Spinning the commercial Web: International Trade, Mechants and Commercial cities, 17th - 20h centuries

Spinning the commercial Web: International Trade, Mechants and Commercial cities, 17th - 20h centuries

Organisatoren
Universität Düsseldorf Veranstalter: Margrit Schulte Beerbühl & Jörg Vögele
Ort
Düsseldorf
Land
Deutschland
Vom - Bis
07.03.2002 - 09.03.2002
Url der Konferenzwebsite
Von
Margrit Schulte Beerbühl, Historisches Seminar II, Heinrich Heine Universität, Düsseldorf

Internationale wissenschaftliche Arbeitstagung

Lange Zeit analysierte die historische Forschung die Entstehung des Welthandels seit der frühen Neuzeit aus weitgehend makro-ökonomischer Perspektive. In der modernen Ökonomie und Soziologie wurde jedoch in den letzten Jahren im Rahmen der Netzwerktheorie eindrucksvoll gezeigt, daß unternehmerisches Handeln durch ein komplexes Zusammenspiel ökonomischer, sozialer und kultureller Faktoren bestimmt wird. Ziel der Konferenz war es deshalb, die Netzwerktheorie für die historische Forschung fruchtbar zu machen. Die Expansion des transnationalen und transkontinentalen Handels sollte in einer Langzeitperspektive betrachtet werden. Im Vordergrund des Ansatzes standen die Verflechtungsprozesse von Handelsräumen auf internationaler, regionaler und lokaler Ebene sowie der Beitrag der handelnden Akteure zu ihrer Vernetzung. Die Entwicklung und Strukturen der kommerziellen Netze sollten auf diesen drei miteinander verbundenen Ebenen analysiert werden, um unser Verständnis der Komplexität der Interaktionen und Transaktionen zu erweitern und neue Perspektiven in der gegenwärtigen Globalisierungsdebatte aufzudecken.

Vom 7. bis 9. März 2002 trafen 35 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus zehn europäischen und außereuropäischen Ländern zu einer internationalen und interdisziplinären Arbeitstagung zusammen, die von der Fritz Thyssen Stiftung unterstützt wurde. In den Einführungsvorträgen skizzierte Michael North (Greifswald) die historische Entwicklung des sich herausbildenden Welthandels. Daran anknüpfend betonte Ulrich Pfister (Münster) den Einfluß von Netzwerken auf die Höhe der Transaktionskosten.

Im ersten Teil der Tagung (The Development and Change of Commercial Networks between the 17th and 20th Centuries) ging es darum, generelle Merkmale der Netzwerke, ihre Schwerpunkte und Ausdehnung, ihre inneren Verflechtungen sowie ihre Verlagerung, Expansion oder Abkoppelung aufzuzeigen. Es zeigte sich, daß der Globalisierungsprozeß keineswegs als eine kontinuierliche Abfolge von (regionalen, nationalen, globalen) Integrations- und Desintegrationsmechanismen zu verstehen ist. Ausgangspunkt der Sektion war die Erforschung eines der ersten frühmodernen globalen Handelsnetze im Mittelmeerraum. Entgegen der herkömmlichen Auffassung, nach der der Untergang des venezianischen Handelsreiches durch die Feudalisierung des Handelsbürgertums verursacht wurde, konnte gezeigt werden, daß das Vordringen des englischen Handels in den Mittelmeerraum zwar zersetzende Auswirkungen auf das alte Handelsnetz hatte (M. Fusaro), jedoch gleichzeitig eine neue Verknüpfung des nordwesteuropäischen mit dem mediterranen Seehandelsnetz bewirkte. Dieser Transformationsprozeß wurde verstärkt durch die Hinwendung führender venezianischer Wirtschaftskräfte zu protoindustrieller Unternehmer- und kontinentaleuropäischer Handelstätigkeit (A. Nützenadel). Durch den Aufbau eines modernen Finanz- und Kreditwesens festigten die Briten ihre Vorherrschaft auch im östlichen Mittelmeerraum (S. Gekas).

