Archive (Frauen und Film, Heft 72)

Archive. Frauen und Film

Veranstalter
Frauen und Film. AvivA Verlag Berlin
PLZ
10551
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Findet statt
Digital
Vom - Bis
01.08.2024 -
Deadline
01.09.2023
Von
Dagmar Brunow

Diese Ausgabe von Frauen und Film nimmt Filmkultur in Bezug auf Archivierung in den Blick. Mit Fokus auf archivarischen Praxen des Sammelns, Katalogisierens und Kuratierens laden wir ein, sich in künstlerischen, literarischen, essayistischen oder wissenschaftlichen Beiträgen mit archivarischen Praxen aus queer/feministischer Perspektive auseinanderzusetzen.

Archive. Frauen und Film

Die Archiv-Diskussionen seit den 1980er-Jahren waren gerade für die feministische Filmtheorie und Geschichtsschreibung von entscheidender Bedeutung: Die (Wieder-)Entdeckung der Filmarbeit von Frauen in der Filmgeschichte führte zu Neuformulierungen theoretischer Positionen. Zugleich stellten sich auch Fragen nach dem Status zeitgenössischer Filmarbeit seit der zweiten Frauenbewegung: Wie prekär ist der Status der vorhandenen Kopien von oftmals auf 16mm produzierten Filmen von Frauen? Sind diese Filme, die zum Teil die Theoriebildung beeinflusst haben, überhaupt noch auffindbar bzw. zu projizieren? Wer – wenn überhaupt – kümmert sich um deren Restaurierung und Bewahrung, wenn im Fokus weitgehend die „Meisterwerke“ männlicher Regisseure stehen? Hinzu kommt die unsichere Situation des Filmerbes der Filmkulturen des globalen Südens, die wiederum dazu einlädt, Filmgeschichtsschreibung anders zu denken.

Diese Ausgabe von Frauen und Film nimmt Filmkultur in Bezug auf Archivierung in den Blick. Mit Fokus auf archivarischen Praxen des Sammelns, Katalogisierens und Kuratierens laden wir ein, sich in künstlerischen, literarischen, essayistischen oder wissenschaftlichen Beiträgen mit archivarischen Praxen aus queer/feministischer Perspektive auseinanderzusetzen.

In diesem Heft geht es weniger um eine reine Präsentation einzelner Projekte, sondern der Schwerpunkt liegt auf einer forschenden Perspektive in Bezug auf die Potentiale und Möglichkeiten des audiovisuellen Archivierens und seinen Herausforderungen. In welcher Absicht wird archiviert oder könnte archiviert werden? In welchem Verständnis von Archiv und archivarischer Praxis – vom Archiv als physischer Ort bis hin zu radikal subjektiven Vorstellungen eines radikalen Körperarchivs – werden welche Bestände angelegt oder Geschichte(n) gesammelt, verzeichnet und aufbereitet? Mit welchen Versprechen, Konsequenzen oder Risiken geht die Praxis des Archivierens einher?

Sammeln: Uns interessieren feministische und queerfeministische Praxen des Sammelns und ihre Kontexte vom Museum bis hin zum Grassroot-Archiv, von der Privatsammlung bis hin zu kollektiven Formen: Wie werden Filme und Videos gesammelt, zu welchem Zweck und mit welcher Perspektive? Welche Ethiken des Sammelns kommen zur Anwendung, welche stehen noch aus? Wo landen die Sammlungen von Filmemacherinnen, Videokünstlerinnen, Drehbuchautorinnen, Kamerafrauen, Kostümbildnerinnen und ihrer Kolleginnen? Welche Bedarfe gibt es für die Archivierung?

