Musical culture/s of the Habsburg Monarchy and its successors states: Cultural, social and historical approaches

Musical culture/s of the Habsburg Monarchy and its successors states: Cultural, social and historical approaches

Organisatoren
Tatjana Marković / Fritz Trümpi, Department of Music Analysis, Theory and History, mdw – University of Music and Performing Arts Wien
Ort
Wien
Land
Austria
Vom - Bis
22.02.2017 - 24.02.2017
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Von
Elizaveta Willert, Universität für Musik und darstellende Kunst Wien; Johanna Pieper, Universität für Musik und darstellende Kunst Wien

Im Rahmen des Forschungsschwerpunktes „Musik in Zentraleuropa“ fand am Institut für Musikwissenschaft und Interpretationsforschung (IMI) der mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien ein dreitägiger Workshop unter dem Titel „Musical culture/s of the Habsburg Monarchy and its successors states: Cultural, social and historical approaches“ statt. Für die Entwicklung des Workshopkonzepts sowie die Koordination der Veranstaltung waren Fritz Trümpi und Tatjana Marković verantwortlich. Es nahmen über 20 Forscher/innen aus Europa und den Vereinigten Staaten teil, die folgenden Institutionen angehören: University of Minnesota (USA), Babeş-Bolyai University of Cluj (Rumänien), Hungarian Academy of Sience (Ungarn), Croatian Musik Institute (Kroatien), Universität Bern (Schweiz), University of Leeds (Großbritannien), College of Arts and Culture Kiev (Ukraine), Liszt Ferenc Academy of Music (Ungarn), Béla Bartók Conservatory (Ungarn), Masaryk University Brno (Tschechische Republik), University of Belgrade (Serbien), Czech Academy of Sciences (Tschechische Republik), Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (Österreich).

Ziel des Workshops war es in erster Linie, die Vielfalt der aktuellen Forschungen zur Thematik zu überblicken, um daraus neue Forschungsperspektiven zu gewinnen, die sich in gemeinsamen Forschungsprojekten, aber auch in der Bildung eines Forschungsnetzwerkes manifestieren sollen. Das transnationale Setting des Workshops bot umso mehr Anlass für aktive Diskussionen.

Am ersten Tag der Veranstaltung, nach der herzlichen Begrüßung von THERESE KAUFMANN (Wien), Leiterin der Stabstelle Forschungsförderung an der mdw, umrissen TATJANA MARKOVIĆ (Wien) und FRITZ TRÜMPI (Wien) die Aufgaben und Ziele des Workshops . Während Tatjana Marković die Wichtigkeit einer transnationalen Perspektive für den Diskurs über die Musikkultur und Musikgeschichte der Habsburger Monarchie betonte, behandelte Fritz Trümpi in seinen Ausführungen den Aspekt der Popularisierung des Musikbetriebs im Laufe des 19. Jahrhunderts und stellte dadurch den bis heute historiographisch bevorzugten Fokus auf elitäre Musikkulturen in Frage.

Ihre Fortsetzung fand die Tagung mit den beiden Panels zu „Celebrating Empire“. AMY ONSTOT (Minnesota) referierte in ihrem Vortrag “'Semiramide riconosciutta' and the construction of female queenship at the court of Maria Theresa” über Glucks Oper „Semiramide riconosciutta“, die sie als Re-Imaging von Kaiserin Maria Theresia interpretierte. Die Idee des Re-Imaging von Monarch/innen in der Musik wurde auch in der Präsentation von RĂZVAN ROŞU (Cluj) „Music as expression of the Habsburg myth in Transylvani“ dargestellt. Am Beispiel von Gesprächen mit Interviewpartner/innen aus Siebenbürgen demonstrierte er, wie Topoi der Habsburger Monarchie, beispielsweise Franz Joseph als „guter Herrscher“ oder Wien als Zentrum der Kultur, mythologisiert wurden. Am Ende der ersten Session beleuchtete KATALIN KIM-SZACSVAI (Budapest) in ihrem Referat „Prayers for the king, the nation, and for the country: Ferenc Erkel´s Hymns“ das Zusammenwirken von Politik, Nationalidee und Musik im Schaffen Erkels, der als Mitbegründer der ungarischen Nationaloper gilt. Im Zentrum des Vortrags stand die Frage inwieweit musikalisches Schaffen als eine Darbietung der politischen Position des Komponisten verstanden werden kann, was sich anhand der Beispiele der Oper „György Dózsa” und der Hymnen auf unterschiedliche Weise demonstrieren ließ.

