Die Wirkmacht klösterlichen Lebens im Mittelalter. Modelle – Ordnungen – Kompetenzen – Konzepte

Die Wirkmacht klösterlichen Lebens im Mittelalter. Modelle – Ordnungen – Kompetenzen – Konzepte

Organisatoren
Akademie-Projekt „Klöster im Hochmittelalter: Innovationslabore europäischer Lebensentwürfe und Ordnungsmodelle, Heidelberger Akademie der Wissenschaften; Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig
Ort
Grimma
Land
Deutschland
Vom - Bis
06.04.2016 - 08.04.2016
Url der Konferenzwebsite
Von
Verena Schenk zu Schweinsberg, Historisches Seminar, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg; Marcus Handke, Forschungsstelle für Vergleichende Ordensgeschichte Dresden

Im April 2016 fand im Kloster Nimbschen in Grimma die Konferenz „Die Wirkmacht klösterlichen Lebens im Mittelalter. Modelle – Ordnungen – Kompetenzen – Konzepte“ statt. Vor dem Hintergrund vielgestaltiger monastischer Bewegungen im hochmittelalterlichen Europa stellte GERT MELVILLE (Dresden) in seiner inhaltlichen Vorstellung der Tagung die zentrale Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen der innovativen Wirkung von Klöstern. Ausgehend von dem Leitbegriff der Wirkmacht, der im Sinne einer institutionellen Macht sowohl konfliktträchtig als auch konsensuell gefasst werden könne, wurde der Schnittpunkt von Kloster und Welt als Untersuchungsdomäne fixiert. Mit einer instrumentellen und symbolischen Wirkungsart dieser Macht wurden dabei Bereiche, in denen neue Impulse entstehen können (Einzelner und Gemeinschaft, Spiritualität, Bildung, Wirtschaft usw.), benannt. Innovationsleistungen seien einerseits in der Institutionalität des Klosters, die eine besondere Festigkeit erzeugt habe, und andererseits in der Dynamik des Handelns mit Wirkung nach außen zu vermuten.

Die erste Sektion „Modelle der Klöster“ nahm den Menschen in den Fokus, der sowohl in seiner selbstreflexiven Beziehung als auch in seiner gesellschaftlichen Dimension Einfluss ausübte. Wie sehr das Konzept des Gewissens bis heute mediale Wirkmacht entfaltet, machte MIRKO BREITENSTEIN (Dresden) in seinem Beitrag deutlich, indem er Marksteine der Rezeption exemplarisch nachskizzierte. Ausgehend vom 12. Jahrhundert als Umbruchszeit einer Auseinandersetzung mit dem Selbst sowie mit Schuld und Verantwortung, verwies er auf ein mehrdimensionales Klassifikationsschema mit vier Gewissensarten. Anhand reichhaltiger Rezeptionsspuren – besonders des 17. Jahrhunderts – wurde die Dynamik dieses schlichten und dennoch mit psychologischer Tiefe ausgestatteten Schemas herausgestellt. Die konkreten Textspuren seien ein Beleg für den Wissenstransfer nicht nur über die monastischen Gelehrtenkreise hinaus, sondern gerade auch für die Wirkmacht des Gewissenskonzepts bis in die Neuzeit.

Die Verschränkung von Individuum, Gemeinschaft und Umwelt machte CHRISTINA LUTTER (Wien) in einer Detailstudie für die Region um das habsburgische Wien deutlich. Am Beispiel österreichischer Zisterzienserklöster des 12./13. Jahrhunderts demonstrierte sie sowohl den Konsens als auch den Dissens dieses auf dem Filiationssystem beruhenden und mit beachtenswerter ökonomischer Potenz ausgestatteten Ordens. Zwangläufigen Interessenkonflikten haben die Religiosen nicht zuletzt mit ihrer Einbettung in weltliche Strukturen begegnen können. Das Kloster und sein institutioneller Rahmen – einschließlich der in Wien nachweisbaren Stadthöfe als Kontaktstellen zur Führungselite – hätten für ausreichend Absicherung und Begünstigung sorgen können. Die Grundlage für eine gewinnbringende Zusammenarbeit auch zwischen städtischen und ländlichen Gebieten habe das Zusammenspiel von ökonomischer Potenz, persönlicher Verbundenheit und Sorge um das eigene Seelenheil gebildet.

