Ressourcen der Resilienz in der Antike: ökologische, soziale und kulturelle Systeme zwischen Beharrung und Transformation

Ressourcen der Resilienz in der Antike: ökologische, soziale und kulturelle Systeme zwischen Beharrung und Transformation

Organisatoren
Christopher Schliephake, Lehrstuhl für Alte Geschichte, Universität Augsburg; in Zusammenarbeit mit Andreas Hartmann, Lehrstuhl für Alte Geschichte, Universität Augsburg und Anna-Katharina Rieger, Klassische Archäologie, Universität Graz
PLZ
86159
Ort
Augsburg
Land
Deutschland
Fand statt
In Präsenz
Vom - Bis
29.03.2023 - 31.03.2023
Von
Florian Batorfi, Lehrstuhl für Alte Geschichte, Universität Augsburg

Resilienz ist der Begriff der Stunde in vielen wissenschaftlichen Disziplinen. Mitunter bedingt durch aktuelle Zeitumstände werden in Sozial-, Natur-, aber auch in weiten Teilen der Geisteswissenschaften mittlerweile Diskurse um die richtige Deutung und Integration dieses nebulösen Begriffs in vorhandene Forschungsmodelle geführt. Im Bereich der Alten Geschichte hat eine Rezeption und Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten und Grenzen der Resilienz-Forschung bislang nicht systematisch stattgefunden. Diese Forschungslücke zu verringern, bemühte sich die dreitägige Abschlusskonferenz des internationalen und DFG-geförderten Netzwerkes „Resilienz in der Antike: ökologische, soziale und kulturelle Systeme zwischen Beharrung und Transformation“ mit einer Vielzahl an perspektivreichen Beiträgen. Im Zentrum stand dabei die Frage nach einem fachspezifischen Zuschnitt des Resilienz-Begriffs, mit welchem Prozesse der strukturellen Bewältigung von Stress- oder Krisensituation durch soziale, ökologische und kulturelle Systeme in der Antike erfasst, beschrieben und verstanden werden können. Um diese Frage zu beantworten, wählte das Netzwerk einen dreistufigen analytischen Ansatz, der zwischen materiellen, performativen und narrativen Bewältigungsstrategien differenzierte – diese sind dabei nicht trennscharf voneinander zu unterscheiden, stellen aber hilfreiche heuristische Instrumente dar, um das Quellenspektrum mit den Resilienz-Theorien zu verbinden.

Nach der Begrüßung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch CHRISTOPHER SCHLIEPHAKE (Augsburg) rekapitulierten ANDREAS HARTMANN (Augsburg) und ANNA-KATHARINA RIEGER (Graz) die Fragestellungen und bisherigen Ergebnisse vergangener Workshops im Rahmen des Netzwerkes. Thematisiert wurden dabei neben dem oben genannten dreisäuligen Analysemodell auch die grundlegende Bedeutung von Resilienz als retrospektivem Zuschreibungsphänomen, womit die wichtige Frage angesprochen ist, ob beispielsweise das Überstehen einer Krise durch ein System aufgrund einer bestimmten „Resilienz“ unvermeidlich war oder einfach auf kontingente Faktoren zurückzuführen ist. Gerade hier zeigt sich, welche Rolle der historischen Interpretation zukommt, aber auch Beobachtungen zur Differenzierung zwischen kulturellen und materiellen Bewältigungsstrategien sowie dem Verhältnis der Begriffe von Resilienz und Resistenz. Die Forschungen des Netzwerks diskutieren dabei quellenbasiert zentrale Fragen, die im Kontext des Netzwerks durchgängig eine Rolle spielen und die die interdisziplinären Potentiale des gewählten Zuschnitts stark machen sollen:

Erstens: In welchem Zusammenhang stehen materielle Ressourcennutzung und ihr jeweiliger sozialer Kontext? Welche ökologischen Grundlagen liegen gesellschaftlichen Prozessen zugrunde und wie wirken sich umgekehrt bestimmte soziale Praktiken auf Umweltphänomene aus? Zweitens: Welche Eigenschaften/Gruppen eines Systems werden im Kontext einer Resilienzzuschreibung als zu bewahrende core properties betrachtet und warum? Drittens: Sind die beschriebenen sozialen Praktiken über längere Zeiträume und in Bezug auf unterschiedliche Stressoren und Krisenphänomene beobachtbar? Viertens: Welche Rolle spielen Zukunftsorientierung und Antizipation von möglichen Entwicklungen – und in welchem Zusammenhang stehen sie zu Vergangenheitsbildern und kulturellen Erinnerungen? Fünftens: Welche sozialen Gruppen sind an den beschriebenen Resilienzstrategien beteiligt, welche potentiell davon ausgeschlossen – wirken Krisen und ihre Bewältigung egalisierend, oder gibt es Profiteure im Sinne einer „parasitären Resilienz“?

