historian has yet attempted what de Grazia does here: a sweeping synthesis that provides very detailed and thick descriptions of just how private and state projects have operated to carry American methods and products to Europe, changing the nature of business and consumer culture. De Grazia is as finely attuned to the sensibilities and social patterns of village life in Emilia-Romagna as she is to bourgeois aspirations in interwar Dresden. In this telling, what is at stake is not only which products European shoppers take off the shelves (and from which shelves), but how they think about their own societies, their possibilities and their goals in life.
Max Paul Friedman (H-German 06.2006)
http://www.h-net.org/reviews/showrev.cgi?path=235741159...


3. Rang (39 Punkte, 12 Voten)

Daniel, Ute (Hg.): Augenzeugen. Kriegsberichterstattung vom 18. zum 21. Jahrhundert. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2006.

Insgesamt hinterlässt dieser Band einen positiven Eindruck. Von den angesprochenen Schwächen abgesehen bietet er eine interessante und lehrreiche Lektüre, die zum Weiterdenken anregt und deutlich zeigt, wie leicht Journalisten/innen zu willfährigen Sprachrohren von Politik und Militärs werden können. Der Band verdeutlicht aber auch, welche Hybris den Medien bisweilen innewohnt: Die Wahrnehmung der Kontrollfunktion geht immer mehr mit der Erkenntnis einher, dass aus dieser Funktion reale Macht erwächst – wobei die Selbstsicht der Medien, pazifizierend zu wirken, oft im Widerspruch zur Medienrealität steht. Philipp Fraund für H-Soz-Kult

Wertvoll ist das vorliegende Buch aber allemal, denn als "Einstiegshilfe konzipiert", erfüllt der Sammelband diese Funktion voll, wobei in diesem Zusammenhang die kommentierte Auswahlbibliografie besonders lobend hervorgehoben werden muss. Knapp und kompakt wird dem Leser ein erster Überblick präsentiert, der die Relevanz der Thematik verdeutlicht.
Timm C. Richter (sehepunkte 2006, Nr. 9)
http://www.sehepunkte.de/2006/09/10612.html

Der herausragende unter den durchweg guten Artikeln des Sammelbandes stammt von Lars Klein und befasst sich mit der Berichterstattung zum Vietnamkrieg der USA (1964 bis 1975). Auf solider Quellenbasis und mit starken Argumenten zerstört er zwei Legenden. Die eine streute das Gerücht, nicht die Vietnamesen, sondern die eigenen Medien seien der Feind. Mit der zweiten Legende wurde den Vietnam-Korrespondenten nachgesagt, sie hätten das Ende des Kriegs herbeigeführt. Die erste Legende beruht schlicht auf Regierungspropaganda, wie Klein im Detail zeigt. Die zweite dagegen lebt von einer nachträglichen Selbststilisierung der beteiligten Journalisten zu Helden. Die Kriegsgegner im FBI, ohne die es keinen Watergate-Skandal gegeben hätte, und die Proteste der Studenten- und Friedensbewegung waren für das Kriegsende entscheidender als der Einfluss der Kriegsberichterstattung, die zwar Fehler und Verbrechen aufdeckte, aber den Krieg zu keinem Zeitpunkt grundsätzlich infrage stellte.
Rudolf Walther (Die Zeit 30.11.2006)
http://www.zeit.de/2006/49/P-Daniel

Insgesamt lohnt das Buch aber die Lektüre. Es macht Entwicklungen sichtbar. Man versteht den Einsatz der Medien und die Reaktionen des Militärs und der Politik besser. Man kann die Kriege aus der Perspektive der Berichterstattung gleichsam neu erleben und erfährt Hintergründe, so zum bekanntesten Bild des Vietnamkrieges aus der Zeit der Tet Offensive, die Erschießung des NFL-Captains Nguyen Van Lem durch den südvietnamesischen Polizeichef Nguyen Ngoc Loan am 1. Februar 1968, fotografiert von Eddie Adams.
Gerd Roellecke (FAZ 12.06.2006)
http://www.faz.net/s/RubC17179D529AB4E2BBEDB095D7C41F46...html


4. Rang (31 Punkte, 8 Voten)

Albertz, Anuschka: Exemplarisches Heldentum. Die Rezeptionsgeschichte der Schlacht an den Thermopylen von der Antike bis zur Gegenwart. München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag 2006.


5. Rang (22 Punkte, 6 Voten)

Raphael, Lutz (Hg.): Klassiker der Geschichtswissenschaft. Bd. 1: Von Edward Gibbon bis Marc Bloch. München: C.H. Beck Verlag 2006.

Mit den "Klassikern", die über ein Personenregister erschließbar sind, ist eine sehr empfehlenswerte Porträtsammlung entstanden, die die Leser/innen durch verschiedene Phasen der Geschichtsforschung der vergangenen 250 Jahre führen und ihnen nicht nur Themen, Thesen und Bücher vorstellen, sondern auch die dahinter stehenden Historiker/in als Menschen Revue passieren lässt. Karel Hruza für H-Soz-Kult