Gewalt und Adel in Südwestdeutschland
Überlegungen zur spätmittelalterlichen Fehde

© Klaus Graf 2000

Online-Preprint eines Beitrags auf dem Bielefelder Kolloquium "Gewalt" am 29.11.1998


"Fehde ist aller Dinge Vater, aller Dinge König. Die einen erweist sie als Götter, die anderen als Menschen, die einen macht sie zu Sklaven, die anderen zu Freien". Ich habe mir die Freiheit genommen, einem Vorschlag von Alexander Patschovsky folgend, das berühmte Diktum des Vorsokratikers Heraklit für das Mittelalter umzuschreiben und den Begriff "Krieg" durch den Begriff "Fehde" zu ersetzen [Anm. 1]. Wenn Patschovsky formuliert: "Die Fehde war der Motor der modernen Welt!", so setzt er sich damit von Otto Brunner ab. Dieser hatte die Fehde in seinem berühmten Buch "Land und Herrschaft" (Erstausgabe 1939) für ein "grundlegendes Bauprinzip" der mittelalterlichen Welt gehalten. "Erst von der Fehde her", schreibt Brunner, "kann überhaupt der innere Zusammenhang von Politik und Staat, von Macht und Recht begriffen werden. Alle mittelalterliche Politik vollzieht sich, soweit sie an die Entscheidung der Waffen appelliert, im Wege der Fehde" [Anm. 2]. Drei methodisch wichtige neuere Studien von Gadi Algazi, Joseph Morsel und Hillay Zmora teilen die Hochschätzung der Fehde, was ihre Bedeutung für die mittelalterliche Gesellschafts- und Verfassungsgeschichte betrifft.

Gadi Algazi wendet sich in seinem Buch mit dem programmatischen Titel "Herrengewalt und Gewalt der Herren im späten Mittelalter" gegen Otto Brunners "Schutz und Schirm"-Lehre, die das Gegenseitigkeitsverhältnis von herrschaftlichem Schutz und Schirm und bäuerlicher Unterordnung in den Mittelpunkt stellt. Die adelige Fehde ist für Algazi ein indirekter Krieg gegen die Bauern, in denen er die "ungenannten Adressaten der Fehdebriefe" sieht [Anm. 3]. Weil die adelige Gewalt nicht die Form eines koordinierten Krieges der Herrschicht gegen die Bauern annehme, sondern als Nebenwirkung der Konflikte der Herren entstehe, könne sie jeweils sowohl als "äußere Gefahr" wie auch als "Schutz" erscheinen und "damit zur Reproduktion adliger Herrschaft über Bauern beitragen" [Anm. 4]. Daneben betont Algazi aber auch die Funktion der Fehde für das Selbstverständnis des Adelsstandes: "Durch die Fehdepraxis wurde eine soziale Grenze zwischen den sich bekämpfenden adligen Standesgenossen und den von der Teilnahme an Fehden ausgeschlossenen, doch durch diese direkt getroffenen Bauern immer wieder schmerzhaft gezogen" [Anm. 5].

Morsels Überlegungen zum sozialen Sinn der Fehdepraxis am Beispiel des spätmittelalterlichen Franken verzichten bewußt auf den Gewaltbegriff. Er sieht in der Fehde ein "totales soziales Phänomen", das zur "Hierarchisierung der Kräfte" innerhalb des ländlichen Herrschaftssystems" führte [Anm. 6]. Hier schließt er sich eng an Algazis Deutungen an. Die Fehde habe desweiteren die Ständebildung, die Konstruktion sozialer kollektiver Typen wie Adel, Bauern, Bürger vorangetrieben, indem sie soziale Kohäsion produziert bzw. verstärkt habe [Anm. 7]. Die Hierarchisierung- und Kohäsionsfunktionen der Fehde hätten schließlich zu ihrer Aufhebung geführt. Die Fehdepraxis müsse, resümiert Morsel, als "besonders wichtiges und wirkungsvolles soziogenetisches, demnach konstruktives Phänomen [...] gewürdigt werden" [Anm. 8].

Auf wesentlich breiterer empirischer Grundlage als Algazi und Morsel argumentiert Hillay Zmora in seiner Monographie über die ritterliche Fehde in Franken von 1440 bis 1567. Seiner Arbeit liegt eine Prosopographie der 242 von ihm ermittelten Fehdeführer zugrunde. Diese waren überwiegend Männer von hohem Status und sehr oft fürstliche Amtsträger, also eben keine von einer ökonomischen Adelskrise betroffenen veramten Adeligen, wie die bis in die jüngste Zeit herrschende Raubritter-These glauben machen wollte. Es geht Zmora um das Wechselspiel zwischen der Ausbildung des Fürstenstaates und der sozialen Stratifikation innerhalb des Adels. Die Fehde ist für ihn einer der Hauptagenten der Herrschaftsbildung [Anm. 9]. Mit der Entstehung der Reichsritterschaft im 16. Jahrhundert sei die Beziehung zwischen Staatsbildung und sozialer Stratifikation zerbrochen [Anm. 10].

Auf eine detaillierte Auseinandersetzung mit den durchaus anregenden Arbeiten muß ich hier verzichten. Hier nur soviel: Alle bleiben auf einer sehr allgemeinen Ebene und können wirklich schlüssige und am Einzelfall oder Quellenbefund konkret nachvollziehbare Belege für ihre Positionen nicht beibringen. Vor allem die von den beiden anderen Autoren aufgenommene, auf sehr schmalem Quellenfundament erarbeitete These Algazis - Einschüchterung der Bauern als Funktion der Fehde - ist alles andere als überzeugend. Alle Studien argumentieren allzu teleologisch und ohne den besonderen Tücken funktionalistischer Modelle Rechnung zu tragen.

