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Die italienischsprachige Welt hatte bereits Anfang des 20. Jahrhunderts Zugriff auf ausgewählte Texte des deutschen Soziologen. Ende der 1950er-Jahre sorgte eine bis heute andauernde Übersetzungswelle für die Komplettierung des Weberschen Werkes auf Italienisch. Dennoch: Die Rezeption Max Webers in Italien erscheint nach wie vor als Forschungslücke.[1] Der Direktor des DHI, *Michael Matheus* (Rom), erinnerte bereits in seinem Grußwort an Max Webers römischen Aufenthalt von 1901 bis 1903, kurz vor Erscheinen der _Protestantischen Ethik_. Auch wenn Max Weber damals mit einer nervlichen Krise und einem geschwächten Körper zu kämpfen hatte, trug möglicherweise nicht nur die Sonne Italiens zur baldigen Besserung bei. 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Daran habe auch die frühzeitige Übersetzung der _Römischen Agrargeschichte_ und die Textauswahl Robert Michels aus _Wirtschaft und Gesellschaft_ nichts ändern können.[2] Die Abwesenheit Max Webers auf dem Gebiet der italienischen Philosophie bis in die 1950er-Jahre hinein erklärte Pietro Rossi durch ein innerphilosophisches Rezeptionsproblem: Für die deutsche Philosophie seien vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg zwei Strömungen charakteristisch gewesen: Die Zurückweisung des Positivismus, insbesondere auf soziologischem Gebiet, und die Verbreitung des Neokritizismus. In dieses geistige Klima sei die Diskussion um die Philosophie der Normen und Werte getreten, aus der Max Weber das theoretische Paket seiner Methodologie zusammenschnürte. Doch weder Croce noch Gentile teilten diese Zeitströmungen aus Deutschland, so Rossi. Sie lehnten vielmehr die Etablierung der Soziologie als empirische Gesellschaftswissenschaft ab und begründeten ihren Kampf gegen den Positivismus nicht mit den theoretischen Grundlagen Kants, sondern Hegels. Während sich Gentile damit begnügte, die Debatte um die Werturteilsfreiheit zu ignorieren, habe Croce bis 1910 die Zulässigkeit von Werturteilen in sozialwissenschaftlichen Aussagen mit der Hegelschen Theorie des Geistes zu legitimieren versucht. Die Krise des Idealismus in der unmittelbaren Nachkriegszeit, so Rossi, hätte eine breite Weberrezeption in Italien ermöglichen können, doch seien ausländische Denker wie Jaspers oder Heidegger bevorzugt übersetzt worden. Erst die Weber-Interpretation Talcott Parsons, dessen _The structure of social action_ 1962 ins Italienische übersetzt wurde, brachte eine langsame Rezeption Max Webers in Gang. Rossi setzte aus vielen Details die Rezeptionsgeschichte Webers in Italien zusammen und zeigte, wie eng diese letztlich mit der Etablierung der Soziologie als eigenständige Disziplin verknüpft blieb. Erst 1954 rechtfertigte Abbagnano auf einer Tagung in Bologna die Soziologie als von der Philosophie unabhängige Wissenschaft, 1961 wurden die italienischen „Klassiker der Soziologie“ mit einer Übersetzung von _Wirtschaft und Gesellschaft_ eingeweiht. 1982 komplettierte die Übersetzung der _Religionssoziologie_ das theoretische Rüstzeug einer neuen Generation von Soziologen, die sich bis dahin längst mit _Wissenschaft als Beruf_ und _Politik als Beruf_ auseinandergesetzt hatten. Der italienischen Philosophie blieb der deutsche Soziologe jedoch fremd – eine Auseinandersetzung mit Webers Texten wurde vermieden. Dieses „Fremdeln“, so Rossi, gehe auf die Gegner einer emanzipierten Soziologie zurück, auf die Anhänger des Idealismus und auf das marxistische Lager. *Alessandro Cavalli* (Pavia), Soziologe und Präsident der Vereinigung Associazione „Il Mulino“, hob Max Webers Rezeption in der italienischen Soziologie im Zuge seines Vortrags auf drei Analyseebenen: Die Präsenz Max Webers in der italienischen Soziologie lasse sich an den Arbeiten italienischer Autoren ablesen, die sich mit Max Weber beschäftigt haben. An zweiter Stelle stünden die Untersuchungen, die sich explizit mit den theoretischen Grundlagen und den Hypothesen Max Webers auseinandersetzen und an dritter Stelle die Forschungszweige, die sich zwar nicht mehr ausdrücklich auf das Gedankengebäude Max Webers rückbezögen, der Einfluss des deutschen Soziologen jedoch deutlich zu erkennen sei. Zur ersten Analyseebene zitierte Cavalli die Weber-Studien, die in den letzten 15 Jahren erschienen sind. Von Francesco Tuccari, der sich mit den Begriffen Macht und Herrschaft auseinandersetzte, bis hin zu den 2006 erschienenen Ausführungen von Sandro Segre, der sich mit der Untersuchung der Finanzmärkte und der ökonomischen Gruppen