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H-Soz-Kult
 

Das Historische Buch 2008

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Political History in Cultural Perspective / Kulturgeschichte des Politischen / neue Politikgeschichte
Thematischer Schwerpunkt 2009
Publikumspreis

Neueste Geschichte

Essay von Dirk van Laak für H-Soz-Kult

1. Rang

Baberowski, Jörg (Hg.): Moderne Zeiten? Krieg, Revolution und Gewalt im 20. Jahrhundert. Göttingen 2006.

Jörg Baberowski hat auch die Einleitung des Sammelbandes verfasst, in der das Fragezeichen hinter den „Modernen Zeiten“ aufgelöst und der Leser zur Lektüre angeregt wird. Engagiert plädiert Baberowski dafür, die Massengewalt nicht als zwangsläufige Folge eines Weges in die Moderne zu begreifen. Im Vorgriff auf Langewiesches Beitrag kritisiert er die Rede von den neuen, modernen Kriegen, die realiter doch alte waren, und fordert zur Einbettung von Krieg, Revolution und ‚ethnischen Säuberungen’ in die verschiedenen kulturellen Kontexte der modernen Ordnungsvisionen auf. Mit seiner These, dass die Gewalträume der modernen Diktaturen staatsferne Räume gewesen seien, erinnert er an das Fazit eines anderen Essays aus seiner Feder, aber man braucht ihm hierin nicht unbedingt zu folgen, um das Buch mit Gewinn zu lesen. Peter Klein für H-Soz-Kult


2. Rang

Pyta, Wolfram: Hindenburg. Herrschaft zwischen Hohenzollern und Hitler. München 2007.

Wolfram Pyta übernimmt demgegenüber den ambitionierten Versuch, Hindenburg als eine aktive politische Herrschergestalt zu zeigen, und er tut dies erstaunlicherweise genau auf der Ebene, die gemeinhin für die mangelnde politische Gestaltungskraft des Feldmarschalls und Reichspräsidenten spricht: seinem Mythos. […] Trotzdem bleibt der Arbeit – neben dem wichtigen Hinweis auf Hindenburg als charismatischem Bindeglied zwischen Bismarck und Hitler – vor allem das große Verdienst, den nationalen Mythos Hindenburg nachhaltig destruiert und Hindenburgs aktive Rolle bei der Zerstörung der Weimarer Republik in aller Deutlichkeit herausgearbeitet zu haben. Hindenburg war persönlich tatsächlich wenig mehr als ein eitler und selbstgefälliger, vor allem aber seine eigene Bedeutung weit überschätzender Egomane, dem es im Grunde immer mehr um seinen eigenen Mythos als um die vielbeschworene Nation ging. Wolfgang Kruse für H-Soz-Kult

Diese voluminöse Biografie des zweiten Reichspräsidenten der Weimarer Republik ist ein wichtiges und durchweg flott zu lesendes, wenngleich gelegentlich detaillastiges Buch. Auch wenn man nicht mit seinem Zuschnitt und allen Thesen übereinstimmen mag und das Buch letztlich kaum darüber Auskunft gibt, inwieweit Hindenburg als parteiübergreifende Figur in der pluralistischen Gesellschaft, die Weimar eben auch war, überhaupt wahrgenommen wurde: Jeder, der sich mit der politischen Geschichte der ersten deutschen Demokratie und den Anfängen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft beschäftigt, wird es künftig zur Hand nehmen müssen. Denn Wolfram Pyta räumt nicht nur mit einigen alt vertrauten Grundannahmen auf, sondern er weist Hindenburg auch den ihm gebührenden verantwortlichen Platz in der jüngeren deutschen Geschichte zu.
Nils Freytag (sehepunkte 8, 2008, 6)
http://www.sehepunkte.de/2008/06/13602.html

Pytas Buch räumt mit vielen liebgewordenen Anschauungen über den Offizier und Politiker Hindenburg auf. Er zeigt den kalten Machtmenschen, als der sich dieser spätestens mit dem Sturz des Kriegskanzlers Bethmann Hollweg erwiesen hatte, in einer Fülle von Dokumenten und scharfsinnigen Analysen. Ein grosser Wurf, trotz mancher Wiederholung und gelegentlichen wissenschaftssprachlichen Verirrungen.
Cord Aschenbrenner (NZZ, 12.12.2007)
http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/aktuell/phlegma_un...html

Dem selbstformulierten Anspruch, Politik- und Kulturgeschichte fruchtbar zu verbinden, ist Pyta merklich besser gerecht geworden als kulturalistische Brauseköpfe vor ihm. Mit seiner höchst lesenswerten Studie trägt Pyta dazu bei, neues Interesse auf die nach wie vor "bohrende Frage" nach dem Ende der ersten deutschen Demokratie zu lenken und das alte Desiderat einer großen, quellengestützten Hindenburg-Biographie zu füllen.
Manfred Kittel (FAZ, 10.10.2007)
http://www.faz.net/s/RubC17179D529AB4E2BBEDB095D7C41F46...html


3. Rang

Hardtwig, Wolfgang (Hg.): Ordnungen in der Krise. Zur politischen Kulturgeschichte Deutschlands 1900 - 1933. München 2007.