Was die empirische Untersuchung von Fehden angeht, bleibt die 1987 vorgelegte Raubritter-Studie von Regina Görner [Anm. 11], die dem südwestfälischen Raum galt, nach wie vor unerreicht, denn Zmora hat darauf verzichtet, die Ergebnisse seiner personengeschichtlichen Ermittlungen mit einer Typologie der geführten Fehden zu verbinden [Anm. 12]. Für den deutschen Südwesten bleibt eine Erfassung und Auswertung der in den spätmittelalterlichen Quellen dokumentierten Fehden und Konflikte ein Desiderat. Dabei sollte verstärkt auch auf die Fehden des 14. Jahrhunderts geachtet werden, wenngleich hier die Quellenlage sehr viel ungünstiger ist als im 15. Jahrhundert. So weiß man beispielsweise nichts über den Hintergrund der als "Schleglerkrieg" bekanntgewordenen aufsehenerregenden Auseinandersetzung, die 1396 mit der Niederwerfung der in Schwaben und am Rhein wirkenden Rittergesellschaft der Schlegler durch eine große Fürsten- und Städtekoalition endete. Ihre Gegner warfen ihnen Straßenraub vor, doch ist eine Rechtfertigung von Seiten der Schlegler nicht überliefert [Anm. 13].

Es liegt nahe, die Schlegler als Raubritter zu etikettieren und damit ein Schlagwort zu übernehmen, das erst um 1800 aufgekommen ist. Allerdings hatten schon im 18. Jahrhundert aufklärerische Geschichtswerke und vielgelesene Ritterromane das Thema der räuberischen Ritter und Placker populär gemacht. Erstmals nachgewiesen ist der Begriff Raubritter nach derzeitigem Kenntnisstand ausgerechnet in einem anonym erschienenen Ritterroman aus dem Jahr 1799 mit dem bezeichnenden Titel: "Der Raubritter mit dem Stahlarme oder der Sternenkranz eine Geistergeschichte" [Anm. 14]. Es ist das Verdienst von Kurt Andermann, wiederholt auf die Unbrauchbarkeit des Raubritterbegriffs im heutigen wissenschaftlichen Diskurs hingewiesen zu haben, zuletzt im einleitenden Aufsatz "Raubritter - Raubfürsten - Raubbürger?" in seinem Raubritter-Sammelband von 1997. Er sieht in der Prägung und Verbreitung des Begriffs auch ein "Stück bürgerlicher Rechthaberei" [Anm. 15].

Eine zu erstellende Fehdedokumentation hätte Ernst zu machen mit der Einsicht, daß es im Mittelalter keinen prinzipiellen Unterschied zwischen Krieg und Fehde gab [Anm. 16]. Sie hätte daher nicht nur die niederadeligen Scharmützel und Anschläge in den Blick zu nehmen, die unser Bild von mittelalterlicher Fehde bestimmen, sondern auch die sogenannten Reichskriege und die territorialpolitischen Auseinandersetzungen, die bereits die Zeitgenossen aufgrund ihres Ausmaßes "Krieg" nannten. So ist etwa der sogenannte Städtekrieg von 1449, eine große Grundsatzauseinandersetzung zwischen Fürsten und Reichsstädten [Anm. 17], formal nichts anderes als eine "Großfehde", die mit den unzähligen kleineren städtefeindlichen Fehden der vorangehenden Jahre in Zusammenhang stand. Es geht nicht an, den Städtekrieg der großen Politik zuzuweisen, die kleinen Fehden aber dem Raubrittertum. Bereits Otto Brunner hat ja an der älteren rechtshistorischen Sicht des Fehdewesens kritisiert, daß sie lediglich der als souverän gedachten übergeordneten Gewalt zubilligte, wirkliche Politik zu treiben, während sie bei den lokalen Herrschaftsträgern nur Habgier und Eigennutz am Werk sehen wollte [Anm. 18]. Mit anderen Worten: Unser Begriff der Politik und insbesondere der Territorialpolitik steht auf dem Prüfstand.

In seine vielleicht in Konstanz am Anfang des 15. Jahrhunderts entstandene satirischen Dichtung "Der Ring" integrierte Heinrich Wittenwiler eine ausführliche Kriegslehre, die über weite Strecken auf dem um 1360 entstandenen Traktat "De bello" des Bologneser Juristen Giovanni da Legnano fußt. Diskutiert wird das Problem des "gerechten Krieges". Vom weltlichen Kampf gibt es, so Wittenwiler, zwei Arten: den allgemeinen, den ein Fürst oder ein "volk von seim gewalt", was Horst Brunner mit "ein souveränes Volk" übersetzt [Anm. 19], kämpft und den individuellen, wozu auch der Zweikampf gehört. Die allgemeine Kriegführung werde entweder um Gerechtigkeit geführt oder entstehe nur aus Gewalt: "Daz der streit mit recht bestet/ Oder nür von gwalte get" (Verse 7326f.). Der Begriff wird kurz nacheinander in zwei Bedeutungen verwendet: Zum einen geht es um die "auctoritas", um das Recht zum Kriegführen seitens des Volks, zum anderen um die bekannte Gleichsetzung von Gewalt und Unrecht, wie sie auch in dem verbreiteten Sprichwort "Gewalt geht vor Recht" zutagetritt. Dem Artikel "gewalt" im Deutschen Wörterbuch - er hat den Umfang einer kleinen Monographie - entnehme ich den engen Bedeutungszusammenhang von Gewalt mit Kraft und Macht. Gewalt kann im Mittelhochdeutschen sowohl Zwang im Sinne einer "kraftfülle, die jeden widerstand niederzwingt" als auch Unrecht, nämlich "eine anwendung der macht, die das recht beugt", meinen [Anm. 20].

