Rechtsprechung zur Bewältigung von Kriegsfolgen

Rechtsprechung zur Bewältigung von Kriegsfolgen

Organisatoren
Nils Jörn, David-Mevius-Gesellschaft
Ort
Stralsund / Wismar
Land
Deutschland
Vom - Bis
05.12.2009 - 06.12.2009
Url der Konferenzwebsite
Von
Nils Wurch, Institut für Rechtsgeschichte - Germanistische Abteilung, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Am 5. und 6. Dezember 2009 fand, nach einer Eröffnung in Greifswald, in Stralsund und Wismar die 5. internationale Tagung der David-Mevius-Gesellschaft zum Thema „Rechtsprechung zur Bewältigung von Kriegsfolgen“ statt. Die Tagung wurde durch die großzügige finanzielle Unterstützung der Historischen Kommission für Pommern, der Hansestadt Wismar und zweier Einzelpender ermöglicht.

Es war eine besondere Tagung allein schon deshalb, weil sie ganz im Zeichen des 400. Geburtstags eines der bedeutendsten deutschen Juristen nicht nur seines Jahrhunderts stand: David Mevius (1609-1670), der Namenspatron der Gesellschaft, wurde am 6. Dezember in Greifswald geboren.

Dies bot willkommenen Anlass, die zentralen Orte seines Wirkens in die Konzeption mit einzubeziehen: Greifswald - in seinem Geburtsort begann Mevius seine Karriere ab 1635 als Rechtsprofessor - Stralsund, wohin sich Mevius 1638 begab, um das Amt des Stadtsyndicus anzutreten, und Wismar, Sitz des Obertribunals für die schwedischen Besitzungen im Deutschen Reich; als Vizepräsident des Tribunals wirkte Mevius ab 1653.

So schloss sich die Tagung örtlich gesehen nahtlos an die Jahrestagung 2008 an, die ebenfalls ganz federführend vom Vereinsvorsitzenden Nils Jörn gestaltet wurde. Denn besucht wurden im letzten Jahr die 1653 von der schwedischen Krone an Mevius verliehenen Güter Zarrentin, Wendisch Baggendorf und Brönkow.

Den Auftakt der Tagung bildete eine Abendveranstaltung in der Aula der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald am 4. Dezember: Die Justizministerin des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Frau Uta-Maria Kuder, hieß die Mitglieder und Gäste in einem Grußwort herzlich willkommen und dankte für die Verdienste nicht zuletzt um die Restaurierung des Epitaphs für David Mevius in St. Nikolai zu Wismar. Jürgen Kohler begrüßte die Teilnehmer der Tagung im Namen der Juristischen Fakultät, als deren Vertreter David Mevius auf dem Greifswalder Rubenow-Denkmal sitzt. Er mahnte, das Wirken des Geehrten nicht nur historisch einzuordnen, sondern auch nach aktuellen Bezügen zu suchen und meinte, vielleicht sei Vorpommern ja nicht nur im 17. Jahrhundert dafür prädestiniert gewesen, Konzepte aus der Krise zu entwickeln, sondern könne auch heute innovativ auf dramatischen Bevölkerungsverlust und eine zunehmende Überalterung der Gesellschaft reagieren. In seinem Abendvortrag zeichnete HERBERT LANGER (Greifswald) ein anschauliches und vielschichtiges Bild Pommerns nach dem Dreißigjährigen Krieg. Langer beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit den Auswirkungen des großen Krieges auf die Region, konnte dem Thema aber einmal mehr neue Facetten abgewinnen und erschloß mit der Auswertung von Kirchenbüchern bisher für diese Fragestellung ungenutzte serielle Quellen, um die Auf- und Abschwünge der Bevölkerungsentwicklung und die Integration von Neusiedlern darzustellen. Mit großem musikalischem Können und atmosphärischem Einfühlungsvermögen begeisterte im anschließenden Konzert das Mevius-Trio, in dem auch zwei Nachfahren David Mevius’ mitwirken. Die professionellen Musiker spielten Werke von Chopin, Beethoven und Schostakovitch.

