Geschichtsvermittlung interdisziplinär

COME TOGETHER – Geschichtsvermittlung interdisziplinär

Organisatoren
Alfons Kenkmann, Professur für Didaktik der Geschichte, Historisches Seminar, Universität Leipzig; Gisela Weiß, Professur für Museumspädagogik, Studiengänge Museologie und Museumspädagogik - Bildung und Vermittlung im Museum, Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig
PLZ
04207
Ort
Leipzig
Land
Deutschland
Fand statt
In Präsenz
Vom - Bis
30.03.2023 - 31.03.2023
Von
David Beck, Arbeitsbereich Deutsche Geschichte, Professur für Zeitgeschichte, Universität Hamburg

„Experimentieren“ – „Basteln“ – „Probieren“ – „da hingehen, wo es wehtut“ – „Zukunftsorientierung“: Es war kein junges Start-Up, das im März diesen Jahres im Nieper-Bau der HTWK Leipzig in Silicon-Valley-Manier ihr Metier durchdachte. Es waren die professionalisierten Zuständigkeiten der Geschichtsvermittlung in Deutschland, die sich ehrlich machten – zweifelsohne: es tut sich etwas. Insofern war es wohl der richtige Zeitpunkt, die (zu) oft nur nebeneinander herlaufenden Disziplinen der Geschichtsdidaktik, Public History, Museumspädagogik, Gedenkstättendidaktik, Archivpädagogik und Geschichtswissenschaft bei einer Tagung zusammenzuführen und gemeinsam Fragestellungen sowie Herausforderungen einer Geschichtsvermittlung im 21. Jahrhundert interdisziplinär zu diskutieren.

Es sei ein Testlauf, ob und in welcher Weise Formate des interdisziplinären Austauschs gefunden und befördert werden können, betonten die beiden Tagungsleiter:innen ALFONS KENKMANN (Leipzig) und GISELA WEIß (Leipzig) in der Begrüßung. Nicht im Elfenbeinturm verharren, sondern durch Anregungen einer fächer- und institutionsübergreifenden Debatte Praktiken der Geschichtsvermittlung überdenken, Transferrituale hinterfragen und zukunftsfähige Konzepte entwickeln, sei das Anliegen der Veranstaltung; und, so wurde gleich zu Beginn signalisiert, sie solle keine Einmaligkeit bleiben. Die Institutionalisierung eines interdisziplinären Forums der Geschichtsvermittlung? – Es wäre ein begrüßenswertes Unterfangen, wie die Tagung zeigen sollte.

Vier Themenkomplexe standen beim COME TOGETHER im Fokus. Selbstverständlich war einer davon der seit geraumer Zeit in Geschichts- und Erinnerungskultur stark bemühte Schlüsselbegriff der Authentizität,1 dem sich aus museums- sowie gedenkstättendidaktischer Sicht angenähert wurde. Von mehreren Wissenschaftsfeldern vielfach theoretisch reflektiert, ging es in SYLVIA NECKERS (Minden) und AXEL KLAUSMEIERS (Berlin) Vorträgen jedoch eher um den pragmatischen Umgang mit Authentizitätskontexten im Prozess der Vermittlung von Geschichte. Erstere zeigte anhand verschiedener Beispiele der Darstellungspraxis mit Objekten des LWL-Preußenmuseum Münster Formen authentischer Inszenierungen auf und schilderte vor diesem Hintergrund einleuchtend, dass für museale Ausstellungen eine Reflexion der Generierung von Authentizität unabdingbar ist. Es gälte zu hinterfragen, so Necker, welche Bedeutung und damit auch welche Authentizität welchen Objekten von den Besucher:innen zugeschrieben werden. Damit das in der Museumslandschaft derzeit stark diskutierte Feld der Sammlungspraxen betretend, sprach sich Necker dafür aus, über das „Entsammeln“ von Objekten nachzudenken. Für sie bräuchten Museen heute weniger den überhöhten Hang zu Authentizitätskonstruktionen, sondern vielmehr Diskurs und Mut, eine Öffnung hin zu neuen Darstellungs- und Diskussionsformaten.

