Abonnement | Beitrag einreichen | Impressum
deutsch | english | français
H-Soz-Kult
 

Das Historische Buch 2003

Alte Geschichte
Mittelalterliche Geschichte
Geschichte der Frühen Neuzeit
Neuere Geschichte (langes 19. Jh.)
Neueste Geschichte
Zeitgeschichte
Europäische Geschichte
Außereuropäische Geschichte
Offene Kategorie
Religion und Gesellschaft
World history
Thematischer Schwerpunkt 2005
Publikumspreis

Neuere Geschichte (langes 19. Jh.)

1. Rang (29 Punkte, 5 Voten)

Weil, Patrick: Qu'est-ce qu'un Français? Histoire de la nationalité française depuis la Révolution. Paris 2002.


 

2. Rang (27 Punkte, 7 Voten)

Goschler, Constantin: Rudolf Virchow. Mediziner-Anthropologe-Politiker. Köln 2003.

Spezialisierte, medizinhistorisch interessierte Leser mögen Einzelheiten der Disziplinentwicklung und vielleicht auch manches Detail der fachinternen Kämpfe und Kontroversen vermissen. Aber um eine eng geschnittene Fachgeschichte geht es dieser - aus einer geschichtswissenschaftlichen Habilitationsschrift an der Berliner Humboldt-Universität hervorgegangenen Studie - ebenso wenig wie um eine Führung durch den Wissenschaftsolymp des 19. Jahrhunderts. Geboten wird vielmehr eine gelungene Verknüpfung wissenschafts-, sozial-, politik- und kulturhistorischer Zugriffe im Medium der Biografie. Constantin Goschlers Virchowbuch ist quellengesättigt ohne sich im Detail zu verlieren. Es erzählt das Leben eines prominenten Naturwissenschaftlers und Politikers und erschließt zugleich das sich wandelnde Verhältnis von Wissenschaft und Politik im 19. Jahrhundert. Es nimmt die Einzigartigkeit des gelebten Lebens ernst und arbeitet doch Typisches und Überindividuelles prägnant heraus. Und schließlich reflektiert es die Tücken des biografischen Genres, ohne sich in erkenntnistheoretischem Relativismus zu verflüchtigen. Ralph Jessen für H-Soz-Kult


 

3. Rang (26 Punkte, 6 Voten)

Schlögel, Karl: Im Raume lesen wir die Zeit. Über Zivilisationsgeschichte und Geopolitik. München 2003.

Die Wiederentdeckung des Raums als Paradigma der Historiographie ist nichts Brandneues, und sie ging nicht von der deutschen Geschichtsschreibung aus. Doch nirgends ist sie in deutscher Sprache so grundsätzlich, programmatisch, phantasievoll und inspirierend formuliert worden wie bei dem Osteuropahistoriker Karl Schlögel in seinem Buch "Im Raume lesen wir die Zeit" (ein Zitat des Geographen Friedrich Ratzel). Einmal mehr überwindet Schlögel die räumlichen Grenzen Osteuropas zwischen Ost und West, 'Alter' und 'Neuer' Welt, um die verdrängte, vergessene, schließlich tabuisierte Bedeutung des Raums für geschichtliches Denken und Geschichtsschreibung in das - räumlich sehende - Auge des historischen Betrachters zurückzuholen. Dieter Gosewinkel

Das Buch gehört nicht zu denen, die man im Zuge der Recherche zu einem bestimmten Thema liest, sondern von denen man sich inspirieren läßt, deren Lektüre Freude bereitet, zum Nachdenken anregt und nebenbei ein ästhetischer Genuß ist. In rund fünfzig Stationen kreist Karl Schlögel um den Gedanken, was geschieht, wenn man Orten und Räumen bei der Betrachtung von Geschichte mehr Augenmerk schenkt als das gemeinhin der Fall ist. Vieles, was er schreibt, ist nicht wirklich neu, sondern bloß in einen neuen Kontext gestellt, manches wirkt unausgegoren nebeneinandergestellt oder einfach nur assoziativ dahinerzählt, dennoch: Schlögel schärft den Blick für die Wahrnehmung von Raum und Zeit, weckt den Sinn für Schauplätze und macht deutlich, wie viel es aus dieser Perspektive zu entdecken gibt: Landkarten, Kursbücher, Adreß- und Telefonbücher werden über ihre engere Zweckbestimmung hinaus zu Quellen für die Konstruktion und Repräsentation von Räumen, treten in Beziehung zu historischen Ereignissen, Entwicklungen und Mentalitäten. Dietmar Neutatz

Also doch "spatial turn"? Schlögel geht es erklärtermaßen nicht darum, ein neues geschichtswissenschaftliches Paradigma auszurufen und mit großem Echo eine neue Theoriedikussion anzufachen. Das ist seine Sache nicht. Mit kaum kaschierter Geringschätzung bekundet er in Richtung theoriegeleiteter Geschichtswissenschaft, 'turns' seien Moden und etwas für Epigonen. Sein Anliegen ist die Erweiterung des geschichtlichen Erkenntnisspektrums um die so wichtige Raumkomponente, mithin eine veränderte Wahrnehmungsweise, die besondere Beschreibungskünste erfordert. [..] Nur schwer gelingt es, sich seinem souveränen Narrativ zu entziehen. Denn insbesondere seine literarischen Darstellungsfähigkeiten sind es, die von diesem Autor jenseits von disziplinimmanenten Theoriediskussionen noch manch spannendes Lektüreerlebnis bei der Fährtenlese im weiten Raum der Historie erwarten lassen. Albrecht Weisker für H-Soz-Kult


 

4. Rang (22 Punkte, 5 Voten)

Kundrus, Birthe: Moderne Imperialisten. Das Kaiserreich im Spiegel seiner Kolonien. Köln 2003.

Kundrus erkundet also in theoretischer Anlehnung an gegenwärtige Trends der Kolonialforschung im englischsprachigen Raum den deutschen „Kolonialdiskurs“. Die Stärke des Buches besteht darin, aus einer Fülle schriftlich überlieferter deutscher Stellungnahmen zur Kolonialpolitik Argumentationsmuster und Debatten zu rekonstruieren. Ravi Ahuja für H-Soz-Kult

Die Autorin kann überzeugend darlegen, dass vor dem Hintergrund der Kolonialherrschaft eine breite Palette brennender Zeitfragen verhandelt wurde: die ausbleibende Gefängnisreform im Reich etwa oder der Gewinn von Staatsbürgerrechten für Frauen. Kolonien und Kolonialismus bildeten zwar, schränkt Kundrus ein, im Vergleich zu anderen zeitgenössischen Debatten einen "Randschauplatz". Sie waren jedoch keineswegs "diskursive Zwerge im öffentlichen Bewusstsein". Die mit dem kolonialen Besitz verknüpften Pläne und Visionen spiegelten nicht zuletzt Grundanschauungen der bürgerlichen Gesellschaft im Kaiserreich, die zwischen Allmachtsfantasien und Bedrohungsängsten lavierte. http://www.zeit.de/2003/40/P-Kundrus


 

4. Rang (22 Punkte, 3 Voten)

Hartog, Francois: Regimes d'historicite. Presentisme et experience du temps. Paris 2003.

Ceux qui s’inquiètent de la fin des idéologies, sans pouvoir expliquer la raison de ce mal incurable, trouveront peut-être une réponse dans le très stimulant essai, «Des régimes d’historicité», que François Hartog consacre aux représentations du temps. Ce ne sont pas les idéologies, selon lui, qui sont en train de s’effacer, mais la vision du futur. http://www.nouvelobs.com/articles/p2026/a213524.html