Ist aber Gewalt nicht nur Kampf (violentia), also mit den Worten der Bauern Wittenwilers: Schlagen, Stechen, Schießen, Stoßen und Brechen (Verse 7297f.) [Anm. 21], so stellt sich die Frage, ob die Orientierung am Gewaltbegriff nicht konsequenterweise auf eine Fragestellung hinausläuft, die ausnahmslos alle Quellenbefunde über mittelalterliche Herrschafts- und Machtausübung, über gerichtliche und außergerichtliche Rechtswahrung, Ehre und kriegerische Konflikte zu berücksichtigen hätte und somit, wenn überhaupt, allenfalls in einer Mikrostudie zu bewältigen wäre. Wenn ein Amtmann in einem Dorf erscheint und notfalls mit Zwang Abgaben einfordert, gewinnt diese Handlung erst in einem größeren Kontext Eindeutigkeit. Es kann sich erstens um kriminelle Devianz handeln - der Amtmann will sich persönlich auf Kosten der Untertanen bereichern. Oder aber zweitens um Ausübung rechtmäßiger Amtsgewalt. Oder aber drittens um eine Ausweitung der Herrschaftsbefugnisse seines Herren. Viertens kann die Forderung auch eine Fehdehandlung a) in eigenem Namen und b) als Fehdehelfer oder Fehdediener sein. In jedem dieser vier Fälle ist eine parteiische Beschreibung des Amtmanns als "Räuber" denkbar, denn sein Recht kann jedesmal bestritten werden. Es liegt auf der Hand, daß der Historiker ex post als Richter fungieren müßte, wollte er Eindeutigkeit herstellen und legitime von illegitimer Gewalt unterscheiden.

Fehde ist ein Kampf ums Recht, ein subsidiäres Rechtsmittel. Im 15. Jahrhundert ist sie, stellte Herbert Obenaus in seiner wichtigen Studie zu den schwäbischen Rittergesellschaften mit St. Jörgenschild fest, gewohnheitsrechtlich auf das Schiedsgericht bezogen [Anm. 22]. Neben den gerichtlichen Austrag eines Rechtstreits ist das Schiedsgericht getreten, und die Parteien beeilten sich im allgemeinen, Rechtgebote zu machen [Anm. 23]. Obwohl es oft geschehe, formulierte Sigismund 1424 anläßlich einer Fehde zwischen dem Markgrafen von Baden und dem Pfalzgrafen bei Rhein ganz allgemein, daß derjenige, der sich zu Recht erbietet, Unrecht habe, so könne doch der nicht Recht haben, der das Recht ausschlage und "meinet sein sache mit kriege und gewalt durchzubringen, derselbe nit allein got dem almechtigen (der ein ursprung der gerechtikeit ist) unrecht tut, sunder er verku+erczet sich auch an seinen eren" [Anm. 24]. Hier verlief für die Zeitgenossen die Grenze zwischen Kriminalität und rechtmäßiger Fehde: Raub im kriminellen Sinn, definierte Haupt Marschall von Pappenheim 1438 namens der Gesellschaft, liege vor, wenn ein fehdemäßiger Angriff auf eine Partei erfolge, obwohl diese die Bereitschaft zum schiedsrichterlichem Austrag kundgetan, mit den Worten der Quelle: "ere und recht furderlich und völliclich" geboten hat [Anm. 25].

Wer ein Schiedsgericht ausschlug oder es unterließ, ein solches anzubieten, stand unter öffentlichem Rechtfertigungzwang. Er mußte versuchen, Herrschaftsträger und die öffentliche Meinung für sich zu gewinnen [Anm. 26]. Das Mittel dazu waren umfangreiche Ausschreiben an die Reichsstände, die seit dem Ende des 15. Jahrhunderts auch im Druck vervielfältigt wurden [Anm. 27]. In ihrem Mittelpunkt steht die Ehrenschelte, für Obenaus "die bewegende Kraft des Rechtstreits im fünfzehnten Jahrhundert" [Anm. 28]. Fehde, Öffentlichkeit und Ehre waren nicht zu trennen. Als die schwäbischen Reichsstädte 1441 einer Gruppe von Adeligen einen schiedsgerichtlichen Austrag verweigerten, weil es mit Räubern kein Verhandeln geben könne, mußten sie immer wieder beteuern, daß die Gegner nur ihren Raub mit den Rechtsgeboten "zu gelimpff", also zu ihrem guten Ansehen, zu ihrer Rechtfertigung, bedecken wollten [Anm. 29]. Glimpf konkurriert in der zeitgenössischen Terminologie mit dem Ehrbegriff, sehr häufig erscheint die Verbindung "Ehre und Glimpf" in den Quellen [Anm. 30].

Die neuere historische Kriminalitätsforschung hat gezeigt, wie wichtig es ist, gerichtliche und außergerichtliche Konfliktlösung zusammenzusehen und in ihrem Wechselspiel zu beschreiben [Anm. 31]. In dieser Weise wird man auch die Handlungsoptionen eines Adeligen bei einem Rechtsstreit zu rekonstruieren haben: Prozeß, Schiedsgericht und Fehde waren die Hauptformen. Hinzu kam wohl nicht allzu häufig die Forderung nach einem Zweikampf. Dies war der Fall bei einem Ehrenhandel zwischen Ritter Jörg von Rosenberg und Graf Asmus von Wertheim, der 1501 aus einem Ehekonflikt des Wertheimers entstand [Anm. 32]. Asmus schalt den Rosenberger einen Bösewicht mit dem Erbieten, dieses ihm kampfsweise auf seinen Leib zu beweisen [Anm. 33]. Es enspann sich ein publizistischer Kampf mit Ausschreiben und Rechtfertigungsschriften, vergleichbar einem Rechtsstreit oder einer Fehde. Der Niederadelige brachte einmal in den Schriftsätzen zum Ausdruck, sein Gegner habe ein "Baurengeschrei" [Anm. 34], also den Druck der öffentlichen Meinung [Anm. 35], erlangen wollen. 1502 erging auf einem Tag zu Amberg ein fürstlicher Rechtsspruch durch den Pfalzgrafen bei Rhein, der den Rosenberger freisprach: Er sei nicht schuldig, seine Ehre mit dem Kampf zu beweisen.

Bemerkenswert erscheint mir bei der demonstrativ zur Schau gestellten Unversöhnlichkeit des Wertheimers eine gewisse archaisierende Tendenz, die ich der Begründung der Ablehnung einer Entscheidung der Räte des Kurfürsten von der Pfalz durch Asmus entnehmen möchte. Die Ablehnung, argumentierte der Graf, sei nicht aus Verachtung des Kurfürsten sondern aus Notdurft seiner Ehre geschehen. Sein Kampfangebot sei nicht bürgerlich, sondern ritterlich, und geistliche, ritterliche und bürgerliche Rechte unterschieden sich nun einmal. Die alten Rittermäßigen hätten gesagt, ein jeder rittermäßige Mann sei schuldig, seine Ehre mit der Hand zu retten [Anm. 36]. Mit erscheint es nicht ganz abwegig, in der Zweikampfforderung des Wertheimer Grafen wie in der verstärkten Fehdetätigkeit der Ritter in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts auch eine Art von adeliger Traditionspflege zu sehen, gleichsam eine Rückbesinnung auf vergangene adelige Werte [Anm. 37].