Eingeleitet wurde die Konferenz am folgenden Tag im Stralsunder Rathaus mit einem Vortrag von EVA ORTLIEB (Wien). Unter dem Titel „Verliererjustiz? Der Reichshofrat und die Bewältigung kriegsbedingter Besitzveränderungen“ ging sie anhand von drei Beispielen der Frage nach, wie sich Adelige, die im Verlauf interner Kriege im Reich als Feinde des Kaisers ihre Territorien verloren hatten, vor der kaiserlichen Institution Reichshofrat gegen diesen Verlust zur Wehr setzten. Anhand der drei Fälle (Adolf Friedrich I. und Johann Albrecht II. Herzöge von Mecklenburg 1626-1635, Georg Friedrich Graf von Hohenlohe 1635-1648, Johann IV., Georg III. und Joachim Fürsten von Anhalt 1547-1568) lasse sich zeigen, dass „Kriegsverlierer“ nicht zögerten, vor dem Reichshofrat ihre Unschuld darzulegen und um Wiedereinsetzung in ihre Territorien zu bitten. Ein wichtiges Argument stellten die Rechte reichsständischer Familien dar, die der Kaiser unabhängig von etwaigem Fehlverhalten einzelner Mitglieder zu respektieren gehabt habe. Alle Betroffenen hätten Unterstützung in Form von Fürbittschreiben durch verwandte oder nahestehende Reichsstände mobilisiert. Der Reichshofrat habe in seinem Vorgehen rechtliche Überlegungen in den Vordergrund gestellt, aber auch politische Argumente berücksichtigt. In keinem Fall habe er ein Monopol bei der Regelung der Konflikte für sich in Anspruch nehmen können, an der auch der kaiserliche Geheime Rat sowie diplomatische Verhandlungen entscheidenden Anteil gehabt hätten.

NILS JÖRN (Wismar) analysierte dann in seinem Beitrag "Kriegsfolgenbewältigung am Wismarer Tribunal" die Einrichtungsphase des neuen Oberappellationsgerichts für die schwedischen Reichslehen. Er ging dabei auf die Pläne der schwedischen Großmacht zur Organisation des Gerichtswesens ein, charakterisierte die Gründungsgeneration des Gerichts und legte sein Augenmerk vor allem auf die Auswertung der erhalten gebliebenen Prozesse aus der Herrschaft Wismar, die seit 2003 in einem DFG-geförderten Inventarisierungsprojekt erschlossen werden. Jörn stellte fest, dass das Tribunal zu einem erheblichen Prozentsatz mit der Bewältigung direkter und indirekter Kriegsfolgen konfrontiert gewesen sei. So hätten die Richter zum Beispiel zu entscheiden gehabt, ob entlaufene Leibeigene an ihre früheren Besitzer auszuliefern seien oder wer für Pachtrückstände aufzukommen hatte, die während des Krieges entstanden waren. Anhand der ausgewerteten Fälle stellte er fest, dass über 80 Prozent der Prozesse in weniger als einem Jahr beendet und die Urteile dank der Militärpräsenz in den schwedischen Provinzen zuverlässig vollstreckt worden seien. Dies habe dazu beigetragen, dass wenige Jahre nach Kriegsende Rechtssicherheit in den Reichsnorden zurückkehrte, die Voraussetzung für ein Wiederaufblühen der zerstörten Provinzen gewesen sei.

Nach diesen Aspekten der Höchstgerichtsbarkeit untersuchte JANA ZIMDARS (Wien) in ihrem Vortrag am Beispiel Wismar, welche rechtlichen Möglichkeiten zur Kriegsfolgenbewältigung Bewohnern einer Garnisons- und Festungsstadt zur Verfügung standen. Dabei wies sie neben den städtischen Niedergerichten auch auf das Regimentsgericht, das Königliche Hohe Tribunal und auf die Möglichkeit hin, sich an das Spruchkolleg einer Universität zu wenden. Nach Einschätzung Zimdars machten im Vergleich zu den Militärpersonen vor allem die Bürger von den ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten in erheblichem Umfang Gebrauch. Zu den Gründen, nach einem Rechtsweg zu suchen, hätten vor allem wirtschaftliche Belastungen durch Kriegsschäden und Einquartierung sowie die Schuldenproblematik in Folge von Kriegsereignissen gezählt.