C.A.P. Atunes entwickelte ein funktional-strukturelles Netzwerkmodell und zeigte am Beispiel der Handelsstädte Amsterdam und Lissabon, wie das Ineinandergreifen von lokalen und transnationalen mit transatlantischen Netzen auf verschiedenen Ebenen des Handels, Gewerbes, der Politik, des Kreditflows eine Weltökonomie schufen. Die Verflechtung lokaler und globaler Netzwerke hing in entscheidendem Maße von Umfang und Leistung der Schiffahrtstransportunternehmen und ihrer Agenturen ab. Vom “Principal-Agent”-Modell ausgehend analysierte J. Ojala das Verhalten der Kontraktparteien auf die Entwicklung der Transaktionskosten. Diese wurden ebenfalls durch exogene politische und militärische Ereignisse beeinflußt. Sie wirkten sogar über große Distanzen hinweg auf die Organisation des Handels- und Transportwesens, wie S. Marzagalli am Beispiel der französisch-amerikanischen Handelsbeziehungen während der Napoleonischen Kriege nachwies. Die globale Ausdehnung zeigte ebenfalls Auswirkungen auf die Spezialisierung des regionalen und lokalen Handels und der Gewerbe (R. Grafe) sowie auf die Machtstrukturen lokaler Institutionen, wie des einflußreichen Mersey Dock & Harbour Board in Liverpool, einem der bedeutendsten Häfen des 19. Jahrhunderts (A. Jarvins).

Die nachfolgenden Autoren widmeten sich einem bislang wenig beachteten Element bei der Erforschung des entstehenden Welthandels – und zwar den Rückwirkungseffekten des Transatlantikhandels auf den europäischen Territorial- und Binnenhandel. Ihre Referate beleuchteten eindringlich die Komplexität des Entwicklungsprozesses. Er führte im Fall Schlesien zur Abkoppelung eines etablierten regionalen Handelszentrums vom Überseehandel (M. Boldorf). Dagegen verursachte er im Fall Mainz das Aufblühen eines neuen kosmopolitanen Handelszentrums - ausgelöst durch transnationale Migrationsprozesse in der europäischen Kaufmannschaft (Chr. Peters). Ältere vorindustrielle transnationale Handelsformen, wie die der Wanderhändler, reagierten auf die Herausforderung mit Anpassungs- und Modernisierungsbestrebungen. Obwohl sie zunächst eine erstaunliche Überlebensfähigkeit bewiesen, scheiterten sie letztendlich (L. Fontaine).

Der zweite Teil der Arbeitstagung (The Rise and Fall of Merchant Empires) widmete sich speziell den Akteuren. Ausgehend von dem Netzwerk-Ansatz wurden verschiedene Gruppen sowie Einzelpersonen aus institutionen-ökonomischer Sicht im Kontext der zeitgenössischen sozioökonomischen und kulturellen Verflechtungen einerseits und des sich herausbildenden Weltmarktes andererseits analysiert. Eine initiierende Rolle bei der Expansion des frühneuzeitlichen Handels spielten die Handelskompanien. Sie verbanden nicht allein weitentfernte Handelsräume mit Europa, sondern schufen neue Netze im karibischen, südamerikanischen und ostasiatischen Raum (V. Enthoven). Dabei erzwangen politische Entscheidungen in den Mutterländern, wie die Abschaffung der Sklaverei, die Verlagerung und Abkoppelung regionaler Handelsnetze jenseits des Atlantiks (M. Barcia Paz). Bei der Vernetzung weit entfernter Regionen mit Europa hatten informelle Händlergruppen (J. Nagel) und religiöse Gemeinschaften, wie etwa die Jesuiten (J. Lederle), eine Schlüsselfunktion inne: Sie entwickelten sich zu entscheidenden Bindegliedern zwischen transeuropäischem und indigenem Handel.