Einen Fokus möchten wir auf die Herausforderungen und Schwierigkeiten des Sammelns legen: Von der Selbstarchivierung zum (ungewollten) Gesammeltwerden, von Fragen der Repräsentation/Repräsentationskritik und/oder dem politischen Kontext und seinen Antagonismen (Backlashes, Misogynie, Homo- und Transphobie) bis hin zu Erfahrungen mit Archiven: Wie umgehen mit Vorlässen? Wie mit Nachlässen, die einen Entstehungskontext außerhalb normativer Zusammenhänge beanspruchen, wie etwa die (Selbst-)Dokumentationen militanter feministischer Formationen oder Aufzeichnungen aus lesbischer oder trans-feministischer (Alltags-)Geschichte? Wie können Objekte und Ereignisse, die in einem widerständigen Kontext (etwa außerhalb von Institutionen, in einem autonomen Bewegungszusammenhang) entstanden sind, gesammelt werden, ohne ihre Autonomie zu verlieren? Wie Gefühle, Sexualitäten, Begehren, Affekte sammeln? Wo beginnt und endet Gemeingut? Wie steht es um die – nicht zuletzt ökologische – Nachhaltigkeit von Archiven? Wie verhält sich das Sammeln, die Akkumulation, zu Konsumkultur?
Katalogisieren: Archivarische Praxis konfrontiert stets mit der Ambivalenz von Archiven, denn in ihnen liegen Anerkennung und Verkennung, Zuwendung und Gewalt oft sehr nah beieinander. Von der liebe- und lustvollen Begegnung mit dem Archivierten zum Gewaltakt, der ein Verzeichnen, Verschlagworten, Verdaten auch sein kann: Wie – im Digitalen wie Analogen – gestaltet sich der Umgang mit Metadaten, etwa angesichts der Binarität von Datenbanken in einer Welt multipler Identitätsentwürfe? Wo liegen die Potentiale und Limitationen von Thesauri? Wie steht es um die feministische Kritik am Digitalen Humanismus? Wo bleibt die Intersektionalität? Inwiefern können Metadaten als Möglichkeitsraum begriffen werden und wofür? Welche Potentiale und Begrenzungen kommen dem Care-Begriff in diesem Zusammenhang zu? Wer überhaupt sorgt sich aus welcher Motivation worum?

Kuratieren: Dies- und jenseits des Ausstellens, zwischen Unter-Verschluss-Halten und Hochladen in die Cloud: Wie können „schwierige“ Archive aktiviert werden? Welche ethischen Fragen gehen damit einher? Welches Versprechen wohnt der Wiederentdeckung inne? Wie verhalten sich historische audiovisuelle Archive zu gegenwärtigen Praxen des Remix, des Programmierens? Welche Bedeutung haben Laufbilder aus dem Archiv in einem Moment, in dem Archivbilder durch künstliche Intelligenz herstellbar geworden sind? Von Trigger Warnings bis Content-Notes: wie umgehen mit ethisch sensiblem Material? Oder mit Material, das aufgrund fehlender Ressourcen „unrettbar“ ist? Solchem, das Formen von rassistischer, sexueller, klassistischer Gewalt und Unterdrückung beinhaltet? Wie umgehen mit Material, das vorwiegend Fremddarstellungen beinhaltet (Polizei- und Gerichtsakte, medizinische Bezugnahmen)? Wie lassen sich Fremddarstellungen in Archiven wieder aneignen und rekontextualisieren? Welche Kanäle wider die Faschisierung?

Einsendungen von Vorschlägen (Abstracts von ca. einer Seite, mit kurzer Bio) bis zum 01.09.2023 an Dagmar Brunow dagmar.brunow@lnu.se und Katharina Müller katharina.mueller@univie.ac.at

Länge der Beiträge: max. ca. 40.000 Zeichen, aber auch kürzere Texte jeglicher Form bzw. Fotostrecken sind willkommen.

Abgabetermin der Manuskripte ist der 01.03.2024. Die Ausgabe erscheint im Spätsommer 2024.

Kontakt

Hg. Dagmar Brunow / Katharina Müller
E-Mail: dagmar.brunow@lnu.se

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Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch
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