Ich plädiere dafür, die Rechtfertigungschriften von Fehden und ihre Berufungen auf Recht und Ehre durchaus ernstzunehmen. Man macht es sich zu einfach, tut man sie als Verbrämung materieller Interessen ab. Die adelige Argumentation mit der Ehre war im Fehdekontext, glaubt man einem Aufsatz von Zmora, ein strategisch eingesetztes Mittel, um einen Konflikt um materielle Ressourcen in eine "moralische" Auseinandersetzung zu verwandeln. Zmoras Position, in der Standesehre vornehmlich ein politisches Idiom zu sehen, "durch das Machtverhältnisse manipuliert werden konnten" [Anm. 38], führt in der Konsequenz zu einem kruden, machtpolitisch verengten Reduktionismus, der sich um die zeitgenössische Wahrnehmung nicht weiter schert. Die stark interessen- und machtfixierte Lektüre der Fehdedossiers durch Zmora, Algazi und Morsel bedarf, wie ich meine, dringend der Ergänzung durch einen eher kulturgeschichtlich ausgerichteten Ansatz, der zeitgenössische Begriffe, Diskurse und Werte gebührend zur Geltung bringt [Anm. 39].

Im Parteienschriftgut der Fehde ist ein Diskurs zu entdecken, der über das Recht und die rechte Ordnung geführt wird. Am deutlichsten läßt er sich bei dem jetzigen Stand der Forschung in den Konflikten zwischen dem Adel und den Reichsstädten ausmachen. Für diesen geradezu klassischen Fall des sogenannten Raubrittertums wurde der Ersatzbegriff "Städtefeindschaft" vorgeschlagen, um den städtefeindlichen Diskurs des Adels und die mit ihm zusammenhängende städtefeindliche Gruppenbildung, die sich in den Fehden notorischer adeliger Städtefeinde äußerte, zusammenzuschließen [Anm. 40]. Bei dieser Fehdekonstellation kam es zu wechselseitigen Feindbildern, zu einem städtefeindlichen Diskurs des Adels und einem adelsfeindlichen Diskurs der Städte [Anm. 41]. Joseph Morsel ist zuzustimmen, wenn er der "diskursiven Polarisierung" und der Fehdepraxis - ich habe von einem "kalten Krieg" zwischen den beiden Blöcken gesprochen [Anm. 42] - eine wichtige Rolle bei der Ausbildung der sozialen Grenze zwischen Adel und Stadtbürgertum zuschreibt [Anm. 43].

Für Markgraf Albrecht von Brandenburg, den Hauptinitiator des Städtekriegs von 1449/50, waren die Städte der Inbegriff des Bösen. In einer Propagandarede legte er im Jahr 1450 seine Kriegsziele dar. Er unterstellte den Städten, sie wollten durch ihre Gleichmacherei die Ständeordnung zerstören und die "ding dartzu bringen, das der furst dem burger und der maist dem minsten glich wurd" [Anm. 44]. Publizistischen Flankenschutz erhielt der Markgraf von dem Dichter Michel Beheim in Form einer gehässigen Fabel. Ein Esel habe ein Löwenfell gefunden, das er sich überstreifte, und begonnen, nach Adel zu streben. Doch sein Meister habe ihn an den langen Eselsohren erkannt und den Esel, der ein Löwe sein wollte, zu seinem Dienst zurückgeprügelt. Mit dieser Eselei meinte Beheim, wie er erläutert, "der stet volk", die Städter, die sich gegen Fürsten und Herren auflehnen wollen. Ihr Übermut bringe ihnen keinen Nutzen. Meister der Städte sei der edle Fürst Markgraf Albrecht von Brandenburg. Es sei reiner Hohn, meint Beheim, wenn die Bauern in den Städten Gewalt über die Fürsten hätten [Anm. 45]. Diese polemische Gleichsetzung der Stadtbürger mit Bauern dominiert den städtefeindlichen Diskurs. Noch im 16. Jahrhundert sind für den Zimmernchronisten die Reichsstädter die "stolzen, eingemaurten pauren" [Anm. 46]. Regelmäßig warfen im 15. Jahrhundert die adelsfreundlichen Publizisten den Städtern Hochmut und Stolz vor.

Einen vergleichbarer Diskurs fand Eckart Conrad Lutz in den Texten vor, die sich auf den sogenannten Appenzellerkrieg beziehen, der im ersten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts den Bodenseeraum erschütterte [Anm. 47]. 1408 konnte eine große Bündniskoalition von Fürsten, Ritterschaft und Städten den Aufstand der Appenzeller Bauern und ihrer Eidgenossen gegen den Abt von St. Gallen niederwerfen. Der anonyme adelsfreundliche Verfasser einer Reimchronik des Appenzellerkrieges (entstanden wohl vor 1405) beklagte die Auflösung aller Ordnung in Stadt und Land. Wie die erwähnten adeligen Publizisten warf er den Städten und Bauern vor, über ihren Stand hinaus zu wollen: Sie wollten selbst Herren sein [Anm. 48]. Doch nicht nur literarische Texte enthalten Zeitklagen. So heißt es in der Bündnisurkunde der schwäbischen Ritterschaft mit der Stadt Konstanz aus dem Jahr 1407: Es sei leider offenbar, daß "vil wilder löuf und unredlicher gewält" aufgekommen sei und täglich zunehme, durch die die gemeine Ritterschaft, Herren und Städte, Land und Leute, Klöster und andere ehrbare Leute von dem ihrigen gedrängt würden wider Gott und alle Rechte. Diese unredliche, böse Gewalt aber gehe von den Appenzellern und ihren Bundesgenossen aus [Anm. 49]. Unruhige Verhältnisse durch Fehden waren vielfach Anlaß bitterer Zeitklagen. In der Tat ist davon auszugehen, daß man in erheblichem Ausmaß unter den unfriedlichen Konflikten und ihren Auswirkungen auf Land und Stadt gelitten hat. Im übrigen war nicht nur für die städtischen Haushalte die Fehde ein Störfaktor von beträchtlichem Gewicht: Fehden kosteten viel Geld, auch wenn sie gütlich beigelegt werden konnten [Anm. 50].