in Webers Werk beschäftigt hat. Daran werde deutlich, dass unter den soziologischen Klassikern Max Weber, und in gewisser Weise auch Georg Simmel, beachtliche Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Diese Anziehungskraft auf die italienischen Soziologen sei von Durkheim, Marx oder Pareto nicht ausgegangen. „Weberianer“ suche man in Italien jedoch vergeblich, womit die zweite Ebene der Weberrezeption in Italien kurz abzuhandeln sei. Einzig Luciano Cavalli, der sich mit Webers Religionssoziologie auseinandersetzte und 1981 ein Werk zur charismatischen Herrschaft veröffentlichte, könne in den Kreis der Gefolgsleute aufgenommen und gemeinsam mit dem bereits erwähnten Sandro Segre als „Weberianer“ etikettiert werden. Dem Faktum, dass sich nur wenige italienische Wissenschaftler explizit mit Webers Theorien auseinandergesetzt haben, stellt Cavalli das Phänomen eines eher diffusen Einflusses Max Webers auf die Soziologie in Italien gegenüber. Eher implizit sei die Präsenz Webers zu spüren, was den deutschen Soziologen umso relevanter mache. Die Ausführungen Cavallis ließen den Eindruck entstehen, als sei Webers Methodologie wie ein Nieselregen auf die italienische Soziologie niedergegangen. Insbesondere die Untersuchungen zu Sozialen Bewegungen, wie sie etwa von Francesco Alberoni betrieben und von Alberto Melucci fortgeführt wurden, seien von Webers Gedankengut infiltriert worden. Dies werde nach Cavalli unter anderem in der Analyse des Institutionalisierungsprozesses und der Benutzung des Charisma-Begriffs deutlich. Auch Alessandro Pizzorno, der sich um die soziologische Untersuchung der Politik verdient gemacht habe, teile Webers Vorstellung von „sozialem Handeln“, lehne sich an Webers Konzept der „Gesinnungsethik“ sowie Webers Unterscheidung zwischen materiellen und ideellen Interessen an, die sich in wertrationalem, beziehungsweise zweckrationalem Handeln niederschlagen. Abschließend ging Cavalli auf die Untersuchungen der Raum- und Entwicklungssoziologie ein, wie sie von Arnaldo Bagnasco und Carlo Trigilia betrieben wurden. In der Analyse der sozialen, ökonomischen und politischen Strukturen sowie dem sozio-historischen Ansatz sei die „Webersche Färbung“ offensichtlich. Cavalli zog daraus das Fazit, dass Max Webers Einfluss über die direkte Beschäftigung mit seinem Werk hinausgeführt habe, Weber fast schon geistig vorausgesetzt und aus diesem Grund von den hier genannten Autoren nicht mehr ausdrücklich zitiert werde. Hier zeige sich die kontinuierliche Präsenz und die Aktualität des Klassikers. Den Voraussetzungen, also der _Kenntnis Max Webers in Italien von 1906 -1948_, widmete sich der schriftliche Beitrag von *Innocenzo Cervelli* (Venedig). Cervelli betrachtete die italienische Weberrezeption unter anderem vor dem Spiegel ideologischer Positionen. Er berichtete von dem paradoxen Zusammenspiel unterschiedlicher Faktoren, die dafür sorgten, dass die _Protestantische Ethik_, deren Übersetzung in einem antifaschistischen Milieu angefertigt wurde, 1931 in einer der repräsentativsten Zeitschriften des Faschismus erschienen sei. Pietro Burresi, der Übersetzer der _Protestantischen Ethik_, hatte sich vier Jahre zuvor das Leben genommen, da er das erdrückende Klima des Faschismus nicht mehr ertragen konnte. Erst die Studie Carlo Antonis von 1938, die erste Buchveröffentlichung der _Protestantischen Ethik_ und die Herausgabe von _Wissenschaft als Beruf_ mit den einleitenden Ausführungen von Ernesto Sestan und Delio Cantimori, legten den Grundstein für eine ernstzunehmende Auseinandersetzung mit dem Werk Max Webers. Nach diesen disziplinbezogenen Beobachtungen wurde der Blick im zweiten Teil des Studienseminars auf spezielle Interpretationen der Weberschen Theorie gerichtet. *Christoph Cornelißen* (Kiel) erläuterte die Weberinterpretation seines akademischen Lehrers Wolfgang Mommsen, ohne dem Herausgeber der Max-Weber-Gesamtausgabe dabei ein Denkmal zu setzen. Vielmehr wurde seiner Person und dem wissenschaftlichen Werk zu Max Weber bei der römischen Tagung gedacht – auch Pietro Rossi ging auf persönliche Erlebnisse und Kontakte zu Wolfgang Mommsen ein. Cornelißens kritische Würdigung richtete sich auf Mommsen als Repräsentanten einer Historikergeneration, die seit den 1960er-Jahren die Theorie Max Webers in der nationalen sowie internationalen Wissenschaft richtungweisend zu vermitteln wusste. Nach der Verortung Mommsens im familiären Milieu, wo die Grundlagen seines politischen Verständnisses als liberal denkender Bildungsbürger gelegt wurden, skizzierte