Wie seine Vorrednerin hob auch Klausmeier, nun aber aus Sicht der Gedenkstättenpädagogik, plausibel die Bedeutung einer Reflexion des eigenen Arbeitsmodus im Ensemble der Authentizitätskonstruktion zwischen Objekt, Ort und Rezeption hervor. Da Authentizität die Grundvoraussetzung für die Glaubwürdigkeit von Gedenkstätten sei, gelte es für die Gedenkstättenpädagog:innen die Erwartungen der Besucher:innen an die Erinnerungsorte und die damit verbundene Frage, wie wichtig ist ihnen die Authentizität der materiellen Denkmalsubstanz wirklich, mitzudenken.

Mittels konkreter Beispiele aus der Alltagspraxis von Gedächtnisinstitutionen zeigte dieses erste Panel eindringlich den in der Geschichtsvermittlung sich vollziehenden Perspektivwechsel auf Authentizität: nicht mehr das Objekt als Authentisches, sondern die authentische Rezeptionserfahrung der Besucher:innen ist der inszenierungsbestimmende Fixpunkt. Wie sich das für digitale Medien, mit ihrem Anspruch, einen unmittelbaren Zugang zur Vergangenheit herzustellen, darlegt, beantwortete die Tagung leider nicht; auch weil FELIX ZIMMERMANNS (Berlin) Vortrag über digitale Spiele krankheitsbedingt ausfiel.

Beim Themenkomplex Formate und Methoden der Geschichtsvermittlung war Digitalität wiederum sehr präsent. SWANTJE BAHNSEN und KURT WINKLER (Potsdam) zeigten Chancen aber auch Grenzen digitaler Formate der Geschichtsvermittlung anhand vier Prototypen des Projekts „SPUR.lab“ auf. Über künstlerische Zugänge und pädagogische Ansätze würden diese einen Zugang zu Verbrechensorten der NS-Geschichte im Spannungsverhältnis zwischen historischem und virtuellem Raum ermöglichen.

Die Museen und Bibliotheken der Klassik Stiftung in Weimar wiederum erproben digitale Tools bei der Inszenierung von alten Büchern. Diese könnten dabei helfen, so betonte FOLCKER METZGER (Weimar), diesem über seine Materialität wirkende, dadurch aber zugleich in analogen Formaten auch schwer zu vermittelnde Objekt zu Resonanz zu verhelfen.

Beide Vorträge zeigten gut die Verflochtenheit von Digitalem und Analogem, wobei ersteres nicht ohne letzteres funktioniert – es muss zusammen gedacht und erprobt werden, so viel ist klar. Lässt sich hier ein Wandel in der Vermittlungsarbeit der Gedächtnisinstitutionen erkennen? Natürlich: bessere technische Möglichkeiten schaffen Chancen, Vergangenheiten nahbarer (Schlagworte: Immersion und Temporalbewusstsein) zu machen, unsere Gegenwart als historisch gewachsen zu präsentieren und so Geschichte als Konstrukt offenzulegen, wie die Vorträge von Bahnsen und Winkler sowie Metzger veranschaulicht haben. Bewegen sie sich hier aber nicht vielmehr auf dem Weg einer Überführung von vormals analogen Verfahren in digitale Sachverhalte, also dem Prozess der Digitalisierung? Die digitale Transformation der Gesellschaft bedeutet mehr: Digitalität ist als Kultur zu verstehen, die einen neuen kulturellen Möglichkeitsraum darstellt, der sich durch wandelnde Prozesse der Sozialität, Kommunikation, Interaktion, Kollaboration und Partizipation auszeichnet.2 Insofern bedarf es im eigenen Arbeitsprozess, Digitalität als Haltung zu definieren. Genau dafür machte sich auch SABINE MOLLER (Kiel) in ihrem Vortrag über den Lern- und Forschungsort „Zentrum zur Geschichte Kiels im 20. Jahrhundert“ stark. Sie zeigte gekonnt auf, dass die Integration vor allem von digitalen Crowdsourcing- sowie Citizen Science-Angeboten in Ausstellungen produktive Ansätze zur nachhaltigen Besucher:innenpartizipation sind.