Wer Indizien für eine gesellschaftliche Dysfunktionalität der Fehde nicht leichthin mit dem Hinweis auf die notwendigerweise schmerzhaften Geburtswehen des modernen Staates abtun will, ist gut beraten, nach einem Modell zu suchen, das den irrationalen Momenten des Fehdewesens, die sich nicht mit strategisch eingesetzten Herrschaftsmechanismen und den ehernen Gesetzen des Territorialisierungsprozesses erklären lassen, hinreichend Rechnung trägt. Gefragt ist also eine Sichtweise, die das Phänomen nicht modernisierungstheoretisch glattstreicht und das Sperrige und Widerständige der mittelalterlichen Fehdepraxis ausblendet. Ohne ein solches ausgearbeitetes Modell hier vorlegen zu können, möchte ich doch zu bedenken geben, ob nicht die stärkere Rezeption der Schweizer Forschung zum spätmittelalterlichen Kriegswesen der Eidgenossenschaft hierbei hilfreich sein könnte. Auch wenn die Forschungen von Hans Georg Wackernagel und Walter Schaufelberger ideologisch stark belastet sind, so bleibt doch der tatsächliche Befund, daß sich im Raum der Eidgenossenschaft eine andere Kultur des Krieges ausgebildet hat, die auf den bundesdeutschen Forscher ebenso faszinierend wie exotisch wirkt. Was die Forschungen Wackernagels [Anm. 51] anbetrifft, so muß ich mich mit einigen Stichworten begnügen: der enge Zusammenhang zwischen Kriegertum und sogenannten brauchtümlichen Phänomenen, beispielsweise das Auftreten von Maskenkriegern im Schwabenkrieg 1499 [Anm. 52]; die Verbindung von Fehdewesen, Blutrache und Rügebrauch; die Jugendverbände und Knabenschaften als Träger kriegerischer Aktivitäten; die Rolle der sogenannten Freischaren und Blutharste; irrationale Ritualisierungen im Kriegswesen, von Wackernagel als "Kriegsbräuche" bezeichnet.

Zur Debatte steht natürlich auch die affektive Seite des Fehdewesens, also insbesondere die Rolle von Haß und Rache. Für die Stadt-Adel-Konflikte wird man eine große Rolle der Vergeltung noch am ehesten plausibel machen können: Adelige reagierten mit neuen Fehden auf den "kurzen Prozeß" der verhaßten Städte, die ihre Standesgenossen als Kriminelle hinrichten ließen. Besonders die Nürnberger Obrigkeit - im Adel sprach man von den Nürnberger "Bluthunden" [Anm. 53] - hat sich mit Exekutionen Adeliger hervorgetan, und jüngst unterstrich denn auch Peter Ritzmann in seiner Absberg-Monographie, adelige Heckenreiter und Nürnberger Plackerjäger seien "echte Haßgegner" gewesen [Anm. 54]. Ein um 1520 gedrucktes Lied von dem 1465 oder 1466 in Ulm hingerichteten Hamann von Reischach, dem abgesagten Feind der Stadt, endet mit einem Hinweis auf die Rachepflicht des Sohns des Täters. An die Ulmer Obrigkeit gewandt, heißt es [Anm. 55]:

das kindlein in der wiegen leit
das noch kein wort kan sprechen,
seinen vater den mu+oß es rechen!

Das Gnadenbitten durch Erzherzogin Mechthild von Österreich, die bekannte Literaturpatronin, war ergebnislos geblieben. Der Zimmernchronist erzählt sogar, die Ulmer hätten, um ihr die Bitte nicht abschlagen zu müssen, Hamann zum einen Tor hinausgeführt, gerade als sie zum anderen Tor eingeritten sei [Anm. 56]. Die soeben angeführten Beispiele sind natürlich Extremfälle. Doch auch wenn man die "Dialektik von Exempelstrafe und Sanktionsverzicht" (Gerd Schwerhoff [Anm. 57]) berücksichtigt, von der die vormoderne Strafjustiz bestimmt wird, wird man aus kommunikationsgeschichtlicher Perspektive annehmen dürfen, daß eine so rabiate politische Justiz zur Eskalation der Gewalt und zur Verschärfung des Stadt-Adels-Gegensatzes wesentlich beigetragen hat.

Mein Beitrag hat kein Gesamtbild adeliger Gewalt in Südwestdeutschland bzw. des Fehdewesens und auch keinen geschlossenen Gegenentwurf zu den Arbeiten von Algazi, Zmora und Morsel vorlegen können. Lediglich als Anregung für die weitere Diskussion möchte ich zu den von mir ausgewählten Aspekten folgende vier Thesen und Forderungen formulieren:

1. Eine Orientierung der Forschung am Gewaltbegriff ist problematisch, da aus diesem Ansatz konsequenterweise eine "historie totale" mittelalterlicher Herrschaftsordnung, mittelalterlicher Konflikt- und Friedensverhältnisse zu resultieren hätte.
2. Bei der Analyse des Fehdewesens sollte wieder mehr auf die Bindung der Fehde an das Recht geachtet werden. Machtpolitisch akzentuierte Ansätze, die adelige Interessenwahrnehmung in den Mittelpunkt stellen, greifen zu kurz.
3. Eine breitere Einbeziehung der Begriffe, Formulierungen und Argumentationen der Fehdeschriften - kurz: eine größere Quellennähe - erschiene mir wünschenswert. Diese Dossiers als Teil eines ordnungspolitischen Diskurses und aufschlußreiche wertegeschichtliche Quelle zu lesen scheint mir eine bedeutsame Aufgabe künftiger Forschung zu sein. Editionen von Fehdeschriften wären dabei außerordentlich hilfreich.
4. Irrationale Momente und die affektive Dimension der Fehde dürfen nicht ausblendet, sondern müssen behutsam beschrieben und gedeutet werden.