EVA SCHLOTHEUBER (Düsseldorf) widmete sich in ihrem Vortrag der Bildung geistlicher Frauen und deren Autorisierungs- und Legitimationsstrategien zur Partizipation am gelehrten Leben ihrer Zeit. Hierbei ging sie auf die Veränderung und Beschränkung der Stellung der Nonne im Hochmittelalter ein, die ihre Autorität jedoch über die Christusnähe einerseits und die institutionelle Autorität/Amtsgewalt andererseits habe sichern können. Die den geistlichen Frauen zugesprochene doctrina privata habe die Schaffung eines konventsinternen, geschützten Bildungsraums erlaubt, der durch die weitgehend autonome Leitungskompetenz und das Lehrgebot der Äbtissin legitimiert gewesen sei und den Nonnen den Zugang zu gelehrtem Wissen, Predigtpraxis und Liturgieexegese ermöglicht hätte.

Die Übertragung franziskanischer Positionen aus dem theoretischen Armutsstreit auf die Auseinandersetzung Ludwigs des Bayern mit Papst Johannes XXII. nahm VOLKER LEPPINs (Tübingen) Vortrag in den Blick. Hierbei standen Wilhelms von Ockham Verständnis der franziskanischen Armutsfrage und deren Übertragung in seiner Parteinahme für den Kaiser im Fokus. Es konnte überzeugend aufgezeigt werden, wie die argumentative Strategie für die Frage des Machtverhältnisses zwischen Papst und Kaiser analog zu derjenigen in der franziskanischen Armutsfrage entfaltet wurde.

In der zweiten Sektion „Institutionelle Ordnungen“ wurden Formen und Instrumente der Organisation von Orden betrachtet. JEAN-CLAUDE SCHMITT (Paris) analysierte die strukturelle Einmaligkeit des westlichen Mönchtums. Sie habe nicht nur aus den seit der Spätantike bestehenden Gegenpolen bestanden, die das Modell der Weltflucht der unumgänglichen Einbindung in die Geschäfte der Welt gegenüberstellten. Neben dieser Paradoxie, die sich in der Differenzierung verschiedener Ordensformen widerspiegelte, habe es zudem bereits innerhalb der ecclesia viele Überschneidungszonen gegeben. So wurde zurecht darauf verwiesen, dass eine völlige Isolation des Mönchtums ein stets unerreichtes Ideal war. Schon die Rekrutierung von Novizen aus der Welt und dem Säkularklerus, aber auch vielfältige demographische, politische und ökonomische Faktoren hätten zum kontinuierlichen Austausch beigetragen. In der Gesamtschau seien damit die Voraussetzungen für eine Wirkmächtigkeit nach innen und außen schon immer vorhanden gewesen.

Als Impulsgeber haben auch die Ordensregeln selbst gewirkt, wie JÖRG SONNTAG (Dresden) darlegte. Die Heiligkeit der Regeln läge in ihrem Ursprung, Inhalt und bisweilen in ihrer Approbation begründet. Dennoch bedürften Regeln angesichts sich wandelnder Umwelten fortwährender Legitimationen. So verleihe der zisterziensische Regelkommentar aus Pontigny, dessen Edition Jörg Sonntag nun abgeschlossen hat, der Benediktsregel ein Alter, das bis zum Schöpfungsgeschehen zurückreiche. Prinzipiell habe sich die „interne“ Wirkmacht der Regeltexte innerhalb einer auch von Kommentaren, Gewohnheiten und Statuten konstituierten institutionellen Rahmung entfaltet. Religiöse Regeln wirkten zwar nie allein, dennoch seien sie „einem Personalausweis ähnlich“ zu „Identitätskarten“ geworden, die jeder Religiose im Inneren mit sich getragen habe und die zweifelsfrei unsere Kultur geprägt und die Welt verändert hätten. Wenn einzelne Phänomene auch nicht immer direkt nachweisbar seien – die von einer immensen Autorität der Regeln und deren über aktives Handeln in die Welt hineinvermittelte indirekte Wirkmacht stünde außer Frage.