Cornelißen Mommsens akademische Karriere, die mit seiner vielbeachteten und vieldiskutierten Dissertation _Max Weber und die deutsche Politik_ erfolgreich begonnen hatte. Mommsen, der Webers theoretische Aussagen vor dem Hintergrund der sozio-politischen Situation des Kaiserreichs interpretierte, ihn als Befürworter der deutschen Weltmachtpolitik und Theoretiker einer plebiszitären Führerherrschaft deklarierte und insbesondere die ambivalenten Züge seines Werkes zu entlarven versuchte, sei der Vorwurf gemacht worden, methodisch unsauber gearbeitet zu haben. So empfanden etablierte Weberforscher wie Guenther Roth oder Karl Loewenstein es als unzulässig, Max Webers Aussagen in der Funktion eines Gelehrten mit jenen in der Rolle des Politikers gleich zu setzen. Dass Mommsen Webers Konzept der „plebiszitären Führerdemokratie“ samt seiner eigenen Interpretation des Charisma-Begriffs in einen ideenmäßigen Zusammenhang mit der Entstehung des nationalsozialistischen Führerstaates gebracht hatte, widerstrebte den „Weberianern“, die zum westdeutschen Weber-Mythos der 1950er-Jahre beigetragen hatten. Demgegenüber verteidigten unter anderem Jürgen Habermas und Raymond Aron auf dem Heidelberger Soziologentag 1964 Mommsens Thesen und begrüßten insbesondere die entmythologisierende Funktion seines Buches. Das Erstlingswerk Wolfgang Mommsens hatte eine Debatte ausgelöst, die die westdeutsche Nachkriegssoziologie nachhaltig prägte. Mommsen habe Webers Kategorien jedoch nicht explizit auf seine eigene Geschichtsschreibung appliziert, sondern eher so verwendet, dass er Weber als Kritiker und Kommentator zeitgenössischer Probleme zitierte. Demnach, so Cornelißen abschließend, stecke „viel Weber in Mommsen“. In der nachfolgenden Diskussion wurde unter anderem Mommsens Anspruch reflektiert, die Geschichtswissenschaft als eine „historische Sozialwissenschaft“ zu verstehen, ohne sie zur „Soziologischen Hilfswissenschaft“ werden zu lassen. Die zeitgenössische Generation der Geschichtswissenschaftler müsse, von Mommsens Warte aus betrachtet, mit dem Vorwurf leben, im öffentlichen Diskurs kaum präsent gewesen zu sein und auf gesellschaftspolitischer Ebene mit Abwesenheit geglänzt zu haben. Die Tradition des „public intellectual“, die von Max Weber gelebt worden sei, scheine sich mit Wissenschaftlern wie Wolfgang Mommsen langsam aus der Geschichtswissenschaft zu verabschieden – so der Tenor einiger Diskussionsbeiträge. *Gian Enrico Rusconi* (Turin) wandte sich im Anschluss dem Weberschen Konzept des Abendlandes zu. _Nur im Okzident_, so Webers Entdeckung, könnten rationale Wissenschaften „Wahrheiten“ produzieren und beweisen – Wahrheiten, die als solche akzeptiert würden und universellen Wert besäßen. Es wundere, so Rusconi, dass in der gegenwärtigen Debatte um Werte und Traditionen des Westens die Überlegungen Max Webers nur unzureichend reflektiert würden und sich die Diskussionen meist im Wiederholen der Weberschen Schlagwörter erschöpften. Was sei der Sinn der Wissenschaft und wie passten Religion und Wissenschaft zusammen? Was bedeute es für eine Kultur des Okzidents, wenn der Prozess der Rationalisierung in jegliche Bereiche vorgedrungen sei? Max Weber habe, so Rusconi, auf diese Fragen Antworten zu bieten, die durch Komplexität überzeugten: Dem „höchst Verschiedenen“ des okzidentalen Rationalismus versuche Weber gerecht zu werden, um die Rationalisierung in den diversen kulturellen Lebensräumen aufzuspüren. Demnach könne der Okzident als ein historisch-geographischer Ort bezeichnet werden, an dem der Prozess der Rationalisierung vollendet sei, ein Ort, der auf progressive Weise zum Paradigma geworden sei. Rusconi begleitete seine Ausführungen mit dem Hinweis, dass sich gerade bei Webers Konzept des Okzidents Schwierigkeiten in der italienischen Übersetzung zeigten, die berücksichtigt werden müssten. Beispielsweise könne das Wort „innerweltlich“ im Italienischen nur schwer wortwörtlich als „intramondano“ bezeichnet werden, was esoterisch klinge und der Intention Webers nicht entsprechen würde. „Innerweltlich“ als „immanent“, säkularisiert oder gar als „laizistisch“ zu übersetzen, berge hingegen eine Interpretation, die in erster Linie der subjektiven Lesart des Weberschen Textes entspringe. Wie Weber in einer der ältesten Universitätsstädte Europas rezipiert wurde, analysierte *Paolo Pombeni* aus Bologna. Sein Blick fiel dabei vor allem auf das Institut für Politik- und Sozialwissenschaften. Pombeni fokussierte aber auch die Gruppe der „Mulinisti“, die das Milieu um das Verlagshaus „Il