Anmerkungen

[1] Alexander Patschovsky, Fehde im Recht. Eine Problemskizze, in: Recht und Reich im Zeitalter der Reformation. Festschrift für Horst Rabe, hrsg. von Christine Roll, 2. Aufl., Frankfurt am Main u.a. 1997, S. 145-178, hier S. 169 Anm. 80 (nach der Ausgabe der Vorsokratiker von Hermann Diehls, Fragment 53). - Ich habe mich im folgenden im wesentlichen darauf beschränkt, den Vortragstext mit Nachweisen zu versehen. [zurück]

[2] Otto Brunner, Land und Herrschaft. Grundfragen der territorialen Verfassungsgeschichte Österreichs im Mittelalter, Nachdruck der 5. Aufl. 1965, Darmstadt 1984, S. 108. [zurück]

[3] Gadi Algazi, Herrengewalt und Gewalt der Herren im späten Mittelalter. Herrschaft, Gegenseitigkeit und Sprachgebrauch, Frankfurt/New York 1996, S. 142. Vgl. zuvor schon: Gadi Algazi, "Sie würden hinten nach so gail". Vom sozialen Gebrauch der Fehde im 15. Jahrhundert, in: Physische Gewalt, hrsg. von Thomas Lindenberger/Alf Lüdtke, Frankfurt a. M. 1995, S. 39-77. [zurück]

[4] Algazi, Herrengewalt (wie Anm. 3), S. 147. [zurück]

[5] Ebd., S. 133. [zurück]

[6] Joseph Morsel, Das sy sich mitt der besstenn gewarsamig schicken, das sy durch die widerwertigenn Franckenn nitt nidergeworffen werdenn. Überlegungen zum sozialen Sinn der Fehdepraxis am Beispiel des spätmittelalterlichen Franken, in: Strukturen der Gesellschaft im Mittelalter. Interdisziplinäre Mediävistik in Würzburg, hrsg. von Dieter Rödel/Joachim Schneider, Wiesbaden 1996, S. 140-167, hier S. 154. Zur Ablehnung des Gewaltbegriffs vgl. ebd., S. 141 Anm. 4. [zurück]

[7] Ebd., S. 163. [zurück]

[8] Ebd., S. 167. [zurück]

[9] Hillay Zmora, State and nobility in early modern Germany. The knightly feud in Franconia, 1440-1567, Cambridge 1997, S. 110. [zurück]

[10] Ebd., S. 143. [zurück]

[11] Regina Görner, Raubritter. Untersuchungen zur Lage des spätmittelalterlichen Niederadels, besonders im südlichen Westfalen, Münster 1987. An neueren Monographien verdienen Erwähnung: Ulrich Andermann, Ritterliche Gewalt und bürgerliche Selbstbehauptung. Untersuchungen zur Kriminalisierung und Bekämpfung des spätmittelalterlichen Raubrittertums am Beispiel norddeutscher Hansestädte, Frankfurt am Main u.a. 1991; Andreas Widmer, "daz ein bu+ob die eidgenossen angreif". Eine Untersuchung zu Fehdewesen und Raubrittertum am Beispiel der Gruber-Fehde (1390-1430), Bern u.a. 1995; Thomas Vogel, Fehderecht und Fehdepraxis im Spätmittelalter am Beispiel der Reichsstadt Nürnberg (1404-1438), Frankfurt a. M. u.a. 1998. [zurück]

[12] Die umfangreichere maschinenschriftliche Fassung der Dissertation Zmoras habe ich nicht konsultiert. [zurück]

[13] Zu den "Schleglern" vgl. Christoph Kutter, Zur Geschichte einiger schwäbischer Rittergesellschaften des 14. Jahrhunderts, in: Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte 50 (1991), S. 87-104, hier 92-98. [zurück]

[14] Nachweis bei Klaus Graf, Die Fehde Hans Diemars von Lindach gegen die Reichsstadt Schwäbisch Gmünd (1543-1554). Ein Beitrag zur Geschichte der Städtefeindschaft, in: "Raubritter" oder "Rechtschaffene vom Adel"? Aspekte von Politik, Friede und Recht im späten Mittelalter, hrsg. von Kurt Andermann, Sigmaringen 1997, S. 167-189, hier S. 179. [zurück]

[15] Kurt Andermann, Raubritter - Raubfürsten - Raubbürger? Zur Kritik eines untauglichen Begriffs, in: "Raubritter" (wie Anm. 14), S. 9-29, hier S. 28. [zurück]

[16] Es genügt hier der Hinweis auf einen neueren Sammelband: Der Krieg im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit: Gründe, Begründungen, Bilder, Bräuche, Recht, hrsg. von Horst Brunner, Wiesbaden 1999. [zurück]

[17] Zu ihm vgl. jüngst Christine Reinle, Ulrich Riederer (ca. 1406-1462), Mannheim 1993, S. 214-257. [zurück]

[18] Brunner, Land (wie Anm. 2), S. 4f. [zurück]

[19] Heinrich Wittenwiler, Der Ring. Frühneuhochdeutsch/Neuhochdeutsch, hrsg. von Horst Brunner, Stuttgart 1991, S. 423 (nach dieser Ausgabe die Textzitate). Zur Begründung dieser Übersetzung vgl. Helmar Mittler, Das Recht in Heinrich Wittenwilers "Ring", Freiburg i. Br. 1967, S. 126f. Zu Wittenwilers Kriegslehre und seiner Vorlage Legnano vgl. ausführlich ebd., S. 101-158. [zurück]

[20] Jacob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 4.1.3, bearb. von Hermann Wunderlich, Leipzig 1911, Nachdruck München 1984 Bd. 6, Sp. 4910-5094, hier Sp. 4939, 4943, 4980f. [zurück]

