Körper und Bild im Spätmittelalter. Techniken und Reflexionen des Bildes

Körper und Bild im Spätmittelalter. Techniken und Reflexionen des Bildes

Organisatoren
Hochschule für Gestaltung Karlsruhe
Ort
Karlsruhe
Land
Deutschland
Vom - Bis
21.11.2003 - 22.11.2003
Url der Konferenzwebsite
Von
Reto Krüger, Karlsruhe

Wohl wenige Fragen sind so prägend für die theoretische Orientierung der Kunstgeschichte im wissenschaftlichen Feld gewesen, wie diejenige nach dem Verhältnis von Körper und Bild. Unter wechselnden Perspektiven war der Körper Ausgangspunkt einer Hinterfragung der Paradigmen der Bildkonstruktion und -konstitution sowie als archaischer Fremdkörper der Zivilisationsgeschichte ein Vehikel der Präsenz, Gegenstand und Medium der zivilisatorischen Gestaltung. Der Körper ist die Schnittstelle, an der sich Lebenspraxis, Bewusstsein und Kulturtechniken begegnen, die den Körper als biologisches Faktum überschreiten wollen. Die Tagung "Körper und Bild im Spätmittelalter. Techniken und Reflexionen des Bildes" widmete sich vor allem der Auflösung bekannter Dichotomien von mittelalterlichem und neuzeitlichem Bild, von körperlicher Präsenz und Repräsentation, von Kultbild und Kunstbild am Beispiel des Spätmittelalters.

Die Tagung begann mit mehreren Vorträgen zu Reliquien, die als mehr oder weniger reale Überreste von Heiligen eine besonders archaische, wenn auch ästhetisch überformte Variante des Körperbildes sind. Christof Diedrichs (Berlin) zeigte, wie wenigstens ansatzweise eine historische Entwicklung von der früh- und hochmittelalterlichen Erfahrung der Realpräsenz des Heiligen im virtuellen Raum der Reliquienbehälter zur Evokation eines inneren Bildes bei den spätmittelalterlichen Heiltumsweisungen festzustellen ist. Die Spannung zwischen spätmittelalterlichen Inneren Bildern und der Gegenwart des Heiligen oder Göttlichen zog sich jedoch durch viele Vorträge hindurch. Von Schreinmadonnen (Marius Rimmele, Konstanz) bis zu englischen Königseffigies (Kristin Marek, Karlsruhe) reichten die Ausgangspunkte einer Reflexion auf die Realität des Bildes, seine Herstellung und Funktion.

Ein eindrücklicher Vortrag von Thomas Lentes (Münster) über körperliche Markierungen von Geisslern und rituell Beschnittenen zeigte unfreiwillig die Differenz zwischen einer historischen Anthropologie und einer kunsthistorischen Bildwissenschaft. Benutzt die Erste die Bilder dazu, wie in diesem Fall eine Typologie von Präsenzvorstellungen zu inszenieren, so beginnt die Zweite dort, wo die Erste schon aufhört: in den Bildern selbst, in den Feineinstellungen der ästhetischen Strategien, die alle Elemente einer Bildkonstruktion umfasst, und an die Stelle der einfachen Typologie ein komplexes Beziehungsgefüge stellt.
Die für die Frage nach dem Verhältnis von Körper und Bild ergiebigsten Ansätze versuchten Bilder als Teil eines Zusammenhanges zu verstehen, der Bilder in ihrer Autonomie beschreibbar und dennoch sowohl in theoretischer (Wahrnehmungstheorie) wie in praktischer (Andachtspraxis) Hinsicht erklärbar macht, wie die Vorträge von Silke Tammen (Gießen) oder Christiane Kruse (München) beispielhaft demonstrierten. Der Körper als Bild, aber auch das Bild als Körper zeigten sich damit erneut in der Spannung zwischen Realpräsenz und kultureller Konstruktion, bei dem immer auch mit ästhetischer Autonomie gerechnet werden darf. Auf der Tagung konnte mit der Engführung der Themen eine bemerkenswerte inhaltliche Dichte erzielt werden, die nicht nur einen Überblick über aktuelle Forschungen zeigte, sondern darüber hinaus immer wieder die Komplexität historischer Phänomene demonstrierte.

Fortsetzung der Tagung in der École des Hautes Études en Sciences Sociales, Paris: "Das individuelle Portrait: Reflexionen zu einer Repräsentationsform vom XIII. bis zum XV. Jahrhundert", 6./7. Februar 2004

http://solaris.hfg-karlsruhe.de/hfg/
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