ENN KÜNG (Tartu) behandelte in seinem Vortrag das Gerichtswesen in den zwei wichtigsten schwedischen Ostseeprovinzen Est- und Livland im 17. Jahrhundert. Der Vortrag bestand aus zwei Teilen: zunächst ging es um den institutionellen Aufbau des Gerichtssystems und die Kompetenzbereiche der Gerichte, im folgenden um die in den Gerichten benutzten Rechtsnormen. Die rechtliche Stellung der beiden Provinzen im schwedischen Staat sei verschieden gewesen. Estland, die älteste Außenprovinz des Reiches, habe sich 1561 freiwillig (per pacta) der Krone Schweden unterstellt. Livland dagegen sei zu Beginn des 17. Jahrhunderts in den Kriegen von Polen erobert und mit Waffen (iure belli) an den schwedischen Staat angegliedert worden. Die unterschiedliche staatsrechtliche Stellung habe maßgeblichen Einfluss auf die Form der lokalen Rechtsordnung ausgeübt.

Den Blick auf den Namenspatron der Gesellschaft richteten dann erneut die beiden folgenden Beiträge. CHRISTOPH SCHMELZ (Berlin) widmete sich in seinem Vortrag „David Mevius und sein Beitrag zum Internationalen Privatrecht“ dem dogmatischen Impetus von David Mevius zur Lösung grenzüberschreitender Rechtsverhältnisse. Auch Mevius lasse sich in die Reihe der Vertreter der Statutentheorie im Deutschland des 17. Jahrhunderts einordnen. Zugleich habe aber Mevius mit seinen Ausführungen zum Internationalen Privatrecht einen weiteren wichtigen Baustein im Rahmen der Entwicklung des Werdens nationaler Internationalprivatrechte geliefert. Einen Beitrag hin zur Schaffung „länderübergreifender“ juristischer Regeln bei Vorliegen eines „Auslandssachverhalts“ und schließlich der Einmündung in die von Friedrich Carl von Savigny im VIII. Band seines opus magnum „System des römischen Rechts“ postulierte „Herrschaft von Rechtsregeln über die Rechtsverhältnisse“.

Um Kriegsfolgenbewältigung im Werke David Mevius’ ging es im Vortrag von NILS WURCH (Freiburg). In seiner 1653 in erster Auflage erschienenen Discussio levaminum inopiae debitorum, prout ea cum justo moderamine in terris bello deperditis inter obrutos aeris alieni mole debitores et suum exigentes creditores temperari et applicari per justitiae aequitatisque rationem convenit nimmt Mevius ausführlich und dezidiert dazu Stellung, wie auf die durch den Krieg entstandene Not durch Modifikationen in der Rechtsanwendung zu reagieren sei. Anhand einzelner Gesichtspunkte aus dem Recht der Bürgschaft nun untersuchte Wurch die Argumentation Mevius’ im Spannungsfeld von gemeinem Recht einerseits und den von ihm in seinen Commentarii in Jus Lubecense (1642/43) geäußerten Rechtsauffassungen andererseits, soweit sich dort Unterschiede ergeben. Konkret seien es nun verschiedene Instrumente des gemeinen Rechts, die in der Behandlung der aus dem Elend in den terris bello deperditis erwachsenden Rechtsprobleme vermehrt zur Anwendung zu bringen seien.

BERND KANNOWSKI (Freiburg) sprach über das Werk des Hugo Grotius, der für die Rechtswissenschaft seiner Zeit wegbereitend war. So habe er auch für Mevius bei seinem unvollendeten Plan, eine universale Rechtswissenschaft darzulegen,eine Vorbildfunktion eingenommen. Kannowski skizzierte Grotius’ weiten Begriff von Krieg und dessen Konsequenzen für die zentrale Rolle des Friedens, den Grotius facettenreich behandele. Auch wenn Grotius berühmt dafür geworden sei, ein säkulares Naturrechtssystem entworfen zu haben, dürfe nicht übersehen werden, dass Gott durchaus in seinem Werk vorkommt. Gerechtigkeit könne der Weisheit letzter Schluss nicht sein. Die dem Menschen eigene Fähigkeit zur Treue (fides) hingegen vermöge alle Fragen zu beantworten.