[21] Vgl. dazu jetzt auch Werner Röcke, Der groteske Krieg. Die Mechanik der Gewalt in Heinrich Wittenwilers 'Ring', in: Der Krieg im Mittelalter (wie Anm. 16), S. 263-277. [zurück]

[22] Herbert Obenaus, Recht und Verfassung der Gesellschaften mit St. Jörgenschild in Schwaben. Untersuchungen über Adel, Einung, Schiedsgericht und Fehde im 15. Jahrhundert, Göttingen 1961, S. 55-67. [zurück]

[23] Quellenmäßig illustrierten läßt sich dies an dem umfangreichen Material, das in Regestenform zu dem fehdefreudigen Herzog Reinold VI. von Urslingen (gest. 1442) - vgl. jüngst Widmer, Gruber-Fehde (wie Anm. 11), S. 139-151 - zusammengestellt wurde: Klaus Schubring, Die Herzoge von Urslingen. Studien zu ihrer Besitz-, Sozial- und Familiengeschichte mit Regesten, Stuttgart 1974, beispielsweise Regest Nr. 361 zu 1429: Fehde, weil der Gegner auf keines der Gebote zu Ehre und Recht eingegangen ist. [zurück]

[24] Obenaus, Recht (wie Anm. 22), S. 58. [zurück]

[25] Ebd., S. 59. [zurück]

[26] Vgl. auch Hartmut Boockmann, Mittelalterliches Recht bei Kleist. Ein Beitrag zum Verständnis des 'Michael Kohlhaas', in: Kleist-Jahrbuch 1985, S. 84-108, hier S. 91f.: "Wer sich hier als Fehdeführer von einem Räuber unterscheiden wollte, der war auf eine gewisse Schriftlichkeit verwiesen, der mußte den Kreis derer, die über seine Ehre zu urteilen hatten, von der Rechtlichkeit seines Vorgehens überzeugen, und dazu bedurfte es schriftlicher, an viele Adressaten zu richtender Darlegungen: offener, vervielfältigter Briefe". [zurück]

[27] Vgl. außer den bei Graf, Städtefeindschaft (wie Anm. 14), S. 177 gegebenen Hinweisen noch: Karl Vocelka, Fehderechtliche "Absagen" als völkerrechtliche Kriegserklärungen in der Propaganda der frühen Neuzeit, in: Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichte 84 (1976), S. 378-410. [zurück]

[28] Obenaus, Recht (wie Anm. 22), S. 80. [zurück]

[29] Ebd., S. 70. [zurück]

[30] Grimm, Wörterbuch (wie Anm. 20), Bd. 4.1.5, Nachdruck Bd. 8, Sp. 105. [zurück]

[31] Vgl. dazu künftig zusammenfassend den Sammelband Kriminalitätsgeschichte, hrsg. von Andreas Blauert/Gerd Schwerhoff, Konstanz 2000. [zurück]

[32] Ich stütze mich auf das Referat eines gedruckten Ausschreibens bei Georg Veesenmeyer, Nachricht von zwei Rosenbergischen Fehden: 1) Jörgen, Adolphs und Friederichs von Rosenberg mit dem Bistume Würzburg, 1486; 2 ) Jörgen von Rosenberg mit Asmus, Grafen von Wertheim, 1501-1502, in: Verhandlungen des Vereins für Kunst und Alterthum in Ulm und Oberschwaben 12 (1860), S. 41-56. Vgl. zu dem Konflikt auch Hermann Ehmer, Graf Asmus von Wertheim (1453?-1509). Ein Lebensbild, in: Beiträge zur Erforschung des Odenwaldes und seiner Randlandschaften 5 (1992), S. 151-184. [zurück]

[33] Veesenmeyer, Nachricht (wie Anm. 32), S. 46. [zurück]

[34] Ebd., S. 48. [zurück]

[35] Vgl. dazu Ernst Schubert, "bauerngeschrey". Zum Problem der öffentlichen Meinung im spätmittelalterlichen Franken, in: Jahrbuch für fränkische Landesforschung 34/35 (1975), S. 883-907; Martin Bauer, Die "gemain sag" im späteren Mittelalter, Diss. Erlangen-Nürnberg 1981. [zurück]

[36] Veesenmeyer, Nachricht (wie Anm. 32), S. 49. [zurück]

[37] Vgl. auch den Hinweis bei Graf, Städtefeinschaft (wie Anm. 14), S. 179 und allgemein Klaus Graf, Retrospektive Tendenzen in der bildenden Kunst vom 14. bis zum 16. Jahrhundert. Kritische Überlegungen aus der Perspektive des Historikers, in: Mundus in imagine. Bildersprache und Lebenswelten im Mittelalter. Festgabe für Klaus Schreiner, hrsg. von Andrea Löther u.a., München 1996, S. 389-420. [zurück]

[38] Hillay Zmora, Adelige Ehre und ritterliche Fehde: Franken im Spätmittelalter, in: Verletzte Ehre, hrsg. von Klaus Schreiner und Gerd Schwerhoff, Köln/Weimar/Wien 1995, S. 92-109, hier S. 109. [zurück]

[39] Vgl. jetzt aber die Beiträge in dem Sammelband Der Krieg (wie Anm. 16) von Janine Fehn-Claus, Erste Ansätze zu einer Typologie der Fehdegründe, S. 93-138; Joachim Schneider, "Denn wo das Ende böse ist ...". Gründe und Begründungen für den ersten süddeutschen Städtekrieg in den Äußerungen der Chronisten, S. 139-182; Volker Honemann, Gründe und Begründungen für den Ausbruch der Soester Fehde in den zeitgenössischen Quellen, S. 217-227; Sonja Kerth, Der gute Grund. Modelle für Kriegsbegründungen in Liedern und Reimpaarsprüchen des 15. und 16. Jahrhunderts, S. 229-262. Vgl. auch Dietmar Willoweit, Fürstentum und Landesherrschaft im Konflikt. Die Schriftsätze der Hochstifte Würzburg und Bamberg 1462/63, in: Wirkungen europäischer Rechtskultur. Festschrift für Karl Kroeschell, hrsg. von Gerhard Köbler/Hermann Nehlsen, München 1997, S. 1389-1402, der eine Quellenedition durch Constance Proksch im Rahmen der Würzburger DFG-Forschergruppe "Das Bild des Krieges im Wandel vom späten Mittelalter zur frühen Neuzeit" in Aussicht stellt. [zurück]