Insofern bleibt nach diesem zweiten Panel des COME TOGETHER die Frage zurück, ob sich die professionalisierten Zuständigkeiten der Geschichtsvermittlung in Deutschland mit einer Digitalisierung ihrer Vermittlungsarbeit begnügen wollen oder ihren Arbeitsprozess im Sinne einer „Kultur der Digitalität“3 nachhaltig transformieren möchten.

Geschichtskulturelle Institutionen ohne ihre Besucher:innen zu denken, wäre absurd, denn an sie richtet sich schließlich das Vermittlungsangebot. Gemäß der selbst auferlegten Maxime, dass von ihren Geschichtsofferten möglichst viele Menschen unabhängig ihrer jeweiligen Herkunft und ihren weiteren Voraussetzungen profitieren sollen, ist Besucher:innenorientierung ein geflügeltes Wort innerhalb der Landschaft geschichtsvermittelnder Institutionen geworden. Aber wie genau wird man diesem Credo in der Praxis gerecht? TERESA BAUER (Berlin) exemplifizierte in ihrem Vortrag einleuchtend den Mehrwert von Publikumsforschung zur Gewinnung von Wissen über Besucher:innenstrukturen sowie über deren Perspektive auf und Bedürfnisse an die erzählten Geschichten und welche Erkenntnisse damit auf Wechsel- sowie Dauerausstellungsprojekte übersetzt werden können.

ULRICH MÄHLERT (Berlin) hob in seinem Vortrag über die Jahresausstellungen der Bundestiftung Aufarbeitung trefflich hervor, dass museale Ausstellungen – und das gilt wohl für alle Medien der Geschichtskultur – im Spannungsfeld von geschichtspolitischen Vorgaben, Erwartungen und Ansprüchen ihrer Rezipient:innen und Ideen des Konzeptionsteams entstünden; sie also einen Kompromiss aus unterschiedlichen Motivationslagen darstellen würden. Diesen Sachverhalt gelte es sich als Ausstellungsmacher:in zu vergegenwärtigen, um nicht am Publikum vorbei zu erzählen oder seinen gesellschaftlichen Auftrag zu verfehlen.

Dem Objekt der Begierde, den Besucher:innen, wendete sich PHILIPP ERDMANN (Münster) aus einer anderen Perspektive zu: zum einen erweiterte er den bisherigen musealen Blickwinkel um einen archivpädagogischen und zum anderen thematisiert er in seinem Vortrag die Zielgruppenansprache. Vor dem Hintergrund einer selbstkritischen Einordnung des Befunds der flächendeckenden mangelhaften Wahrnehmung von Archiven als außerschulische Lernorte, skizzierte er über Abgrenzungen und Nachahmungen von anderen historischen Lernorten Anregungen zur Erweiterung des Adressat:innenkreises von Archiven – ein Plädoyer also, sich selbst als Kulturinstitution der historischen Bildungsarbeit zu verstehen und dies auch in die (Fach-)Öffentlichkeit zu kommunizieren.