Der Vortrag von DIRK SCHLEINERT (Magdeburg) trug den Titel „So kan Ich doch bey dieser hochbeschwerlichen undt Geldt klemmenden Zeit kein einig Mittel finden. Krieg und Kredit im Leben des vorpommerschen Adels im 17. Jahrhundert am Beispiel der Familie von Wackenitz auf Trissow“. Die Familie von Wackenitz habe zu den zahlreichen kleineren grundbesitzenden adligen Familien in Vorpommern gehört. Im Dreißigjährigen Krieg sei ihr Besitz schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. Beim Wiederaufbau habe sich insbesondere der fast vollständige Verlust des Untertanenverbandes und damit der dringend benötigten Arbeitskräfte erschwerend ausgewirkt. Ein zweiter Aspekt habe die Situation verschärft. Bereits vor dem Dreißigjährigen Krieg hätten die Besitzer des Gutes bei verschiedenen Gläubigern Geld geliehen, das bei Ausbruch des Krieges noch nicht zurück gezahlt und nun zuzüglich der aufgelaufenen Zinsrückstände eingefordert worden sei. Der ökonomische und demographische Tiefpunkt der Entwicklung schließlich sei am Ende des schwedisch-brandenburgischen Krieges um 1680 erreicht worden. Nur durch geschickte Anwendung des Lehnrechts sei es gelungen, in dieser Situation den Besitz vor dem vollständigen Zugriff der Gläubiger zu schützen. Am Ende des 17. Jahrhunderts hätten zwar einige der wichtigsten Altforderungen beglichen werden können, aber die nicht bezahlten Schulden mit den für Altschuldentilgung notwendigen neuen Kreditaufnahmen hätten eine weiterhin angespannte finanzielle Lage verursacht, die schließlich 1737 zur Zwangsversteigerung des Gutes führte, nachdem bereits in den Jahrzehnten zuvor Teile des Grundbesitzes zur Schuldentilgung veräußert worden seien.

Den Einfluss der letzten ostseeweiten Pestepidemie während des Großen Nordischen Krieges auf die Tätigkeit des Tribunals stellte CARL CHRISTIAN WAHRMANN (Rostock) dar. Im Mittelpunkt der Ausführungen stand die Frage, woher das Tribunal seine Informationen über die Verbreitung der Pest bezog und in welcher Weise es diese an auswärtige Obrigkeiten und die Wismarer Bevölkerung weitergab. Wahrmann zeigte die dominierende Rolle des Tribunals im städtischen Machtgefüge. Wismarer Rat und Vizegouverneur hätten den Assessoren verschiedentlich Informationen zugetragen. Erfolgreich setzten sie diese in der auswärtigen Korrespondenz gegenüber Fürsten, Landesregierungen und Gesandten ein. Durch Dementi, bewusstes Verschweigen brisanter Einzelheiten aber auch den Einsatz statistischer Erhebungen sei Wismar mehrfach vor einem Handelsboykott durch die Nachbarn bewahrt worden. Auch die Stationierung pestverdächtiger schwedischer Soldaten habe gemildert werden können.

Ganz dem 400. Geburtstag von David Mevius gewidmet war der Vormittag des 6. Dezembers. Seiner wurde in einem Festgottesdienst in der Winterkirche von St. Nikolai, Wismar gedacht. Die im Lebenswerk Mevius’ zu erkennende „Idee von Recht“ war ein zentraler Gedanke der Predigt von Pfarrer Roger Thomas.

Im Anschluss präsentierten der Vereinsvorsitzende Dr. Nils Jörn und der Restaurator Andreas Mieth das restaurierte Epitaph für David Mevius in St. Nikolai zu Wismar, eines der größten, schönsten und kunsthistorisch wertvollsten Grabdenkmäler Europas. Dies stellte insofern den Höhepunkt der Tagung dar, als die Gesellschaft sich seit ihrer Gründung Ende 2004 um Spenden für die Wiederinstandsetzung des Epitaphs bemüht hatte. Die Teilnehmer des Festgottesdienstes, zu denen auch zahlreiche Vertreter des belgischen Zweiges der Familie Mevius gehörten, die sich neben zahlreichen anderen Spendern tatkräftig für die 100.000 Euro teure Restaurierung eingesetzt hatten, waren von der restauratorischen Leistung begeistert, die dafür sorgen wird, die Erinnerung an die Lebensleistung David Mevius’ wachzuhalten.

Mit zwei Buchvorstellungen wurde dann der inhaltliche Teil der Tagung fortgesetzt, in dem vor allem laufende oder gerade abgeschlossene Forschungsprojekte vorgestellt wurden. SASCHA OTT (Greifswald) stellte den jüngsten, 5. Band der Schriftenreihe der David-Mevius-Gesellschaft vor, seine Dissertation zur Rechtsprechung des Greifswalder Oberappellationsgerichts in Strafsachen zwischen 1815 und 1849. Diese Arbeit untersucht die Entwicklung des Strafrechts und Strafverfahrensrechts in Neu-Vorpommern, der ehemals schwedischen Provinz, die auch nach dem 1815 vollzogenen Übergangs an Preußen einen gewissen Sonderstatus in Rechtsfragen behalten habe.