Wie wandelbar und vielseitig Resilienz in antiken Kontexten verstanden werden kann, zeigte dann auch die Gestaltung des Konferenzprogramms, das archäologische, althistorische und auch sozialtheoretische Themen von der archaischen Zeit bis in die Spätantike hinein abdeckte. Eröffnet wurde die Reihe der Vorträge durch ANNA-KATHARINA RIEGER, die in ihren Ausführungen Resilienz als deskriptives und analytisches Werkzeug verstand, mit welchem zeitgenössische Bemühungen, durch Umweltbedingungen und geographische Faktoren entstandene Stressoren zu bewältigen, nachvollzogen werden könnten. Exemplifiziert wurde dies anhand des Umgangs mit Wasser in Heiligtümern des libanesischen Hochlandes während der Römischen Kaiserzeit. Durch die kultische sowie materielle Nutzung und Verwaltung der Ressource Wasser entstanden an diesen Orten Wissen und verbindende Strategien, mit deren Hilfe Risiken minimiert und Druck abgebaut werden konnten.

Auch der nächste Beitrag von JASMIN HETTINGER (Dresden-Rossendorf) stellte das Wasser in Form von Transportwegen in den Mittelpunkt. Das Fazit ihrer Überlegungen bestand darin, dass diejenigen, die auf die Nutzung von Binnengewässern angewiesen waren, weit häufiger versuchten, sich durch die Anwendung neuer technischer Ansätze an die natürlichen Gegebenheiten anzupassen, als dass Versuche nachweisbar sind, Wasserstraßen nach den eigenen Bedürfnissen künstlich umzugestalten. Als Konsequenz forderte die Notwendigkeit der Adaption an eine sich häufig verändernde Landschaft – deren Wandlung nicht selten religiös begründet wurde –, die Betroffenen zwar einerseits dazu heraus, rasch flexible Lösungen zu entwickeln, sorgte aber gleichzeitig dafür, dass Risiken allgemein akzeptiert und eingegangen wurden, als dass diese systematisch und nachhaltig beseitigt wurden.

Einen theoretisch-sozialkonstruktivistischen Fokus wählte anschließend CHRISTOPHER SCHLIEPHAKE bei seiner Untersuchung der Konnektivität von Resilienz und antiker Divination am Beispiel des Zeus-Orakels von Dodona. Auf Basis der dort gefundenen Bleitäfelchen, die kurze Anfragen an das Orakel durch Menschen mit den verschiedensten Hintergründen dokumentieren, wurde gezeigt, wie Konsultationen als Prozesse der Entscheidungsfindung fungierten, mit deren Hilfe die Petenten ihre eigene Vulnerabilität grundsätzlich reflektieren und formulieren konnten. Indem es ihnen gelang, die Aufmerksamkeit einer höher gestellten Macht für ihre Anliegen zu wecken, versetzten sie sich in die Lage sowohl in der Vergangenheit liegende Altlasten als auch durch zukünftige Unsicherheit verursachte Sorgen auszuhandeln. Durch die Überzeugung, dass die eigene Lebenswelt grundlegend von einem mitunter willkürlichen göttlichen Willen abhängig war, entwickelten die Konsultanten bestimmte Resilienz-Strategien, welche sie in die Lage versetzten, performative Aushandlungsprozesse mit solch höheren Instanzen einzugehen.

PAUL ERDKAMPs (Brüssel) Vortrag über den Zusammenhang von klimahistorischen Untersuchungen und interdisziplinärer Resilienzforschung bildete den Abschluss des ersten Konferenztages. Dabei diskutierte Erdkamp, wie gegenwärtige klimatologische Untersuchungen unser bisheriges Wissen über historische Gesellschaften ergänzen und verändern und diskutierte dies am Beispiel der Agrar- und Wirtschaftsgeschichte. Dabei betonte er die Bedeutung, die unterschiedliche Skalen der Analyse – von makro- bis hin zu mikrogeschichtlichen Untersuchungen – haben und plädierte entsprechend dafür, bei der Anwendung resilienztheoretischer Ansätze verschiedene Ebenen in den Blick zu nehmen, die unterschiedliche zeitliche sowie räumliche Dimensionen berücksichtigen. Gleichzeitig warnte er davor, monokausale Erklärmuster für ökologische historische Untersuchungen zu wählen, indem er aufzeigte, wie Vulnerabilität unter anderem von sozialen Infrastrukturen und Machtverhältnissen abhängt.