Demokratiebildung erfährt durch die Bundesregierung seit einiger Zeit eine verstärkte Förderung; wohl nicht zuletzt aufgrund der in der Bevölkerung wahrgenommenen, zunehmenden Bedrohung demokratischer Werte und Normen.4 Durch ein „Institut für gesellschaftlichen Zusammenhalt“ lässt der Bund die Kräfte der gesellschaftlichen Spaltung erforschen, um so durch Forschungstransfer den Gemeinsinn zu fördern. Mit dem Bundesprogrammen „Jugend erinnert“ fördert die Regierung Angebote in Gedenk- und Bildungseinrichtungen, die jungen Menschen historisches Wissen vermitteln, um so ihr Demokratieverständnis zu stärken. Dass Demokratie keine Selbstverständlichkeit ist, sondern ein historisch schwer erkämpftes Gut, das geschützt und erhalten werden muss, dieses Denkmuster über Transferprojekte in die Gesellschaft zu implementieren, bildet die geschichtspolitische Intention der Bundesregierung – wieder einmal wird in Krisenzeiten also Geschichte zum Erhalt der Demokratie bemüht. Diese Konjunktur bedeutet für die geschichtskulturellen Institutionen zunächst einmal mehr beziehungsweise zumindest für einen begrenzten Zeitraum fortlaufend Fördermittel für ihre Arbeit – soweit so gut. Der an sie erhobene Anspruch von Seiten der Politik bedeutet aber auch, tragfähige Konzepte der Demokratiebildung zu entwickeln, die nicht in gutgemeinte Demokratie-Erziehung qua Diktaturdämonisierung abdriften – was eh nicht hilft, wie der zunehmende Hang zum Rechtspopulismus der sogenannten Mitte der Gesellschaft und die sich in Teilen der Bevölkerung breit machende Affinität für autoritäre politische Ordnungen zeigen. Diesem Anliegen widmeten sich ELKE KOLLAR (München) und CHARLOTTE BÜHL-GRAMER (Erlangen) mit ihren Vorträgen in Form zweier thematischer Ansätze. Erstere legte gekonnt das Potential offen, wenn Erinnerungskultur nicht als Ziel, sondern als Inhalt der im Museum stattfindenden historischen, politischen und kulturellen Bildung behandelt werden würde. Denn durch die Verbindung verschiedener Zeitschichten miteinander, könne so eine aktive Auseinandersetzung mit Geschichte und damit auch Fragen des gegenwärtigen und zukünftigen Zusammenlebens befördert werden. Letztere legte einleuchtend dar, welchen Mehrwert es hätte, im Geschichtsunterricht keine Diktatur-Anschauung vorzunehmen, sondern Demokratiegeschichte mit seinen positiven wie negativen Aspekten zu vermitteln. So würden die inhärenten Ambivalenzen von Demokratien und die Offenheit der Kippunkte demokratischer Ordnungen stärker zu Geltung kommen, wodurch sich ein Demokratielernen im Sinne einer Wertschätzung demokratischer Normen und Werte vollzöge – also eine Vermittlung von Demokratiegeschichte als Konfliktgeschichte? Dem ist beizupflichten, lässt sich so doch nicht nur eine Einsicht in die Kontingenz des Gemacht-worden-Seins gewinnen, sondern auch die innere Substanz einer Demokratie, Herrschaft und deren gesellschaftliche Aushandlung, hervorheben. Das wäre auch ein produktiver Ansatz, ein Lernen des Aushaltens der Unvereinbarkeit von Standpunkten fernab eines Verständnisses von Freund-Feind-Verhältnissen bei Schüler:innen zu implementieren.

Eine erfolgreiche Demokratiebildung über Geschichtsvermittlung verlangt aber nicht nur eine Reflexion über die zu vermittelnden „richtigen“ Inhalte, sondern muss sich gleichermaßen die Frage stellen, welchen Wert Geschichte überhaupt (noch) für unsere demokratische Gesellschaft hat. Auch den Tagungsleiter:innen war es wichtig, sich der gegenwärtigen Relevanz von Geschichte anzunehmen und so luden sie hierzu SVEN FELIX KELLERHOFF (Berlin) für einen Abendvortrag ein. In diesem präsentierte er Geschichte als Lehrmeisterin, was positiv aber auch negativ angewendet werden könne.

Einen anderen Weg ging THOMAS LINDENBERGERS (Dresden) in seinem Vortrag. Theoretisch fundiert und in seiner historischen Genese verortend, hob er trefflich das Potential von Geschichte für die Gesellschaft hervor: die Gesellschaftskritik. Über ein auf Evidenz basiertem Wissen gegründetes kritisches Geschichtsbewusstsein ließen sich gegenwärtige Verhältnisse in Frage stellen und Konsequenzen für die Zukunft ziehen. Die Möglichkeit historischer Aufklärung und damit auch von Geschichte als Gesellschaftskritik müssten sich die professionalisierten Akteur:innen der Produktion und Kommunikation von Geschichte wieder bewusst machen, dass auch heute Geschichte ihren Wert für die Ausgestaltung einer demokratischen Ordnung entfalten könne. Es gelte eben, nicht mehr nur evidenzbasiert und im Sinne der intersubjektiven Plausibilisierung historische Tatsachen zu rekonstruieren und damit in gegenwärtige Debatten und Konflikte einzugreifen. Es ginge auch darum den „Orientierungssinn im Bereich des Wirklichen“ (Hannah Arendt) von Geschichte durch stete kommunikative Praxis als solchen zu erhalten, ihn zu kultivieren und immer wieder aufs Neue zu schärfen. Dass dies gegenwärtig noch möglich und auch unentbehrlich sei, beweise nach Lindenberger die Provenienzforschung zu kolonialen Objekten in Museen oder der wissenschaftliche Aktivismus von Osteuropahistoriker:innen zur Politik des Westens gegenüber Russland – ein starkes und einleuchtendes Plädoyer für die (Wieder-)Einnahme von Haltung in der Geschichtswissenschaft.