Mulino“ prägten und in der gleichnamigen Zeitschrift zentrale intellektuelle Debatten führten. Auch hier blieb Max Weber lange Zeit unentdeckt. Bis in die 1980er-Jahre stellte der Artikel Franco Ferrarottis _Die Absicht Max Webers_, der 1964 in der Verlagszeitschrift erschien, die einzige Auseinandersetzung mit dem deutschen Soziologen dar. Jedoch hatte die Debatte um die Krise der Weimarer Republik in Italien 1978, am dreißigsten Geburtstag der italienischen Verfassung, eine generelle Diskussion ausgelöst und in der Krise der italienischen Politik eine mögliche Parallele gesehen. Demnach hätten sich die Kritiker in erster Linie auf Max Webers Schrift _Politik als Beruf_ bezogen. Die Auseinandersetzung mit Weber, die von Carl Schmitt, Walther Rathenau und Otto Kirchheimer vorangetrieben wurde, stimulierte das Interesse der italienischen Politikwissenschaftler. Eine Neuauflage von _Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland_, erschienen 1982, wurde als gewinnbringende Lektüre empfohlen. In den folgenden Jahren bemühte sich das Verlagshaus „Il Mulino“ um die Sekundärliteratur zu Max Weber und brachte nach und nach Standardwerke ausländischer Wissenschaftler (von Wolfgang Schluchter, David Beetham bis Wolfgang Mommsen und Dirk Kaesler) auf den italienischen Markt. Die „zweite Generation“ am politikwissenschaftlichen Institut in Bologna machte sich dieses Wissen zu Eigen und wählte Webersche Themen als Forschungsschwerpunkte. Als Beispiel sei vor allem die Studie des jungen Politikwissenschaftlers Furio Ferraresi zu nennen, der sich mit der Geschichte politischer Doktrinen auseinandergesetzt und Webers Konzept der „Vergemeinschaftung“ aufgearbeitet habe. *Wolfgang Schieder* (Köln) zeigte in seinem Beitrag „Max Webers Charismatische Herrschaft und die Deutungen des Faschismus in Italien“, wie das Webersche Konzept für die italienische Forschung genutzt werden könnte. Während in Deutschland unter anderem von Hans-Ulrich Wehler der Nationalsozialismus als Fall „Charismatischer Herrschaft“ interpretiert worden sei, diskutierten die italienischen Faschismusforscher auf politisch-parteilicher Ebene und vernachlässigten den methodischen Ansatz des soziologischen Herrschaftsmodells. Mussolinis Diktatur als Beispiel einer Charismatischen Herrschaft zu untersuchen, sei durchaus fruchtbar, wie Schieder in fünf Punkten zu skizzieren wusste. Die von der Forschung gut untersuchte Konstruktion ideologischer Grundmuster, die Sakralisierung von Riten oder etwa die Monumentalisierung des Städtebaus könnten, so Schieder, auch als Strategien interpretiert werden, die, im Weberschen Sinne, der „Veralltäglichung“ des politischen Charismas Mussolinis dienten. Die Anerkennung des charismatischen Führers durch die Beherrschten – bei Weber Grundvoraussetzung für den Fortbestand des Systems –, die Versuche des Regimes, eine spezifische Männlichkeitskultur beziehungsweise ein neues Frauenbild zu etablieren, sowie die Erfindung faschistischer Erinnerungskulturen dürften in diesem Sinne verstanden werden. Auch wenn Weber bei der Entwicklung seines Modells parlamentarisch-demokratische Regierungssysteme im Blick hatte und es seiner Intention fern lag, die charismatischen Grundlagen autoritär-faschistischer Systeme zu untersuchen, könnten seine Überlegungen dennoch der italienischen Faschismusforschung als methodische Anregung dienen. Die Diskussionen während der Tagung zeigten viele neue Fragenkomplexe auf: Es wäre interessant herauszufinden, so Wolfgang Schieder, warum Carl Schmitt in Italien erfolgreich rezipiert wurde, während die Rezeption des protestantischen Max Weber nur zäh von statten ging. Auch die Feststellung Rusconis, dass eine konfessionslose Religionssoziologie in Italien unmöglich sei, kann als Begründung für die späte Entdeckung der Weberschen Religionssoziologie in den 1980er-Jahren nur vorläufig genügen. So blieb es am Ende der Tagung bei dem Fazit: Viel Weber in Italien, aber eine langsame, gewundene oder gar verpasste Rezeption seiner Texte. Ein Desiderat, das von einer jungen Forschergeneration aufgearbeitet werden sollte. Anmerkungen: [1] Vergleiche Borchardt, Knut;Ay, Karl-Ludwig, Das Faszinosum Max Weber. Die Geschichte seiner Geltung, Konstanz 2006. Hier wird die Rezeptionsgeschichte des Weberschen Werkes in der spanischsprachigen Welt, in Deutschland, Amerika oder etwa Bulgarien nachgezeichnet. Max Webers Rezeption in Italien hingegen fehlt. 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Max Weber in Italien. Die Rezeption seines Werks nach 1945