HELMUT BACKHAUS (Stockholm) stellte zwei neu erschienene Bände mit einer Auswahl von Briefen des schwedischen Reichskanzlers Axel Oxenstierna aus den Jahren 1636-1654 vor. Damit ist endlich eine Lücke in der grossen schwedischen Oxenstiernaedition geschlossen worden. Herr Backhaus erläuterte auch kurz die seit einigen Jahren im Internet zugängliche Datenbank mit Oxenstiernabriefen sowie sechs elektronische Texteditionen. Es handelt sich dabei um Briefe des schottischen Offiziers James Spens, des niederländischen Juristen Jan Rutgers und des schwedischen Hofkanzlers Johan Adler Salvius an Oxenstierna sowie den Briefverkehr zwischen Königin Christine und Oxenstierna.

MICHAEL BUNNERS (Wismar) stellte den von den Advokaten am Tribunal gestifteten Leuchter für die 1944 durch Bomen zerstörte, 1960 schließlich gesprengte Wismarer Marienkirche in seinen vielfältigen theologischen, historischen und kunsthistorischen Bezügen vor. Der Leuchter ist heute in der Wismarer Heilgeistkirche zu besichtigen.

ANDREAS HARALD AURE (Berlin) sprach über „Konrad Friedlieb von Friedensberg – ein streitbarer Jurist in Greifswald – beleuchtet durch seine Theorie des Gewohnheitsrechts“. Exosus mundo, carus Deo (Gehaßt von der Welt, geliebt von Gott) bezeichnete Friedlieb sich in seiner Grabinschrift. Aure ging in seinem Beitrag auf den Widerstand gegen Friedlieb an der juristischen Fakultät Greifswald ein. In den Begründungen hätten die Fakultätsmitglieder häufig wiederholt, dass Friedlieb nicht nur eigensinnig und streitsüchtig gewesen sei, sondern auch gegen die juris principia gelehrt habe. Dies werfe die Frage auf, inwiefern seine Lehre zu Gunsten des modernen Naturrechts und dessen Staatsrechtslehre dem überlieferten römischen Recht widerspräche. Aure zeichnete die Debatte über Friedliebs Gewohnheitsrechtstheorie aus dem Jahre 1671-72 nach, an der sich die Universitäten in Frankfurt an der Oder und Helmstedt durch Abfassung von Gutachten beteiligt hätten, und wertete sie aus.

VOLKER ARNKE (Osnabrück) zeichnete unter dem Titel „De Pace In Genere. Frieden in der römisch-deutschen Jurisprudenz zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges“ ein Bild von rechtswissenschaftlichen Arbeiten zum Frieden im Vorfeld von 1648 und konzentrierte sich dabei auf das Werk ‚de pace in genere‘ (erschienen 1629, 1632 und 1640) des Wittenberger Rechtswissenschaftlers Nicolaus Schaffshausen. Hierbei stellte er heraus, dass es neben den bekannten völkerrechtlichen Ausführungen zu Friedensverträgen, zum Beispiel eines Hugo Grotius, eine Fülle von Schriften im Römisch-Deutschen Reich gegeben hat, die vor dem Hintergrund des um 1600 aufkommenden ius publicum imperii-romano-germanici entstanden seien. Jene skizzieren einen Friedensbegriff, der zunächst etymologisch hergeleitet und anschließend auf die spezifische Reichssituation zur Zeit des 30jährigen Krieges projiziert werde. Diese Friedensschriften der römisch-deutschen Jurisprudenz ließen sich damit der Reichspublizistik zuordnen, die eine Diskussion um die Verortung der Macht zwischen Kaiser und Reichsständen geführt habe.