MICHAEL HÄNCHEN (Dresden) und GERT MELVILLE (Dresden) beschäftigten sich mit förmlichen Verfahren als einem rechtshistorischen Paradigmenwechsel ab dem Hochmittelalter. Der Erneuerungswille, aber auch eine auf Prospektivität und Gestaltung angelegte Handlungsrationalität seien Ursache dafür gewesen, dass effektive Steuerungsmechanismen (Eigenrecht der Statuten, Generalkapitel, Visitationen) entstanden, mithilfe welcher die Zisterzienser und Cluniazenser eine juristische Absicherung, ständige Prüfung und Verbesserung sowie entsprechende Kontrollen samt situativen Korrekturen haben verwirklichen können. Nicht nur exogene Störungen seien auf diese Art zu bewältigen gewesen, sondern auch der Umgang mit internen Devianzen konnte systematisiert und formalisiert werden. Diese juristischen Innovationen seien durch Rationalisierung, Routinisierung und Gewaltenteilung bereits Träger moderner Verfassungsstrukturen gewesen, womit eine Wirkmächtigkeit weit über den monastischen Bereich hinaus angenommen werden könne.

JENS RÖHRKASTEN (Birmingham) schließlich nahm sich der zisterziensischen Wirtschaftsform als Kontaktfläche zu externen Interessen an. Er legte durch Einzelbetrachtungen dar, dass die ökonomische Erschließung von Regionen kein homogenes Bild ergab, sondern dass sich durch die Gestaltungsmacht einzelner Klöster ganz eigene Kompetenzen bildeten. Der Umgang mit Interessenskonflikten habe ein hohes Maß individueller Administration und Verhandlungsergebnisse hervorgebracht. Dies habe dazu geführt, dass – auch entgegen den eigenen Idealen – neue Wirtschafts- und Buchführungsinstrumente ausgeprägt wurden. Die zu erkennende Flexibilität habe auf einer Verbindung aus Autonomie und Kontrolle gefußt.

Die dritte Sektion beleuchtete unter dem Titel „Mediale Kompetenzen“ verschiedene Formen der Kommunikation und praktischen Umsetzung von Wissensinnovationen im Kloster. Den Auftakt bildete MARTIN KINTZINGERs (Münster) Beitrag zur Diffusion von klösterlichen Innovationen in die säkulare, spätmittelalterliche Gesellschaft am Beispiel von mönchischen Gelehrten (wie etwa der Dominikaner Vinzenz von Beauvais) und ihrem Wirken an europäischen Höfen. Ihre Tätigkeit als Chronisten, Berater und insbesondere Übersetzer für Könige und Fürsten wurde anhand von Vertretern verschiedener Orden in Hinblick auf deren gesellschaftliche Stellung, ihre Relevanz im wissenschaftlichen Diskurs und ihr Selbstbild hin reflektiert. Hierbei betonte der Vortragende besonders die große Wertschätzung solcher Gelehrter. Ihnen sei als Einzelpersonen wie als Gruppe eine hohe Kompetenz zugesprochen worden, die für weltliche Interessen nutzbar gemacht werden konnte.

Im zweiten Vortrag der Sektion referierte ANNETTE KEHNEL (Mannheim) über die Entstehung innovativer Kommunikationsformen in den Bettelorden und parallele Entwicklungen an den Universitäten im städtischen Milieu des 13. Jahrhunderts. Die spezifischen Neuerungen der Bettelorden (Aufgabe der stabilitas loci, Bettel, Predigt) hätten zur permanenten Interaktion und Kommunikation mit der städtischen Umwelt gezwungen. Auch der Begriff des Konventes hätte eine Umdeutung hin zu einer ortsunabhängigen Lebensform und einem lokalen Stützpunkt für eine Gruppe von Bettelmönchen erfahren. Anhand verschiedener Beispiele wurde verdeutlicht, wie die Kommunikation im mendikantischen Konvent durch Verdichtung und Offenheit zur Umwelt hin charakterisiert war und wie sie hierin den Kommunikationsformen in den entstehenden Kollegien der Universitäten strukturell glich.