Max Weber in Italien. Die Rezeption seines Werks nach 1945

Organisatoren
Deutsches Historisches Institut
Ort
Rom
Land
Italy
Vom - Bis
09.11.2006 - 10.11.2006
Url der Konferenzwebsite
Von
Silke Schmitt, Deutsches Historisches Institut

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Der Direktor des DHI, Michael Matheus (Rom), erinnerte bereits in seinem Grußwort an Max Webers römischen Aufenthalt von 1901 bis 1903, kurz vor Erscheinen der Protestantischen Ethik. Auch wenn Max Weber damals mit einer nervlichen Krise und einem geschwächten Körper zu kämpfen hatte, trug möglicherweise nicht nur die Sonne Italiens zur baldigen Besserung bei. Vielmehr könnten sich auch die interessanten Gesprächspartner, wie der protestantische Geschichtswissenschaftler Johannes Haller, Karl Schellhass, ein Jugendfreund Max Webers, der sich mit der Gegenreform beschäftigte oder etwa Aloys Schulte, der damalige Direktor des „Königlich-Preußisch-Historischen Instituts“ und Spezialist für Erscheinungsformen des Frühkapitalismus positiv gewirkt haben.

Es wäre nicht uninteressant zu wissen, so Lutz Klinkhammer (Rom) in seinen einführenden Bemerkungen, was Max Weber in intellektueller Hinsicht aus Rom mit nach Heidelberg nahm, wo er im April 1902 erneut eintreffen sollte. Das Studienseminar am Deutschen Historischen Institut in Rom, wo bereits Max Weber über Grundlagen katholischer und protestantischer Ethik sinnierte, blickte jedoch in eine andere Zielrichtung. Es gehe um die Frage, so Klinkhammer, inwiefern Webers Theorie die akademischen Disziplinen in Italien beeinflusst habe. Dabei müsse herausgefiltert werden, welchen Logiken die italienische Rezeption gefolgt sei. Kann das Interesse an Webers Theorie beispielsweise aus einem historischem Blickwinkel beleuchtet und mit Wendepunkten der Geschichte, etwa dem Abschied von Marx, Engels und Lenin in Zusammenhang gebracht werden? Oder spielen im Rezeptionsprozess andere Faktoren eine Rolle, etwa disziplineigene Traditionen, der mühsame Übersetzungsprozess und die damit verbundene Bekanntmachung des Weberschen Werkes?
Auch die Rezeptionsgeschichte Max Webers in West-Deutschland nach 1945 wies derartige Spezifika auf, so Klinkhammer. Erst der Heidelberger Soziologentag 1964, zu Ehren des 100. Geburtstages von Max Weber, habe die Tür zu einer breiten deutschen Weberrezeption geöffnet und in der Bundesrepublik den internationalen Einfluss des Soziologen verdeutlicht. Dies ließe sich unter anderem am Kreis der Teilnehmer ablesen: Neben Talcott Parsons aus Harvard, Raymond Aron aus Paris, Herbert Marcuse und Reinhard Bendix aus Berkeley/Kalifornien, der junge Pietro Rossi aus Turin.

Rossi, der als Zeitzeuge jener Konferenz die Weberrezeption in West-Deutschland miterlebt und später an der Heidelberger Universität als Max-Weber-Gastprofessor gelehrt hatte, erläuterte das Desinteresse der italienischen Philosophie für die Webersche Theorie, die über mehrere Jahrzehnte hinweg, bis in die 1950er-Jahre hinein, Max Weber kaum Beachtung geschenkt, seine Methodologie ignoriert habe. Daran habe auch die frühzeitige Übersetzung der Römischen Agrargeschichte und die Textauswahl Robert Michels aus Wirtschaft und Gesellschaft nichts ändern können.2
Die Abwesenheit Max Webers auf dem Gebiet der italienischen Philosophie bis in die 1950er-Jahre hinein erklärte Pietro Rossi durch ein innerphilosophisches Rezeptionsproblem: Für die deutsche Philosophie seien vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg zwei Strömungen charakteristisch gewesen: Die Zurückweisung des Positivismus, insbesondere auf soziologischem Gebiet, und die Verbreitung des Neokritizismus. In dieses geistige Klima sei die Diskussion um die Philosophie der Normen und Werte getreten, aus der Max Weber das theoretische Paket seiner Methodologie zusammenschnürte. Doch weder Croce noch Gentile teilten diese Zeitströmungen aus Deutschland, so Rossi. Sie lehnten vielmehr die Etablierung der Soziologie als empirische Gesellschaftswissenschaft ab und begründeten ihren Kampf gegen den Positivismus nicht mit den theoretischen Grundlagen Kants, sondern Hegels. Während sich Gentile damit begnügte, die Debatte um die Werturteilsfreiheit zu ignorieren, habe Croce bis 1910 die Zulässigkeit von Werturteilen in sozialwissenschaftlichen Aussagen mit der Hegelschen Theorie des Geistes zu legitimieren versucht.
Die Krise des Idealismus in der unmittelbaren Nachkriegszeit, so Rossi, hätte eine breite Weberrezeption in Italien ermöglichen können, doch seien ausländische Denker wie Jaspers oder Heidegger bevorzugt übersetzt worden. Erst die Weber-Interpretation Talcott Parsons, dessen The structure of social action 1962 ins Italienische übersetzt wurde, brachte eine langsame Rezeption Max Webers in Gang. Rossi setzte aus vielen Details die Rezeptionsgeschichte Webers in Italien zusammen und zeigte, wie eng diese letztlich mit der Etablierung der Soziologie als eigenständige Disziplin verknüpft blieb. Erst 1954 rechtfertigte Abbagnano auf einer Tagung in Bologna die Soziologie als von der Philosophie unabhängige Wissenschaft, 1961 wurden die italienischen „Klassiker der Soziologie“ mit einer Übersetzung von Wirtschaft und Gesellschaft eingeweiht. 1982 komplettierte die Übersetzung der Religionssoziologie das theoretische Rüstzeug einer neuen Generation von Soziologen, die sich bis dahin längst mit Wissenschaft als Beruf und Politik als Beruf auseinandergesetzt hatten. Der italienischen Philosophie blieb der deutsche Soziologe jedoch fremd – eine Auseinandersetzung mit Webers Texten wurde vermieden. Dieses „Fremdeln“, so Rossi, gehe auf die Gegner einer emanzipierten Soziologie zurück, auf die Anhänger des Idealismus und auf das marxistische Lager.