Den Aufschlag für den zweiten Konferenztag, der ganz im Zeichen der Resilienz politischer Systeme stand, machte BENJAMIN GRAY (London), indem er versuchte, die Persistenz hellenistischer Poleis durch die Untersuchung von Resilienz-Potentialen zu interpretieren. Als Ausgangspunkt der Argumentation dienten Inschriften, wie die jüngst gefundene Ehrung des Demos von Teos durch Abdera, das Hilfe bei der Neugründung der Stadt gewährt hatte, die zeigen, dass sich hellenistische Poleis durchaus selbst als vulnerabel darstellten. Auf Basis solcher Eingeständnisse entstanden Narrative und Netzwerke, die der Überwindung von Krisenzeiten dienten und mit deren Hilfe politische Identitäten, Institutionen und öffentliches Leben bewahrt werden konnten. Neben den Vorteilen, die Resilienz-Konzepte bei der Analyse von Dynamiken innerhalb hellenistischer Poleis bieten, beleuchtete Gray auch mögliche Fallstricke, die von der zu starken Normierung des Begriffs bis zur Gefahr der Vernachlässigung der komplexen Zusammenhänge, in welche hellenistische Städte eingebunden waren, reichten.

Hieran schloss sich der Vortrag von MURIEL MOSER-GERBER (Frankfurt am Main) an, in welchem Resilienz als nutzbringendes Konzept anhand der Frage nach der Situation Athens unter römischer Herrschaft auf den Prüfstand gestellt wurde. Entgegen der Forschungsmeinung, dass Rom eine Bedrohung für die kulturelle Identität griechischer Städte und Individuen darstellte, konnte anhand epigraphischer und archäologischer Zeugnisse die Kompatibilität von römischer Herrschaft und griechischer Kultur aufgezeigt werden. Anstelle eines Niedergangs griechischer Kultur wurde eine Transformation unter veränderten Vorzeichen insinuiert, die Athen bereitwillig und zum eigenen Vorteil mitgetragen haben könnte, indem zukünftige Chancen höher gewertet wurden als das nostalgische Festhalten an der eigenen Vergangenheit. Für Moser-Gerber bot der Resilienz-Begriff einen Weg diese Vorgänge zu erfassen und in bisherige Interpretationen zu integrieren. Da es die Abhängigkeit von der Perspektive der Quellen jedoch bisweilen unmöglich macht, die genaue Haltung der Zeitgenossen zu bestimmten Ereignissen und Prozessen zu bestimmen, wurden abschließend diskutiert, ob Resilienz-Diskurse tatsächlich einen Mehrwert für deren Verständnis zu bieten haben.

ALEXANDRA BUSCH (Mainz) präsentierte anschließend Überlegungen zur Resilienz in prähistorischen Gesellschaften, die der interdisziplinären Verbindung von Psychologie und Archäologie dienen sollten. Dabei spielte wiederum das Problem von analytischen Richtskalen eine wichtige Rolle, nämlich in der Frage, wie Resilienzfaktoren, die in (sozial)psychologischen Forschungen für Individuen stark gemacht wurde, auf Gesellschaften übertragen werden können und umgekehrt – und wie man die jeweilige Korrelation zwischen vermeintlichen Resilienzfaktoren und historischen Überresten bewertet. Als Fallbeispiel dienten Grabhügel, die von einheimischen Bevölkerungsgruppen während der Zeit der römischen Okkupation, wiederverwendet wurden, nachdem sie zuvor nicht mehr frequentiert worden waren. Busch interpretierte dies als aktualisierende Vergangenheitsbezüge, die angesichts der römischen Bedrohung Orientierung und Selbstvertrauen stiften und damit zum Gefühl der Resilienz beitragen konnten.

Wie Naturereignisse sich konkret auf politische Verhältnisse auswirken konnten, zeigte anschließend KREŠIMIR VUKOVIĆ (München) am Beispiel der Tiberfluten in Rom. Deren Erklärung und Konzeptionalisierung geschah häufig über Mythen und Narrative, die von der literarischen Überlieferung besonders dann bemüht wurden, wenn sie Ereignisse wie die Gründung der Stadt oder die Annahme des Augstustitels durch Octavian begleiteten. Darüber hinaus wurden Fluten als religiös zu interpretierende Phänomene auch zu Gradmessern der Eignung von Kaisern, weshalb diese die Deutungshoheit über den Tiber zu erringen suchten. Der beständige Kampf, den die Stadt mit dem Fluss ausfocht und deren Opfer zumeist die Armen waren, forderte es, den Tiber als Akteur zu zeichnen, der die praktische und narrative Resilienz dauerhaft auf die Probe stellte.