REGINA SCHIEWER (Eichstätt) befasste sich im Anschluss mit der frühen deutschsprachigen Predigt ab der Mitte des 12. Jahrhunderts und deren Beeinflussung durch die Hirsauer Reform. Sie diskutierte den Einfluss des neuen Hirsauer Konverseninstituts, das die geistliche Betreuung illiterater, aber literarisch interessierter – da oft adeliger – Laienbrüder in der Volkssprache notwendig gemacht habe, auf die Laienseelsorge. Anhand verschiedener Predigtsammlungen und deren handschriftlicher Überlieferung zeigte die Referentin Beeinflussungen durch die Hirsauer Spiritualität auf, die auch lange über das unmittelbare Wirken der Hirsauer Reform hinaus tradiert worden seien.

Den Charakteristika, Potenzialen und Funktionsweisen exemplarischen Erzählens im 13. Jahrhundert ging JULIA BURKHARDT (Heidelberg) im abschließenden Beitrag der Sektion nach. Sie zeigte die Vielgestaltigkeit, Überlieferungszusammenhänge und unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten von Exempla mit ihren moralisierenden Aussagen auf, für deren Verständnis gemeinsame Normen grundlegend seien. Auf dieser Grundlage könnten sie nicht nur narrativ-illustrativ eingesetzt werden, sondern auch Handlungsoptionen aufzeigen, zur Auseinandersetzung mit Normen anregen und gemeinschaftsbildend und identitätsstiftend wirken. Besonders wurde auch der gesteigerte Einsatz exemplarischen Erzählens im 13. Jahrhundert betont, durch den Autoren die eigene Welt systematisieren und begreiflich machen könnten.

Der Abendvortrag von HEIDRUN STEIN-KECKS (Erlangen) war dem Kapitelsaal als Ort der täglichen Selbstdarstellung und Neudefinition von Ordensgemeinschaften aus kunsthistorischer Perspektive gewidmet. Sie charakterisierte ihn als Innovationsleistung in der mittelalterlichen Klosteranlage, der sich als Ort der Versammlung, Verhandlung, Anklage, Buße und Vergebung durchgesetzt und die Gemeinschaft täglich neu auf ihre Normen und Werte eingeschworen habe. Die enge räumliche Verbindung zum Kreuzgang und die teils prachtvolle Ausstattung insbesondere durch Wandmalereien und Skulpturen spiegele die Zentralität des Raumes für die Identität der Klostergemeinschaft wieder. Anhand verschiedener Bildmotive verdeutlichte die Referentin, wie die Funktionen des Raums für die Gemeinschaft im Bildprogramm umgesetzt werden konnten. Durch die verstärkte Zugänglichkeit des Raums für Laien bei den Bettelorden habe sich auch dieses Programm auf Szenen der Ordensgründung und bedeutende Mitglieder des Ordens ausgeweitet und so stärker auch als Repräsentation der Ordensidentität nach außen gewirkt.

In der vierten Sektion „Konzepte“ wurde schließlich die natürliche und kulturelle Umwelt thematisiert. Einen Schnittpunkt zwischen individueller Wirkmacht und philosophischer Naturbetrachtung behandelte HENRYK ANZULEWICZ (Bonn). Mit der Persönlichkeit Alberts des Großen, die sich durch ein unvoreingenommenes Wissenschaftsinteresse ausgezeichnet habe, zeigte der Vortragende, dass eine Hinwendung zu den profanen Wissenschaften vor allem innerhalb des Dominikanerordens Spannungen verursachte. Seine Hinwendung zur aristotelischen Philosophie und sein Bestreben einer getreuen Würdigung derartiger Texte habe letztlich jedoch entgegen der zeitgenössischen Kritik eine Autonomie der empirisch fundierten Wissenschaften begründet. Sein weit über den Orden hinausreichendes Wirken habe zusammen mit dem Milieu der Dominikaner, die durchaus Neugier für den Philosophiediskurs entwickelten, die Entfaltung seiner Lehren begünstigt.