TOBIAS BARTKE (Osnabrück) sprach abschließend über „Juristisches Wissen und politische Praxis. Frieden als Ordnungsziel in Schweden um 1600“. Ausgehend von dem Befund, dass die Zeit um 1600 von den schwedischen Ständen als eine Epoche des inneren Unfriedens wahrgenommen worden sei, versuchte Tobias Bartke in seinem Vortrag die Funktion von Frieden für den Aufbau des frühneuzeitlichen schwedischen Staates herauszuarbeiten. Der Fokus lag auf den von Karl IX. initiierten Bemühungen um eine zeitgenössische Reform des mittelalterlichen landslags. Trotz des von allen beteiligten Akteuren akzeptierten Konsens, dass die dauerhafte Wahrung des Friedens und der Ordnung einer Reform der alten Gesetzessammlung bedürfe, seien die beiden Gesetzgebungskommissionen gescheitert, da sie sich auf unterschiedliche Rechtsvorstellungen berufen hätten. Die von adliger Seite vertretene Auffassung, allein die schwedische Rechtstradition könne Basis für neue „Grundgesetze“ sein, habe im diametralen Gegensatz zu den Vorstellungen des Königs gestanden, der versucht habe, „moderne“ aus dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation abgeleitete Rechtsvorstellungen zu implementieren. Dennoch habe der Frieden das zentrale Argument innerhalb der Reformdebatte gebildet; habe diese sogar konturiert und könne daher als prägend für die Reformbemühungen sowie die schwedische Innenpolitik am Beginn des 17. Jahrhunderts angesehen werden.

Insgesamt wurde die abwechslungsreiche Konferenz, die Raum ließ für eine gründliche Diskussion vieler interdisziplinärer Aspekte, eingerahmt durch ein schönes und angemessen feierliches Programm. Krieg und seine Bewältigung, Not und ihre Linderung - die Reaktionen des Rechts auf kriegsbedingtes Elend haben durch die gewinnbringende Tagung eine gründliche Behandlung aus vielen, sich ergänzenden Blickwinkeln erfahren.

Konferenzübersicht:

Sektion I: Tagungseröffnung

Grußworte: Justizministerin des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Frau Uta-Maria Kuder, und Jürgen Kohler im Namen der Juristischen Fakultät der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald

Herbert Langer (Greifswald): Pommern nach dem Dreißigjährigen Krieg

Konzert des Mevius-Trios (Belgien)

Sektion II: Kriegsfolgenbewältigung durch Recht und Verhinderung von Krieg durch Recht

Eva Ortlieb (Wien): Verliererjustiz? Der Reichshofrat und die Bewältigung kriegsbedingter Besitzveränderungen

Nils Jörn (Wismar): Kriegsfolgenbewältigung am Wismarer Tribunal

Jana Zimdars (Wien): Rechtliche Versuche zur Kriegsfolgenbewältigung in der Stadt Wismar (1632-1716)

Enn Küng (Tartu): Das Gerichtswesen in den schwedischen Ostseeprovinzen Est- und Livland im 17. Jahrhundert

Christoph Schmelz (Berlin): David Mevius und sein Beitrag zum internationalen Privatrecht

Nils Wurch (Freiburg): „Fidejussorum misera hodierna conditio“ – Ein Beispiel der Kriegsfolgenbewältigung im Werke Mevius’

Bernd Kannowski (Freiburg): Recht als Kriegsfolgenbewältigung im Werk des Hugo Grotius

Dirk Schleinert (Magdeburg): „So kan Ich doch bey dieser hochbeschwerlichen undt Geldt klemmenden Zeit kein einig Mittel finden.“ Krieg und Kredit im Leben des vorpommerschen Adels im 17. Jahrhundert am Beispiel der Familie von Wackenitz auf Trissow

Carl Christian Wahrmann (Rostock): Das Wismarer Tribunal und die Pestgefahr im Großen Nordischen Krieg. Strategien zur Bewältigung einer Krise (1708-1713)

Festgottesdienst zum 400. Geburtstag David-Mevius’ mit anschließender Präsentation des restaurierten Epitaphs für Mevius

Sektion III: Projekt- und Buchvorstellungen

Till Sascha Ott (Greifswald): „Die Rechtsprechung des Greifswalder Oberappellationsgerichts in Strafsachen (1815-1849). Zur Entwicklung des Strafrechts und des Strafverfahrensrechts in Neu-Vorpommern“ (Buch)

Helmut Backhaus (Stockholm): „Axel Oxenstiernas brev etc. 1636-1654“ (Buch)

Michael Bunners (Wismar), Der Leuchter der Advokaten am königlichen Tribunal

Sektion IV: Frieden durch Recht, Konflikte um das Recht

Andreas Harald Aure (Berlin): Konrad Friedlieb von Friedensberg – ein streitbarer Jurist in Greifswald

Volker Arnke (Osnabrück): De Pace In Genere. Frieden in der römisch-deutschen Jurisprudenz zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges

Tobias Bartke (Osnabrück): Juristisches Wissen und politische Praxis. Frieden als Staatsziel in Schweden um 1600


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