Der Umgang mit Katastrophen durch und in Rom stand auch im Fokus des Beitrags von JONAS BORSCH (Bern). Borsch argumentierte, dass urbanen Desastern zum einen das Potential innewohnte, für Unruhen zu sorgen, zum anderen aber auch Gelegenheiten darstellten, um die eigene Resilienz zu demonstrieren und politische Systeme zu stabilisieren. Während der Kaiserzeit boten Katastrophen in den Provinzen dem Princeps eine Möglichkeit, sich als oberster Euerget zu inszenieren und monarchische Großzügigkeit zu demonstrieren. Ereigneten sich solche Geschehnisse hingegen in Italien, konfrontierten sie das Kaisertum, so die These, mit den Grenzen des Principats, da sie dessen monarchische Elemente offenlegten. Die Kaiser waren daher gezwungen, geschickt zwischen den Rollen als Krisenmanager und Wohltäter, die die Lage nicht politisch zu instrumentalisieren wünschten, zu changieren.

Den Abschluss des zweiten Konferenztages markierte der Vortrag von MARTIN ENDRESS (Trier), der aus soziologischer Perspektive Überlegungen zu einer Theorie der Resilienz und ihrer Anwendbarkeit auf historische Fallbeispiele anstellte. Dabei differenzierte er zunächst unterschiedliche Zugänge zum Thema der Resilienz und plädierte dafür, den Begriff nicht teleologisch, nicht essentialistisch und nicht normativ zu verstehen, sondern vielmehr die Prozesshaftigkeit zu betonen, die sowohl der Beobachtungsperspektive des Forschers/der Forscherin innewohnt, der/die sich mit dem Phänomen der Resilienz auseinandersetzt, als auch die Bezugsgrößen der historischen Analyse prägen wie etwa die Beziehungen zwischen Akteuren, Institutionen usw. Der Gegenstand ergibt sich dabei aus einem relationalen Wechselverhältnis. Dieses ist auch in den analytischen Konzepten integriert, mit denen sich Resilienz erforschen lässt, wobei zwischen Prozessmodi (Bewältigung, Anpassung, Transformation) und Prozessdimensionen (Strategien, Dispositionen, Ressourcen) zu unterscheiden ist. Für eine Mehrebenenanalyse wurde abschließend auch mit Blick auf die Interpretation historischer Quellentexte plädiert.

Am Beginn des letzten Konferenztages stand der Vortrag von SIMON LENTZSCH (Fribourg), der die Narrative Roms im Umgang mit militärischen Niederlagen als Resilienz-Ressource betrachtete. Er stellte heraus, dass Niederlagen für Rom keineswegs eine Seltenheit mit vernichtendem Charakter, sondern vielmehr in Kriegsverläufe eingepreist waren. So wurden sie auch von antiken Betrachtern eher als temporäre Rückschläge, deren Ursachen in innerer Zwietracht zu suchen waren, denn als fatale Katastrophen wahrgenommen. Laut Lentzsch zeigte sich die Resilienz Roms darin, dass Niederlagen dazu führten, dass alternative Strategien entwickelt wurden und heikle militärische Situationen durch den Unwillen aufzugeben letztendlich überwunden werden konnten.

Kollektive Vergangenheitsnarrative als Formen von Resilienz untersuchte EMANUEL ZINGG (Paris) anhand der Rückschau ehemals unfreier Bevölkerungsgruppen im antiken Griechenland auf die Zeit der Unterdrückung durch stärkere politische Spieler. Durch die Entwicklung einer mythischen Ursprungserzählung wurde ex post eine Gruppenidentität geschaffen, welche als Basis eines Propagandadialogs zwischen den ehemals Geknechteten und ihren früheren Herrschern diente. Elemente dieser Erzählungen fungierten als Symbole der Resilienz für die befreiten Gruppen, die ihre fiktiven Narrative vom Widerstand dadurch am Leben hielten und ihre eigene Widerstandsfähigkeit auf diese Weise erhöhten.

Mit der narrativen Konstruktion von Resilienz verschiedener ethnischer Gruppen im kaiserzeitlichen Alexandria beschäftigte sich ANDREAS HARTMANN (Augsburg), der aufzeigte, wie Griechen, Juden und Ägyptern durch die Nutzung bestimmter Erzählmuster versuchten, die je eigene kulturelle Identität auf- und diejenige ihrer Gegner abzuwerten. Durch die strategische Diffamierung rivalisierender Gruppen entstand eine „parasitäre Resilienz“, welche die Schuld an Belastungen geschickt auf die jeweiligen Gegner verschob. Auf diese Weise konnte Druck kanalisiert und der Glaube an die eigene Zukunftsfähigkeit gestärkt werden.