Für jeden, der sich mit deutscher Sozial- und Kulturgeschichte seit der Jahrhundertwende beschäftigt, ist der von Wolfgang Hardtwig herausgegebene und hier nur ausschnitthaft vorgestellte Band ein „Muss“. Die Beiträge bewegen sich empirisch wie methodisch, stilistisch wie vom Reflexionsniveau her auf einem beeindruckenden Niveau. Nachdem lange Zeit das Kaiserreich historiographisch runderneuert worden ist, gerät nun zunehmend Weimar in den Fokus. Das Bild der Republik erscheint differenzierter, in manchen Aspekten positiver. Der nächste Schritt sollte es sein, solche Nuancierungen mit der Sozial- und Kulturgeschichte der Bundesrepublik zu verknüpfen. Michael Prinz für H-Soz-Kult

Der Band, der sich auf einem durchweg hohen argumentativen Niveau bewegt, bietet insgesamt anregende, zum Teil neue Blicke auf die ersten drei Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts. Krise und Ordnungsversuche werden nicht auf simplifizierende Erklärungen heruntergebrochen, sondern bleiben mannigfaltig, oft widersprüchlich. Die Moderne behält ihre charakteristische Janusköpfigkeit. […] "Ordnungen in der Krise" wird weitere Diskussionen […] zweifellos befruchten.
Tobias Becker (sehepunkte 7, 2007, 11)
http://www.sehepunkte.de/2007/11/12454.html


4. Rang

Wildt, Michael: Volksgemeinschaft als Selbstermächtigung. Gewalt gegen Juden in der deutschen Provinz 1919 bis 1939. Hamburg 2007.

In dieser Perspektive untersucht Michael Wildt in einer scharfsinnig argumentierenden Darstellung das Phänomen der "Gewalt gegen Juden in der deutschen Provinz" zwischen dem Ende des Ersten und dem Beginn des Zweiten Weltkriegs.
Klaus Hildebrand (FAZ, 17.10.2007)
http://www.faz.net/s/RubA330E54C3C12410780B68403A11F948...html

Wie konstituierte sich die Volksgemeinschaft im unmittelbaren Vollzug der Ausgrenzung anderer, in der Gewalt gegen Juden, die bisher Nachbarn in Dorf und Kleinstadt waren? Das ist die Leitfrage eines wichtigen und anregenden Buches von Michael Wildt. Wildt ist in den letzten Jahren zu einem der renommiertesten NS-Forscher, ja Zeithistoriker überhaupt geworden, nicht zuletzt mit seiner generationellen Kollektivbiografie einer entscheidenden Tätergruppe des Holocaust, des Führungskorps im Reichssicherheitshauptamt: der "Generation des Unbedingten". In dessen Fortsetzung steht unverkennbar die Studie über die Volksgemeinschaft; intellektuelle Verbindungsfäden sind Carl Schmitts Rechtfertigung der homogenen Volksdiktatur und - Wildts Antipode zu Schmitt - Ernst Fraenkels Konzept des nationalsozialistischen "Doppelstaates" mit dem Janusgesicht von Normen und Maßnahmen. Aber jetzt richtet sich der Blick nicht auf eine schmale Elite, sondern auf die ganz normalen Deutschen und ihre Rolle bei der zunehmenden Ausgrenzung ihrer jüdischen Nachbarn bis an die Schwelle des Krieges und der damit beginnenden systematisierten Vernichtung.
Paul Nolte (taz, 22.09.2007)
http://www.taz.de/index.php?id=digi-artikel&ressort=pb&...


5. Rang

Mann, Michael: Die dunkle Seite der Demokratie. Eine Theorie der ethnischen Säuberung. Hamburg 2007.

Einem verbreiteten Vorurteil zufolge sind ethnische Säuberungen und Genozide in erster Linie eine Folge zu schwacher und fragiler Staatlichkeit sowie sozialer und ökonomischer Rückständigkeit – und deshalb besonders häufig in afrikanischen Ländern anzutreffen. Ein großer Vorzug des Buches von Michael Mann ist es, mit solchen eurozentrischen Vorurteilen gründlich aufzuräumen und stattdessen den Blick auf die eigene dunkle Vergangenheit zu lenken. Genozide fanden, so Mann, historisch nicht nur wesentlich häufiger in Europa statt. Vielmehr sind sie strukturell mit dem von Europa ausgehenden Projekt der politischen Moderne, der Demokratie, verbunden. Manns zentrale These lautet deshalb auch: „Ethnische Säuberungen“ sind die „dunkle Seite der Demokratie“, die allerdings keineswegs zwangsläufig zum Vorschein kommen muss. Ob Demokratisierungsprozesse in kollektive Gewalt umschlagen (oder umgekehrt), hängt von einer Reihe von Faktoren ab, die Mann in seiner über 800 Seiten starken Studie identifizieren will. Thorsten Bonacker für H-Soz-Kult