Alessandro Cavalli (Pavia), Soziologe und Präsident der Vereinigung Associazione „Il Mulino“, hob Max Webers Rezeption in der italienischen Soziologie im Zuge seines Vortrags auf drei Analyseebenen: Die Präsenz Max Webers in der italienischen Soziologie lasse sich an den Arbeiten italienischer Autoren ablesen, die sich mit Max Weber beschäftigt haben. An zweiter Stelle stünden die Untersuchungen, die sich explizit mit den theoretischen Grundlagen und den Hypothesen Max Webers auseinandersetzen und an dritter Stelle die Forschungszweige, die sich zwar nicht mehr ausdrücklich auf das Gedankengebäude Max Webers rückbezögen, der Einfluss des deutschen Soziologen jedoch deutlich zu erkennen sei.
Zur ersten Analyseebene zitierte Cavalli die Weber-Studien, die in den letzten 15 Jahren erschienen sind. Von Francesco Tuccari, der sich mit den Begriffen Macht und Herrschaft auseinandersetzte, bis hin zu den 2006 erschienenen Ausführungen von Sandro Segre, der sich mit der Untersuchung der Finanzmärkte und der ökonomischen Gruppen in Webers Werk beschäftigt hat. Daran werde deutlich, dass unter den soziologischen Klassikern Max Weber, und in gewisser Weise auch Georg Simmel, beachtliche Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Diese Anziehungskraft auf die italienischen Soziologen sei von Durkheim, Marx oder Pareto nicht ausgegangen. „Weberianer“ suche man in Italien jedoch vergeblich, womit die zweite Ebene der Weberrezeption in Italien kurz abzuhandeln sei. Einzig Luciano Cavalli, der sich mit Webers Religionssoziologie auseinandersetzte und 1981 ein Werk zur charismatischen Herrschaft veröffentlichte, könne in den Kreis der Gefolgsleute aufgenommen und gemeinsam mit dem bereits erwähnten Sandro Segre als „Weberianer“ etikettiert werden. Dem Faktum, dass sich nur wenige italienische Wissenschaftler explizit mit Webers Theorien auseinandergesetzt haben, stellt Cavalli das Phänomen eines eher diffusen Einflusses Max Webers auf die Soziologie in Italien gegenüber. Eher implizit sei die Präsenz Webers zu spüren, was den deutschen Soziologen umso relevanter mache. Die Ausführungen Cavallis ließen den Eindruck entstehen, als sei Webers Methodologie wie ein Nieselregen auf die italienische Soziologie niedergegangen. Insbesondere die Untersuchungen zu Sozialen Bewegungen, wie sie etwa von Francesco Alberoni betrieben und von Alberto Melucci fortgeführt wurden, seien von Webers Gedankengut infiltriert worden. Dies werde nach Cavalli unter anderem in der Analyse des Institutionalisierungsprozesses und der Benutzung des Charisma-Begriffs deutlich. Auch Alessandro Pizzorno, der sich um die soziologische Untersuchung der Politik verdient gemacht habe, teile Webers Vorstellung von „sozialem Handeln“, lehne sich an Webers Konzept der „Gesinnungsethik“ sowie Webers Unterscheidung zwischen materiellen und ideellen Interessen an, die sich in wertrationalem, beziehungsweise zweckrationalem Handeln niederschlagen. Abschließend ging Cavalli auf die Untersuchungen der Raum- und Entwicklungssoziologie ein, wie sie von Arnaldo Bagnasco und Carlo Trigilia betrieben wurden. In der Analyse der sozialen, ökonomischen und politischen Strukturen sowie dem sozio-historischen Ansatz sei die „Webersche Färbung“ offensichtlich. Cavalli zog daraus das Fazit, dass Max Webers Einfluss über die direkte Beschäftigung mit seinem Werk hinausgeführt habe, Weber fast schon geistig vorausgesetzt und aus diesem Grund von den hier genannten Autoren nicht mehr ausdrücklich zitiert werde. Hier zeige sich die kontinuierliche Präsenz und die Aktualität des Klassikers.

Den Voraussetzungen, also der Kenntnis Max Webers in Italien von 1906 -1948, widmete sich der schriftliche Beitrag von Innocenzo Cervelli (Venedig). Cervelli betrachtete die italienische Weberrezeption unter anderem vor dem Spiegel ideologischer Positionen. Er berichtete von dem paradoxen Zusammenspiel unterschiedlicher Faktoren, die dafür sorgten, dass die Protestantische Ethik, deren Übersetzung in einem antifaschistischen Milieu angefertigt wurde, 1931 in einer der repräsentativsten Zeitschriften des Faschismus erschienen sei. Pietro Burresi, der Übersetzer der Protestantischen Ethik, hatte sich vier Jahre zuvor das Leben genommen, da er das erdrückende Klima des Faschismus nicht mehr ertragen konnte. Erst die Studie Carlo Antonis von 1938, die erste Buchveröffentlichung der Protestantischen Ethik und die Herausgabe von Wissenschaft als Beruf mit den einleitenden Ausführungen von Ernesto Sestan und Delio Cantimori, legten den Grundstein für eine ernstzunehmende Auseinandersetzung mit dem Werk Max Webers.