MATTHIAS M. TISCHLER (Barcelona) fragte nach den Auswirkungen der Auseinandersetzung des Reformmönchtums mit dem Islam am Beispiel von Clunys Islamprojekt. Ausgehend von der Frage, ob eine Konfrontation mit dem Islam eine Festigung oder Verwandlung der monastischen Lebensweise bewirkte, konstatierte der Referent für Cluny und das von seinem Abt Petrus Venerabilis verfolgte „Islamprojekt“ zunächst keine reformerischen Auswirkungen. Zwar seien auch für das Reformmönchtum ab dem 13. Jahrhundert mit dem Ziel der Überführung bisheriger Islamdiskurse in den praktischen Bereich der Predigt konkrete Bemühungen sichtbar. Insgesamt jedoch sei es bei einer latenten Aktualität dieser Auseinandersetzung geblieben. Das Lebensmodell der vita religiosa habe wegen des teils intensiven Austauschs, der auch zur Selbstreflexion anregte, an Kontur gewonnen.

Gerhoch von Reichersberg und der Umbruch in der Wissensorganisation durch die aufkommende Scholastik im 12. Jahrhundert standen im Mittelpunkt von STEFAN BURKHARDTs (Heidelberg) Beitrag. Er zeigte, dass auch Gerhoch im Salzburger Erzbistum in das Netzwerk der intellektuellen Auseinandersetzung um die scholastische Methode eingebunden war, jedoch – obwohl als Autor sehr produktiv – außerhalb seines Wirkungskreises kaum rezipiert wurde. Als Kirchenreformer, der sich mit Kleruskritik und Reformvorschlägen an ein beschränktes Publikum der kirchlichen Elite gewandt habe, sei ihm nicht die breite Wirkung seiner prominenten Diskussionspartner beschieden gewesen. Thematisiert wurde zudem, dass Gerhochs Werk in seinen Themen und Methoden beispielhaft für das Bedürfnis seiner Zeit war, Gott und die Welt einzuordnen und seit dem Investiturstreit neue, sinnstiftende Ordnungsmodelle zu entwerfen.

In seiner Zusammenfassung resümierte STEFAN WEINFURTER (Heidelberg) noch einmal zentrale Aspekte, die in den Sektionen zur Sprache gekommen waren. Der Fokus vieler Beiträge auf das Hochmittelalter entspreche der Zentralität der „klostergeschichtlichen Wende“ in dieser Zeit, die durch das Ideal der Urkirche eine einmalige gesamtgesellschaftliche Bewegung ausgelöst habe, welche sich auch in der Entstehung der Orden manifestierte. Diese Idee habe sich dann im 13. Jahrhundert in anderen Funktionszusammenhängen und Wirkungsformen diversifiziert. Als wirkmächtigste Innovationen klösterlichen Lebens in die Welt wurden Modelle von Gemeinschaft, Impulse für die Nachhaltigkeit und Verstetigung von Ordnungen, Organisationsformen von Großbetrieben und Klöster als Integrations- und Kompetenzzentren genannt. Einschränkungen dieser Wirkmacht seien vor allem im Verlust der Flexibilität durch Vereinheitlichungstendenzen sowie im Monopolverlust von Neuerungen im monastischen Bereich zu sehen.

Insgesamt wurden auf der Tagung verschiedene Bereiche vorgestellt, in denen klösterliche Gemeinschaften und ihre Mitglieder innovativ in die Welt wirken konnten. Sowohl aktive Möglichkeiten des Einwirkens durch Schreiben, Kommunizieren und Gestalten der Umwelt als auch passive wie die Vorbildwirkung von Lebens- und Ordnungsmodellen konnten diskutiert werden. Es wurde deutlich, dass einerseits klosterinterne Errungenschaften und Abläufe das Potenzial entfalten konnten, in anderen Bereichen der Gesellschaft zu wirken. Andererseits konnten aber auch gesellschaftliche, normative und intellektuelle Entwicklungen von „außen“ zu innovativen Reaktionen und Auseinandersetzungen in den Klöstern anregen, die diese Entwicklungen dann wiederum mitgestalteten.