Auf dem europäischen Kontinent wurde dagegen die Rolle der Handelskompanien im Zuge verbesserter Kommunikations- und Verkehrswege zunehmend von Handelsnetzen individueller Kaufleute abgelöst. Infolge religiöser Vertreibung (O. Gelderblom) oder freiwilliger Migration (D. Dahlmann) entstand ein europaweites Netz informeller Händlergruppen. Sie konzentrierten ihre Tätigkeit auf bestimmte Waren (P. Edwards) und Regionen (A. Eklund, Chr. Evans, G. Ryden). Neben kulturellen Werten exportierten sie auch politische Konflikte über den Atlantik (C. Schnurmann).

In der abschließenden Sektion standen lokale Aspekte des weltweiten Expansionsprozesses im Vordergrund. Lokale Märkte hatten vielfältige Auswirkungen auf dessen Dynamik. Erst aus der lokalen Perspektive werden wesentliche Elemente des Prozesses erklärbar. Eine zentrale Bedeutung kam den Handelsstädten zu, insbesondere den Hafenstädten. Sie kristallisierten sich zu Knotenpunkten internationaler Handelsnetze (The Role and Function of Commercial Towns and Port Cities) und entwickelten sich zu einem wichtigen Bestandteil im Wirtschaftsgefüge der modernen Staaten. Steigende Handelsaktivitäten und rapide zunehmende Einwohnerzahlen machten sie bis weit in das 20. Jahrhundert hinein zu einem Schlüsselelement in der städtischen Landschaft. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts waren nahezu 40 Prozent aller Großstädte über 100.000 Einwohner Seehäfen, aber bereits seit dem frühen 20. Jahrhundert verloren sie zunehmend ihre dominierende Stellung als “Gateways” des Welthandels (H. van Dijk). Die Dominanz des Handels prägte sowohl den lokalen Markt (Sh. Rodgers) als auch die städtische Kultur sowie die von kaufmännischem Interesse geleitete Kommunalpolitik dieser Städte (S. A. Mustafa). Andererseits zeigte der internationale Handel vielfältige Rückkoppelungseffekte über die Stadtgrenzen hinaus in die Region (W. R. Lee). Im Fall Petersburg prägte die westeuropäische kommerzielle Emigrantenelite das wirtschaftliche und kulturelle Leben der Stadt, forcierte die Anbindung Rußlands an den Westen und förderte den technischen und industriellen Fortschritt des Landes (E. M. Stolberg). Während die Familie das lokale Netzwerk nach innen bestimmte, waren die Außenbeziehungen stärker durch die auf persönlicher Vertrauensbasis beruhenden Wirtschaftsbeziehungen der kommerziellen Eliten geprägt (J. Stobart). Hafenstädte spielten mithin nicht nur eine zentrale Rolle hinsichtlich kommerzieller und kaufmännischer Tätigkeiten, sondern bildeten die Nahtstellen zwischen Stadt, Region und Nation oder zwischen “home and abroad” (G. Milne).

Die Beiträge und Diskussionen zeigten, daß jenseits formeller Organisationen und Strukturen vielschichtige Verflechtungsprozesse auf den unterschiedlichen Ebenen abliefen - wie das Ineinandergreifen von politischen, sozialen und kulturellen mit den ökonomischen Faktoren. Sie ließen die Bedeutung der Netzwerktheorie und der modernen Institutionenökonomie für die Erforschung des aufkommenden Welthandels sichtbar werden, verwiesen sie doch auf wenig beachtete Phänomene und Grundlagen der kommerziellen Expansion. Deutlich wurde auch, daß insbesondere das Verhältnis von Markt und Netz (inwieweit der Markt das Netz verdrängt, seinen Niedergang bewirkt bzw. das Netz in den Markt integriert hat) sowie Probleme der Verflechtung zwischen lokalen und regionalen Netzen künftig stärker erforscht werden sollten. Eine Publikation der Tagungsergebnisse ist geplant.

Kontakt

Dr. Margrit Schulte Beerbühl
Historisches Seminar II
Heinrich Heine Universität
Universitätsstr. 1
40225 Düsseldorf
email: schulteb@phil-fak.uni-duesseldorf.de
email: M.Schulte.Be@online.de