Nach diesen disziplinbezogenen Beobachtungen wurde der Blick im zweiten Teil des Studienseminars auf spezielle Interpretationen der Weberschen Theorie gerichtet. Christoph Cornelißen (Kiel) erläuterte die Weberinterpretation seines akademischen Lehrers Wolfgang Mommsen, ohne dem Herausgeber der Max-Weber-Gesamtausgabe dabei ein Denkmal zu setzen. Vielmehr wurde seiner Person und dem wissenschaftlichen Werk zu Max Weber bei der römischen Tagung gedacht – auch Pietro Rossi ging auf persönliche Erlebnisse und Kontakte zu Wolfgang Mommsen ein. Cornelißens kritische Würdigung richtete sich auf Mommsen als Repräsentanten einer Historikergeneration, die seit den 1960er-Jahren die Theorie Max Webers in der nationalen sowie internationalen Wissenschaft richtungweisend zu vermitteln wusste. Nach der Verortung Mommsens im familiären Milieu, wo die Grundlagen seines politischen Verständnisses als liberal denkender Bildungsbürger gelegt wurden, skizzierte Cornelißen Mommsens akademische Karriere, die mit seiner vielbeachteten und vieldiskutierten Dissertation Max Weber und die deutsche Politik erfolgreich begonnen hatte. Mommsen, der Webers theoretische Aussagen vor dem Hintergrund der sozio-politischen Situation des Kaiserreichs interpretierte, ihn als Befürworter der deutschen Weltmachtpolitik und Theoretiker einer plebiszitären Führerherrschaft deklarierte und insbesondere die ambivalenten Züge seines Werkes zu entlarven versuchte, sei der Vorwurf gemacht worden, methodisch unsauber gearbeitet zu haben. So empfanden etablierte Weberforscher wie Guenther Roth oder Karl Loewenstein es als unzulässig, Max Webers Aussagen in der Funktion eines Gelehrten mit jenen in der Rolle des Politikers gleich zu setzen. Dass Mommsen Webers Konzept der „plebiszitären Führerdemokratie“ samt seiner eigenen Interpretation des Charisma-Begriffs in einen ideenmäßigen Zusammenhang mit der Entstehung des nationalsozialistischen Führerstaates gebracht hatte, widerstrebte den „Weberianern“, die zum westdeutschen Weber-Mythos der 1950er-Jahre beigetragen hatten. Demgegenüber verteidigten unter anderem Jürgen Habermas und Raymond Aron auf dem Heidelberger Soziologentag 1964 Mommsens Thesen und begrüßten insbesondere die entmythologisierende Funktion seines Buches. Das Erstlingswerk Wolfgang Mommsens hatte eine Debatte ausgelöst, die die westdeutsche Nachkriegssoziologie nachhaltig prägte. Mommsen habe Webers Kategorien jedoch nicht explizit auf seine eigene Geschichtsschreibung appliziert, sondern eher so verwendet, dass er Weber als Kritiker und Kommentator zeitgenössischer Probleme zitierte. Demnach, so Cornelißen abschließend, stecke „viel Weber in Mommsen“.

In der nachfolgenden Diskussion wurde unter anderem Mommsens Anspruch reflektiert, die Geschichtswissenschaft als eine „historische Sozialwissenschaft“ zu verstehen, ohne sie zur „Soziologischen Hilfswissenschaft“ werden zu lassen. Die zeitgenössische Generation der Geschichtswissenschaftler müsse, von Mommsens Warte aus betrachtet, mit dem Vorwurf leben, im öffentlichen Diskurs kaum präsent gewesen zu sein und auf gesellschaftspolitischer Ebene mit Abwesenheit geglänzt zu haben. Die Tradition des „public intellectual“, die von Max Weber gelebt worden sei, scheine sich mit Wissenschaftlern wie Wolfgang Mommsen langsam aus der Geschichtswissenschaft zu verabschieden – so der Tenor einiger Diskussionsbeiträge.

Gian Enrico Rusconi (Turin) wandte sich im Anschluss dem Weberschen Konzept des Abendlandes zu. Nur im Okzident, so Webers Entdeckung, könnten rationale Wissenschaften „Wahrheiten“ produzieren und beweisen – Wahrheiten, die als solche akzeptiert würden und universellen Wert besäßen. Es wundere, so Rusconi, dass in der gegenwärtigen Debatte um Werte und Traditionen des Westens die Überlegungen Max Webers nur unzureichend reflektiert würden und sich die Diskussionen meist im Wiederholen der Weberschen Schlagwörter erschöpften. Was sei der Sinn der Wissenschaft und wie passten Religion und Wissenschaft zusammen? Was bedeute es für eine Kultur des Okzidents, wenn der Prozess der Rationalisierung in jegliche Bereiche vorgedrungen sei? Max Weber habe, so Rusconi, auf diese Fragen Antworten zu bieten, die durch Komplexität überzeugten: Dem „höchst Verschiedenen“ des okzidentalen Rationalismus versuche Weber gerecht zu werden, um die Rationalisierung in den diversen kulturellen Lebensräumen aufzuspüren. Demnach könne der Okzident als ein historisch-geographischer Ort bezeichnet werden, an dem der Prozess der Rationalisierung vollendet sei, ein Ort, der auf progressive Weise zum Paradigma geworden sei. Rusconi begleitete seine Ausführungen mit dem Hinweis, dass sich gerade bei Webers Konzept des Okzidents Schwierigkeiten in der italienischen Übersetzung zeigten, die berücksichtigt werden müssten. Beispielsweise könne das Wort „innerweltlich“ im Italienischen nur schwer wortwörtlich als „intramondano“ bezeichnet werden, was esoterisch klinge und der Intention Webers nicht entsprechen würde. „Innerweltlich“ als „immanent“, säkularisiert oder gar als „laizistisch“ zu übersetzen, berge hingegen eine Interpretation, die in erster Linie der subjektiven Lesart des Weberschen Textes entspringe.