Die letzten beiden Vorträge von DOMINIK DELP (Tübingen) und CAMPBELL GREY (Philadelphia) beschäftigten sich aus zwei verschiedenen Blickwinkeln mit der Zeit Iustinians. Delp untersuchte den Zugriff der oströmischen Monarchie auf die Deutung der schweren Krisen in der zweiten Hälfte der Regierungszeit Iustinians mittels symbolischer Ressourcen. Um der Unterminierung der Legitimität seiner Herrschaft zu begegnen, war Iustinian zunehmend gezwungen, neue Wege der Selbstdarstellung zu beschreiten, die ihn sich nun verstärkt als von Gott eingesetzter Beistand für die Nöte des Volkes und als Vorbild einer gottgefälligen Lebensweise inszenieren ließ, trug er doch sinnbildlich dafür Sorge, die Gefahren für die Gemeinschaft durch sündhaftes Verhalten nachhaltig zu bannen, was sich zu einem erheblichen Teil auch in der Erarbeitung des Codex Iustinianus zeigte. Indem er die Deutungshoheit über die erlebten Krisen erlangte, bewies der Kaiser laut Delp, dass er in der Lage war, neue Ressourcen der Resilienz zu finden und diese reflektiert auf die Strukturen des unter Belastung stehenden Systems anzuwenden.

Greys Vortrag schuf einen analytischen Rahmen für die Erforschung alltäglicher Risikoerfahrungen und veranschaulichten diesen konzeptionellen Rahmen anhand von Erfahrungen mit Belagerung, Nahrungsmittelknappheit und gesellschaftlichen Umwälzungen in der ersten Hälfte des sechsten Jahrhunderts n. Chr. Dabei ging er auf einige der jüngsten großen Erzählungen über Resilienz ein, die besonders mit Blick auf die Spätantike eine systemisch-ökologische Perspektive einnehmen, und ergänzte diese um eine Betrachtung der Vielfalt der Risikowahrnehmungen und -erfahrungen, die sich aus einer Vielzahl von Resilienzen und Anfälligkeiten ableiten (und umgekehrt zu diesen beitragen).

Konferenzübersicht:

Moderation: Christopher Schliephake / Andreas Hartmann (Augsburg), Anna-Katharina Rieger (Graz)

Anna-Katharina Rieger (Graz): Religion as resource and water management as resilience strategy: Sources, rivers and religious practices in the Lebanon mountains in Graeco-Roman times

Jasmin Hettinger (Dresden-Rossendorf): Wo findet man (welche Arten von) Resilienz in antiken Quellen? Überlegungen zur Schaffung von Resilienz(en) am Beispiel des römischen Umgangs mit hydrologischen Risiken

Christopher Schliephake (Augsburg): Ancient Divination and/as Resilience: Constructivist, Processual, and Relational Aspects - The Case of Dodona

Paul Erdkamp (Brüssel): Climate, resilience, and societal change. Questions at different time scales

Benjamin Gray (London): Resilience as a model for interpreting the Hellenistic polis

Muriel Moser-Gerber (Frankfurt am Main): Resilience in Roman Greece? The case of Athens

Alexandra Busch (Mainz): Uses of the Past. Identifying (new) resilience factors in the archaeological record

Krešimir Vukovic (München): The Floods of the Tiber and Resilience in Rome: Narratives and Interpretations

Jonas Borsch (Bern): Urbane Katastrophen als Herausforderungen des Herrschaftssystems?

Martin Endreß (Trier): Resilienz zwischen historischer und soziologischer Perspektive. Methodologische und methodische Reflexionen

Simon Lentzsch (Fribourg): Per aspera ad astra? – Niederlagennarrative als Ressource der Resilienz

Emanuel Zingg (Paris): Resilienz in fiktiven Frühgeschichten (ehemals) unfreier Bevölkerungsgruppen im antiken Griechenland

Andreas Hartmann (Augsburg): Griechen, Juden und Christen in Alexandria – Muster in der narrativen Konstruktion von Resilienz

Dominik Delp (Tübingen): Resilienz durch Deutung. Symbolische Ressourcen und die Transformation der oströmischen Monarchie

Campbell Grey (Philadelphia): Microhistories of resilience: the city of Rome during Justinian’s Gothic War

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