Konferenzübersicht:

Eröffnung/inhaltliche Vorstellung: Gert Melville (Dresden)

I. Sektion: Modelle der Klöster: Individuum – Gemeinschaft – Gender – Ursprung
Sektionsleitung: Bernd Schneidmüller (Heidelberg)

Mirko Breitenstein (Dresden): Der Einzelne und sein Gewissen. Macht und Wirkung

Christina Lutter (Wien): Persönliche Bindungen und Gemeinschaftsvorstellungen. Zum Wirken österreichischer Zisterzienserklöster

Eva Schlotheuber (Düsseldorf): Doctrina privata und doctrina publica. Autorität und Legitimationsstrategien geistlicher Frauen im öffentlichen und semiöffentlichen Raum

Volker Leppin (Tübingen): Das urkirchliche Ideal der Franziskaner als Maßstab der Kirche unter Ludwig dem Bayern

II. Sektion: Institutionelle Ordnungen: Positionen – Regeln – Verfahren – Ressourcen
Sektionsleitung: Gábor Klaniczay (Budapest)

Jean-Claude Schmitt (Paris): Außerhalb oder innerhalb? Das Paradox der mönchischen Existenz im Westen

Jörg Sonntag (Dresden): Autorität und Strahlkraft. Zur Wirkmacht mittelalterlicher Ordensregeln

Michael Hänchen (Dresden) / Gert Melville (Dresden): Förmliche Verfahren gegen exogene Störungen. Zur Wirkmacht des ‘methodischen Betriebs’ mittelalterlicher Orden

Jens Röhrkasten (Birmingham): Die Wirtschaftsformen der Zisterzienser im Spannungsfeld zwischen eigener Gestaltungsmacht und externen Einwirkungen

III. Sektion: Mediale Kompetenzen: Wissenspraxis – Kommunikation – Predigt – Exempel
Sektionsleitung: Wolfgang Huschner (Leipzig)

Martin Kintzinger (Münster): Theorie für die Praxis. Klöster als Innovationslabore der säkularen Gesellschaft im spätmittelalterlichen Westeuropa

Annette Kehnel (Mannheim): Neue Kommunikationsformen in den Bettelorden und der Aufstieg der Universitäten

Regina Schiewer (Eichstätt): Die deutschsprachige Predigt der Hirsauer Reform. Eine Innovation in der Laienseelsorge mit Wirkmacht

Julia Burkhardt (Heidelberg): Die Welt in Geschichten erfassen. Exemplarisches Erzählen im 13. Jahrhundert

Abendvortrag
Moderation: Matthias Werner (Jena)

Heidrun Stein-Kecks (Erlangen): A capitulo monachos potes cognoscere. Selbstbilder von Ordens- und Klostergemeinschaften

IV. Sektion Konzepte: Sachen – Natur – Religion – Welt
Sektionsleitung: Maria Pia Alberzoni (Milano)

Henryk Anzulewicz (Bonn): Albert der Große zwischen Natur, Macht und Wirkung. Ein Individuum in klösterlicher Gemeinschaft

Matthias M. Tischler (Barcelona): Warum Clunys Islamprojekt zunächst scheitern musste und schließlich doch ein Erfolg wurde. Strukturelle Beobachtungen zur Auseinandersetzung des Reformmönchtums mit dem Islam vor und nach Petrus Venerabilis (11.–13. Jahrhundert)

Stefan Burkhardt (Heidelberg): ‘Gott und die Welt’ (ein)ordnen. Gerhoch von Reichersberg und die Gelehrten des 12. Jahrhunderts

Zusammenfassung und Abschlussdiskussion: Stefan Weinfurter (Heidelberg)