Den Schlusspunkt der Tagung setzte MARTIN LÜCKE (Berlin) mit seinem wertschätzenden und konstruktiven Kommentar zu den einzelnen Panels, der wie alle anderen Vorträge auf der Homepage der Tagung weiterhin eingesehen werden kann.5 In diesem hob er noch einmal hervor, welch ein produktives Verständnis von Vermittlung der Tagung inhärent war: es wurde nämlich nicht als Trichterprinzip verstanden, sondern im Sinne der Herstellung eines sekundären Erfahrungsraumes, in den Rezipient:innen eintreten sollen, um dort Geschichte selbst zu konstruieren. Diese Adressat:innenfokussierung sei vor allem auch deshalb so relevant, da man sich so dem klassistischen System Geschichtskultur bewusst werde und Ansätze zu dessen Aufbrechen entwickeln könne. Lückes Einordnungen der inhaltlichen Hinwendung zu „real world problems“, bei der es nach seinem Geschmack gern etwas kapitalismus- und rassismuskritischer sein darf, ist begrüßenswert. Gleichermaßen verhält es sich mit seinen weiterführenden Gedanken über die zukünftig zu leistende Arbeit der Disziplinen: Weiter nachgedacht werden müsse zum Beispiel über die Tragfähigkeit des Konzepts der Erinnerungskultur oder einer möglichen Integration in das der Geschichtskultur, welches machtkritischer agiere. Zudem plädierte Lücke für eine empirische Geschichtskulturforschung. Beide Zukunftsfelder gelte es vor dem Hintergrund ihrer Tragweite interdisziplinär auszugestalten.

Was bleibt nun vom „Testlauf“ eines COME TOGETHER? Die Gedächtnisinstitutionen Deutschlands generieren Wissen über ihre Besucher:innen, um deren Erwartungen an sie in ihren Vermittlungsangeboten zu integrieren, es werden Sammlungspraktiken und Objektinzenierungen rezipient:innenorientiert hinterfragt, Strategien zur nachhaltigen Besucher:innenpartizipation entwickelt und Ansätze der Demokratiebildung durchdekliniert. Sich ihrer Funktion als Orientierungsgeber für Gegenwart und Zukunft wieder verstärkt bewusst werdend, stellen sich die professionalisierten Zuständigkeiten der Geschichtsvermittlung mehr denn je die entscheidende Frage: welche Geschichten möchte man für wen wie und zu welchem Zweck noch erzählen. Innerhalb dieses Reflexionsmodus wird experimentiert, gebastelt, probiert und thematisch dort hingegangen, wo es wehtut. Dass bei diesem herantastenden Weg ein verstärkter interdisziplinärer Austausch alle Akteur:innen voranbringen könnte, zeigte die Tagung mit ihren regen Diskussionen in den Panels, aber auch in den Pausen und beim Abendausklang auf. Wohl nicht umsonst war der Wunsch nach einer Wiederholung oder gar einer Verstetigung der Tagung bei den Teilnehmer:innen virulent – und es wurde ja bereits in der Begrüßung in Aussicht gestellt. Für dieses nächste Mal wäre ein Formatwechsel (z.B. Workshop oder Barcamp) überlegenswert, so dass nicht nur erzählt würde, was in den Institutionen der Geschichtsvermittlung gerade passiert, sondern auch Sammlungskonzepte, Vermittlungsstrategien, Partizipationsansätze für Besucher:innen gemeinsam entwickelt würden, die die jeweiligen Disziplinen und Institutionen dann adaptieren und transformieren könnten. Ebenfalls wäre darüber nachzudenken, ob es nicht zeitgemäßer wäre, der erlebnisorientierten Geschichtskultur sowie massenmedialen Vermittlungsangeboten von Geschichte stärker Beachtung zukommen zu lassen und neben den institutionalisierten Zuständigkeiten, die diesmal ja reichlich zu Wort kamen, die nicht-institutionalisierten Akteure der Geschichtsvermittlung (wie z.B. soziokulturelle und zivilgesellschaftliche Initiativen) zu integrieren – dass es nur gemeinsam geht, hat die Tagung ja bewiesen.