Wie Weber in einer der ältesten Universitätsstädte Europas rezipiert wurde, analysierte Paolo Pombeni aus Bologna. Sein Blick fiel dabei vor allem auf das Institut für Politik- und Sozialwissenschaften. Pombeni fokussierte aber auch die Gruppe der „Mulinisti“, die das Milieu um das Verlagshaus „Il Mulino“ prägten und in der gleichnamigen Zeitschrift zentrale intellektuelle Debatten führten. Auch hier blieb Max Weber lange Zeit unentdeckt. Bis in die 1980er-Jahre stellte der Artikel Franco Ferrarottis Die Absicht Max Webers, der 1964 in der Verlagszeitschrift erschien, die einzige Auseinandersetzung mit dem deutschen Soziologen dar. Jedoch hatte die Debatte um die Krise der Weimarer Republik in Italien 1978, am dreißigsten Geburtstag der italienischen Verfassung, eine generelle Diskussion ausgelöst und in der Krise der italienischen Politik eine mögliche Parallele gesehen. Demnach hätten sich die Kritiker in erster Linie auf Max Webers Schrift Politik als Beruf bezogen. Die Auseinandersetzung mit Weber, die von Carl Schmitt, Walther Rathenau und Otto Kirchheimer vorangetrieben wurde, stimulierte das Interesse der italienischen Politikwissenschaftler. Eine Neuauflage von Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland, erschienen 1982, wurde als gewinnbringende Lektüre empfohlen. In den folgenden Jahren bemühte sich das Verlagshaus „Il Mulino“ um die Sekundärliteratur zu Max Weber und brachte nach und nach Standardwerke ausländischer Wissenschaftler (von Wolfgang Schluchter, David Beetham bis Wolfgang Mommsen und Dirk Kaesler) auf den italienischen Markt. Die „zweite Generation“ am politikwissenschaftlichen Institut in Bologna machte sich dieses Wissen zu Eigen und wählte Webersche Themen als Forschungsschwerpunkte. Als Beispiel sei vor allem die Studie des jungen Politikwissenschaftlers Furio Ferraresi zu nennen, der sich mit der Geschichte politischer Doktrinen auseinandergesetzt und Webers Konzept der „Vergemeinschaftung“ aufgearbeitet habe.

Wolfgang Schieder (Köln) zeigte in seinem Beitrag „Max Webers Charismatische Herrschaft und die Deutungen des Faschismus in Italien“, wie das Webersche Konzept für die italienische Forschung genutzt werden könnte. Während in Deutschland unter anderem von Hans-Ulrich Wehler der Nationalsozialismus als Fall „Charismatischer Herrschaft“ interpretiert worden sei, diskutierten die italienischen Faschismusforscher auf politisch-parteilicher Ebene und vernachlässigten den methodischen Ansatz des soziologischen Herrschaftsmodells. Mussolinis Diktatur als Beispiel einer Charismatischen Herrschaft zu untersuchen, sei durchaus fruchtbar, wie Schieder in fünf Punkten zu skizzieren wusste. Die von der Forschung gut untersuchte Konstruktion ideologischer Grundmuster, die Sakralisierung von Riten oder etwa die Monumentalisierung des Städtebaus könnten, so Schieder, auch als Strategien interpretiert werden, die, im Weberschen Sinne, der „Veralltäglichung“ des politischen Charismas Mussolinis dienten. Die Anerkennung des charismatischen Führers durch die Beherrschten – bei Weber Grundvoraussetzung für den Fortbestand des Systems –, die Versuche des Regimes, eine spezifische Männlichkeitskultur beziehungsweise ein neues Frauenbild zu etablieren, sowie die Erfindung faschistischer Erinnerungskulturen dürften in diesem Sinne verstanden werden. Auch wenn Weber bei der Entwicklung seines Modells parlamentarisch-demokratische Regierungssysteme im Blick hatte und es seiner Intention fern lag, die charismatischen Grundlagen autoritär-faschistischer Systeme zu untersuchen, könnten seine Überlegungen dennoch der italienischen Faschismusforschung als methodische Anregung dienen.

Die Diskussionen während der Tagung zeigten viele neue Fragenkomplexe auf: Es wäre interessant herauszufinden, so Wolfgang Schieder, warum Carl Schmitt in Italien erfolgreich rezipiert wurde, während die Rezeption des protestantischen Max Weber nur zäh von statten ging. Auch die Feststellung Rusconis, dass eine konfessionslose Religionssoziologie in Italien unmöglich sei, kann als Begründung für die späte Entdeckung der Weberschen Religionssoziologie in den 1980er-Jahren nur vorläufig genügen. So blieb es am Ende der Tagung bei dem Fazit: Viel Weber in Italien, aber eine langsame, gewundene oder gar verpasste Rezeption seiner Texte. Ein Desiderat, das von einer jungen Forschergeneration aufgearbeitet werden sollte.

Anmerkungen:
1 Vergleiche Borchardt, Knut;Ay, Karl-Ludwig, Das Faszinosum Max Weber. Die Geschichte seiner Geltung, Konstanz 2006. Hier wird die Rezeptionsgeschichte des Weberschen Werkes in der spanischsprachigen Welt, in Deutschland, Amerika oder etwa Bulgarien nachgezeichnet. Max Webers Rezeption in Italien hingegen fehlt.

2 Erst die mangelhafte Übersetzung der Protestantischen Ethik, die 1931-32 herausgegeben wurde, habe in den Folgejahren insbesondere bei den Gelehrten Widerspruch erregt, die die italienischen Ursprünge des Kapitalismus im spätmittelalterlichen Banksystem sehen.


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