In der nächsten Einheit präsentierte LILI BÉKÉSSY (Budapest) einen Vortrag zum Thema „The visit of King Franz Joseph and Queen Elisabeth to Pest-Buda. Celebrating the Habsburgs in the Hungarian National Theatre (1837–1873)“. In ihrer Analyse betrachtete sie die Wechselwirkung zwischen dem Repertoire des ungarischen Nationaltheaters und historischen Zäsuren. CHRISTIAN GLANZ‘ (Wien) Ausführungen zum Thema „Two composed looks on Habsburg by an Austrian Bandmaster: References of contexts and legacy“ griffen die Wechselbeziehung zwischen der Politik und der Musikkultur ebenfalls auf. Glanz stellte zwei Kompositionen des Militärkapellmeisters Anton Rosenkranz vor, an denen er zeigte, wie Musik das Spannungsverhältnis zwischen Nationalismus und Gesamtstaat zu illustrieren vermochte.

Der zweite Veranstaltungstag begann mit Beiträgen zu den Themenbereichen „Institutions“ und „Media“. ANITA MAYER-HIRZBERGER (Wien) und CORNELIA SZABÓ-KNOTIK (Wien) betonten in ihrem Vortrag „Dreaming of Vienna: The Conservatory of the Gesellschaft der Musikfreunde and its successors as singer’s/musicians‘ utopia“ die Notwendigkeit einer über Staatsgrenzen hinausgehenden Forschungskultur, insbesondere im Hinblick auf die Bereitstellung von Daten. Ausgehend von Interviews stellten sie fest, dass Wien nicht immer ein Studienort der Wahl, sondern eher einer des (politischen) Zufalls war, und sie warfen die Frage auf, ob es einen Zusammenhang zwischen der Perzeption Wiens als „Hauptstadt“ der Musik und der musikalischen Ausbildung am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde und seinen Nachfolgeinstitutionen gebe. Im Anschluss stellte NADA BEZIĆ (Zagreb) die Entwicklung des Kroatischen Musikinstituts vor. In ihrer Präsentation „Hrvatski glazbeni zavod (Croatian Music Institute) after 1918: Intime musičke večeri (Intimate musical evenings) and Jutarnji kooncerti (Morning concerts“) hob sie besonders die Bedeutung Artur Schneiders hervor, der in seiner Zeit als Direktor des Instituts die Konzertszene in Kroatien maßgeblich beeinflusste. „Overlapping management trends of performing arts: The Viennese Music and Theatre International Exhibition“ lautete der Titel des Beitrages von MARIA CÁCERES-PIÑUEL (Bern), die sich mit dem Thema der musikalischen Diplomatie beschäftigte. Cáceres-Piñuel stellte die Zusammenarbeit von aristokratischen Förderer/innen und bürgerlichen Intellektuellen bei der Organisation der Ausstellung dar und hob die Bedeutung der Netzwerke weiblicher Adeliger mit Blick auf den Ausstellungserfolg hervor.

MAJA VASILJEVIĆ‘ (Belgrad) Präsentation „Jewish identity in nineteenth-century Serbia: The case of musician Josif Schlesinger“ leitete den Themenblock „Migration and Identity” ein. Hier wurde das Problem der Migration und des Judentums in Serbien in sozialen und kulturellen Diskursen dargestellt. Die Frage nach einer jüdischen Identität wurde hier zum Angelpunkt, ebenso wie im anschließenden Referat von DAVID FLIGG (Leeds) „Gideon Klein: Musical rupture and Jewish migration“. Fligg ging der Frage nach, inwiefern Gideon Kleins Musikästhetik und dessen Kompositionsstil von kulturellen und politisch-sozialen Einflüssen geprägt gewesen ist, was er auf der Basis bisher unveröffentlichter Archivquellen und persönlicher Zeugnisse analysierte.

KATERYNA ELISEEVA (Kiev) beschrieb in ihrem Vortrag zum Thema „Music migration in the eighteenth century: Through the pages of a musical collection of Razumovskijs” die Migrationsbewegungen von Musiker/innen im 18. Jahrhundert. Die daraus resultierende Stilvielfalt bezeugen die mehr als 1700 Musikstücke aus verschiedenen Ländern Europas in der Sammlung der Fürsten Razumovskij. MATEJ SANTI (Wien) referierte ausgehend von der Begründung des besonderen Rufes der italienischen Geigenbauschule des 18. Jahrhunderts zu „Franjo (Franz) Kresnik (Kreßnik) and the ‚Italian violin making school‘“. Hierbei warf er die Fragen auf, ob das Engagement Kresniks bei den Feierlichkeiten zum 200. Jahrestag Stradivaris als politischer Akt gesehen werden kann und inwieweit es sich bei der italienischen Geigenbauschule um eine erfundene Tradition handelt.