Konferenzübersicht:

Alfons Kenkmann (Leipzig) / Gisela Weiß (Leipzig): Begrüßung

Matthias Middell (Leipzig) / Barbara Mikus (Leipzig): Grußworte

Panel 1: Authentizität und Objekt
Moderation: Léontine Meijer-van Mensch (Leipzig)

Sylvia Necker (Minden): Diskurs statt überhöhte Authentizität – Was Museen heute wirklich brauchen

Axel Klausmeier (Berlin): Authentische Orte als Zeugen der Vergangenheit? – Erwartungen bei Besucherinnen und Besuchern von Gedenkstätten und Erinnerungsorten

Panel 2: Formate und Methoden
Moderation: Christina Ludwig (Dresden)

Swantje Bahnsen (Potsdam) / Kurt Winkler (Potsdam): Zeitschichten und Zeitreisen – Zum Verhältnis virtueller Raum und Geschichtsort

Folker Metzger (Weimar): Alte Bücher nicht nur in historischen Bibliotheken – Vermittlungsstrategien für einen ungeliebten Gegenstand der kulturellen Bildung

Sabine Moller (Kiel): Citizen Science im Ausstellungskontext

Öffentlicher Vortrag:
Sven Felix Kellerhoff (Berlin): Vom Nutzen und Nachteil der Geschichte für Gegenwart und Zukunft

Panel 3: Adressatinnen, Adressaten und Motivationslagen
Moderation: Stefan Querl (Münster)

Teresa Bauer (Berlin): Wie ist besucherorientiertes Ausstellen umzusetzen? – Erkenntnisse und Experimente bei aktuellen Ausstellungsplanungen der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland

Philipp Erdmann (Münster): Vom Geheimarchiv zum partizipativen Lernort für Alle? Eine selbstkritische Standortbestimmung nach 40 Jahren Archivpädagogik

Ulrich Mählert (Berlin): Eierlegendewollmilchsau? – Erwartungen und Ansprüche an die Jahresausstellungen der Bundesstiftung Aufarbeitung

Panel 4: Demokratiebildung und Politik
Moderation: Leonard Schmieding

Elke Kollar (München): Aus der Vergangenheit lernen? – Zukunftsorientierte Ansätze politisch-historisch-kultureller Bildung

Charlotte Bühl-Gramer (Erlangen): Leuchtende Vorbilder, abschreckende Beispiele, authentische Orte? – Vorstellungen und Vorgaben zur Demokratiebildung. Ein geschichtsdidaktischer Kommentar

Thomas Lindenberger (Dresden): Geschichte als Gesellschaftskritik – Ist sie noch möglich?

Fazit:
Was bleibt? Geschichtsvermittlung interdisziplinär – Rück- und Ausblick
Kommentar: Martin Lücke (Berlin)
Moderation: Alfons Kenkmann und Gisela Weiß (Leipzig)

Exkursionen am Nachmittag:
GRASSI Museum für Völkerkunde zu Leipzig, Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Zeitgeschichtliches Forum Leipzig

Anmerkungen:
1 Zuletzt hierzu Martin Sabrow / Achim Saupe (Hrsg.), Handbuch Historische Authentizität, Göttingen 2022.
2 Vgl. Felix Stalder, Kultur der Digitalität, Berlin 2016.
3 Stalder, Kultur.
4 Vgl. J. Olfa Kleist / Mirjam Weiberg / Anja Schöll, Mehr Demokratie fördern! Mehrheit sieht Demokratie unter Druck und befürwortet längerfristige Unterstützung der Zivilgesellschaft. DeZIM Briefing Notes 10, Berlin 2023.
5 COME TOGETHER – Geschichtsvermittlung interdisziplinär, https://www.geschichtsvermittlung-leipzig.de (30.06.2023).

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