Den letzten Abschnitt des zweiten Workshoptages „Nation Building“ eröffnete RUDOLF GUSZTIN (Budapest) mit seinem Referat „Choral movement in nineteenth-century Hungary: A mean of expressing national identity through music“. Er beschäftigte sich mit der Entstehung von ungarischen Chorgesellschaften in verschiedenen ungarischen bzw. siebenbürgischen Städten und betrachtete die Entwicklung ihres Repertoires als ein Zeichen der Etablierung der nationalen Identität. Das Thema des darauf folgenden Vortrags „The choir, the nationʼs voice in unison. Choral movement of Romanians from imperial Transylvania and Banat in the national building“ von OTILIA CONSTANTINIU (Cluj) stellte einen weiteren Aspekt des Verhältnisses zwischen Nationalismus und Musikkultur dar. Auf der Basis von Benedict Andersons Terminus unisonality betrachtete sie den musikalischen Aktivismus von Chören in Transsylvanien als einen Beitrag zur rumänischen Nationsbildung. Der zweite Tag des Workshops endete mit dem Vortrag von VERONIKA VARGA (Budapest) „Attempts for the introduction of the ballet, as an independent genre, during the beginning of the permanent Hungarian theatrical industry in Pest-Buda (1833–1848)”. Sie referierte über Quellen zum kompositorischen Schaffen von Joseph Heinisch und wies in diesem Zusammenhang auf ein größeres, aktuell laufendes, Forschungsprojekt hin, das sich gesamthaft mit dem Budapester Tanzrepertoire anhand der Archivbestände des dortigen Burg- und Nationaltheaters beschäftigt.

Der dritte und letzte Tag des Workshops stand im Zeichen von „Historiography“. ZSUZSANNA RÀKAI (Budapest) referierte in ihrem Vortrag „Hungarian music historiography and Bence Szabolcsi“ über unterschiedliche, mitunter auch widersprüchliche Phänomene der ungarischen Musik in der zweiten Hälfte des XIX. Jahrhunderts, wo Assimilation, aber auch die Wechselwirkung zwischen Kulturen und die nationale Bewegung entscheidende Bedeutungsträger waren. Eine weitere historiographische Überlegung lieferte MILOŠ ZAPLETAL (Prag) in seinem Vortrag „Metahistory of creation of the modern Czech music“. Er beschäftigte sich mit diskursanalytischen Zugängen zu Musikhistoriographie und überführte die tschechische Musikgeschichte mit Hilfe von Hayden Whites Analysekonzepten einer Art „Smetananisierung“. Schließlich erörterte LUBOMIR SPURNÝ (Brünn) in seinem Vortrag „Music and cultural transfer: Research Centre for the study of Slavic music“ Zusammenhänge zwischen Musiker/innen-Migration und Musiktransfer. Beispielhaft nannte er die Migrationsbewegung von Musikstudierenden im XIX. und XX. Jahrhundert.

In der abschließenden Diskussion zeigten die Teilnehmer/innen Einigkeit darüber, dass sie eine wissenschaftliche Zusammenarbeit sowohl auf personeller als auch auf institutioneller Ebene gerne vertiefen würden. Sie bekräftigten außerdem lebhaftes Interesse an zukünftigen Projektkooperationen, wobei auch der laufende Austausch von aktuellen Forschungsergebnissen angestrebt werden sollte. Zu diesem Zweck sollen weitere Zusammenkünfte geplant werden. Konsens herrschte zudem auch darüber, dass die über einen langen Zeitraum dominierende nationale Betrachtungsweise von Musikgeschichte ausgedient haben sollte.

Fritz Trümpi und Tatjana Marković eröffneten den abschließenden „Round Table“ mit Fragen nach zukünftigen Perspektiven und möglichen Akzenten für kommende Treffen. Katalin Kim-Szacsvai merkte an, dass die Entwicklung der Chorgesellschaften im Workshop als langer Prozess und Widerspiegelung der sozialen Struktur der Gesellschaft betrachtet worden war. Gerade die Erforschung national codierter Chorgesellschaften in multiethnischen Städten dient als gutes Beispiel dafür, dass transnationale Forschungskooperationen neue Erkenntnisebenen eröffnen können. Cornelia Szabó-Knotik kam auf einen weiteren Punkt zu sprechen, der sich im Laufe des Workshops angedeutet hatte. Sie erläuterte die Unterscheidung zwischen „Ungarischer Musik“ und „Musik in Ungarn“, zog die Parallele zu „Österreichischer Musikgeschichte“ versus „Musikgeschichte in Österreich“ und plädierte für die Etablierung letzterer Bezeichnung. Otilia Constantiniu und Răzvan Roşu stellten fest, dass die Frage der nationalen Identität in Bezug auf die rumänische und transsilvanische Musikgeschichte eng mit der politischen Geschichte verschiedener Staaten verbunden ist und schlugen vor, sich auch auf die Geschichte der sozialen Milieus zu konzentrieren. Kateryna Eliseeva berichtete über regionale Tendenzen in der Entwicklung der musikwissenschaftlichen Forschung der Ukraine, deren Ergebnisse jedoch im Zusammenhang der europäischen und globalen Geschichte einfließen sollten. Anita Mayer-Hirzberger stellte schließlich die Frage nach weiteren Forschungsperspektiven und schlug vor, nicht nur nationale, sondern vermehrt auch soziale Aspekte in Musikgeschichte miteinzubeziehen, gerade auch im Hinblick auf das Verhältnis zwischen „elitärer“ Kultur und „Unterhaltungsmusik“.

Konferenzübersicht:

Mapping the Field

Tatjana Marković (Wien): „Lost in Europe: Music history beyond borders“
Fritz Trümpi (Wien): „Creating a music life in Central Europe in the long nineteenth century“

Celebrating Empire I

Amy Onstot (Minnesota): „‘Semiramide riconosciutta’ and the construction of female queenship at the court of Maria Theresa“
Răzvan Roşu (Cluj): „Music as expression of the Habsburg myth in Transylvania“
Katalin Kim-Szacsvai (Budapest): „Prayers for the king, the nation, and for the country: Ferenc Erkel’s Hymns“

Celebrating Empire II

Lili Békéssy (Budapest): „The visit of King Franz Joseph and Queen Elisabeth to Pest-Buda. Celebrating the Habsburgs in the Hungarian National Theatre (1837–1873)“
Christian Glanz (Wien): „Two composed looks on Habsburg by an Austrian Bandmaster: References of contexts and legacy“

Institutions

Cornelia Szabó-Knotik / Anita Mayer-Hirzberger (Wien): „Dreaming of Vienna: The Conservatory of the Gesellschaft der Musikfreunde and its successors as singer’s/musicians’ utopia“
Nada Bezić (Zagreb): „Hrvatski glazbeni zavod (Croatian Music Institute) after 1918: Intimne muzičke večeri (Intimate musical evenings) and Jutarnji koncerti (Morning concerts)“

Media

Maria Cáceres-Pinuel (Bern): „Overlapping management trends of performing arts: The Viennese Music and Theatre International Exhibition 1892“

Migration and Identity I

Maja Vasiljević (Belgrad): „Jewish identity construction in nineteenth-century Serbia: The case of musician Josif Schlesinger“
David Fligg (Leeds): „Gideon Klein: Musical rupture and Jewish migration“

Migration and Identity II

Kateryna Eliseeva (Kiev): „Music migration in the eighteenth century: Through the pages of a musical collection of Razumovskiјs“
Matej Santi (Wien): „Franjo (Franz) Kresnik (Kreßnik) and the “Italian violin making school”“

Nation Building

Rudolf Gusztin (Budapest): „Choral movement in nineteenth-century Hungary: A mean of expressing national identity through music“
Otilia Constantiniu (Cluj): „The choir, the nation’s voice in unison. Choral movement of Romanians from imperial Transylvania and Banat in the national building“
Veronika Varga (Budapest): „Attempts for the introduction of the ballet, as an independent genre, during the beginning of the permanent Hungarian theatrical industry in Pest-Buda (1833–1848)“

Historiography

Zsuzsanna Ràkai (Budapest:: „Hungarian music historiography and Bence Szabolcsi“
Miloš Zapletal (Prag): „Metahistory of creation of the modern Czech music“
Lubomir Spurný (Brünn). „Music and cultural transfer: Research Centre for the study of Slavic music“

Round table State of research and further perspectives

Fritz Trümpi / Tatjana Marković with guests


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