[40] Vgl. Graf, Städtefeindschaft (wie Anm. 14). [zurück]

[41] Vgl. auch Klaus Graf, Feindbild und Vorbild. Bemerkungen zur städtischen Wahrnehmung des Adels, Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 141 (1993), S. 121-154 und künftig den Beitrag: "Der adel dem purger tregt haß". Feindbilder und Konflikte zwischen städtischem Bürgertum und landsässigem Adel im späten Mittelalter, erscheint im Tagungsband des Kolloquiums: Adelige und bürgerliche Erinnerungskulturen des Spätmittelalters und der Frühneuzeit (SFB 434 in Gießen am 20.11.1998), Online-Preprint. [zurück]

[42] Graf, Feindbild (wie Anm. 41), S. 126. [zurück]

[43] Joseph Morsel, Die Erfindung des Adels. Zur Soziogenese des Adels am Ende des Mittelalters - das Beispiel Franken, in: Nobilitas. Funktion und Repräsentation des Adels in Alteuropa, hrsg. von Otto Gerhard Oexle/Werner Paravicini, Göttingen 1997, S. 312-375, hier S. 342. [zurück]

[44] Zitiert nach Eberhard Isenmann, Reichsstadt und Reich an der Wende vom späten Mittelalter zur frühen Neuzeit, in: Mittel und Wege früher Verfassungspolitik, hrsg. von Josef Engel, Stuttgart 1979, S. 9-223, hier S. 51f. Anm. 131. [zurück]

[45] Die Gedichte des Michel Beheim, hrsg. von Hans Gille und Ingeborg Spriewald, Bd. 2, Berlin 1970, S. 640-642 Nr. 318; vgl. Katja Scheel, Die Städtekriege in der politischen Lyrik des späteren Mittelalters, in: Leuvense Bijdragen 85 (1996), S. 303-346, hier S. 325f. Zum Kontext der Städtekriegspublizistik aus überlieferungsgeschichtlicher Sicht vgl. jetzt auch Frieder Schanze, Überlieferungsformen politischer Dichtungen im 15. und 16. Jahrhundert, in: Schriftlichkeit und Lebenspraxis im Mittelalter. Erfassen, Bewahren, Verändern, hrsg. von Hagen Keller/Christel Meier/Thomas Scharff, München 1999, S. 299-331, hier S. 307. [zurück]

[46] Zimmerische Chronik. Nach der von Karl Barack besorgten zweiten Ausgabe hrsg. von Paul Herrmann, Bd. 1, Meersburg/Leipzig 1932, S. 283. [zurück]

[47] Eckart Conrad Lutz, Spiritualis fornicatio. Heinrich Wittenwiler, seine Welt und sein 'Ring', Sigmaringen 1990, S. 129-153. Zum Appenzellerkrieg vgl. jüngst die Beiträge in: Appenzell und Oberschwaben. Begegnungen zweier Regionen in sieben Jahrhunderten, hrsg. von Peter Blickle/Peter Witschi, Konstanz 1997. [zurück]

[48] Reimchronik des Appenzellerkrieges, hrsg. von Traugott Schiess, in: Mitteilungen zur vaterländischen Geschichte [St. Gallen] 35 (1919), separat paginierter erster Teil des Bandes, S. 46 V. 1456 (in Bezug auf die Bauern: S. 79 V. 2557). Der Stadt St. Gallen wirft der Autor wohl anläßlich einer Patronatsstreitigkeit vor (S. 46, VV. 1474-1479): "Ir gewalt was ze vil. / Das got nit vertragen wil, / Das kain ungnädiger gwalt / Werd vast alt. / Gwalt sol gna+vd ha+vn, / So mag er dester baß bestan." In einem ständekritischen Exkurs polemisiert er gegen Stadtbürger, die einem ankommenden Edelmann nicht die nötige Ehrerbietung zollen würden (S. 48, VV. 1536-1542). Weil jeder edel sein wolle, entstehe großer Neid und Haß (ebd., VV. 1544-1546). Es werde zu sehr auf das Geld geachtet (S. 49, VV. 1552-1554). [zurück]

[49] Urkundenbuch der Abtei Sanct Gallen, Bd. 4, hrsg. von Hermann Wartmann, St. Gallen 1899, S. 824 Nr. 2404. [zurück]

[50] Markus Bittmann, Kreditwirtschaft und Finanzierungsmethoden, Stuttgart 1991, S. 96-110 hat an Hegauer Beispielen gezeigt, daß unter dem Gesichtspunkt wirtschaftlicher Rationalität Krieg und Fehde "ein Verlustgeschäft" für die beteiligten Adeligen waren (ebd., S. 110). [zurück]

[51] Vgl. nur den Aufsatzband: Hans Georg Wackernagel, Altes Volkstum der Schweiz. Gesammelte Schriften zur historischen Volkskunde, Basel 1959 und Derselbe, Fehdewesen, Volksjustiz und staatlicher Zusammenhalt in der alten Eidgenossenschaft, in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 15 (1965), S. 289-313. Zu Wackernagels Sicht des "unstaatlichen Kriegertums" vgl. auch meinen ungedruckten Beitrag zum Basler Gedenk-Kolloquium "Hirten, Heilige und Studenten" am 16./17.11.1995. [zurück]

[52] Vgl. Wackernagel, Maskenkrieger und Knaben im Schwabenkriege von 1499 [1937], wieder in: Derselbe, Volkstum (wie Anm. 51), S. 247-249. An der Verwertung von Quellenzitaten aus dem Schwabenkrieg durch die sogenannte neuere milititärgeschichtliche Forschung der Schweiz (Walter Schaufelberger) hat scharfe Kritik geübt Bruno Meyer, Der Thurgau im Schwabenkrieg von 1499, in: Thurgauische Beiträge zur vaterländischen Geschichte 116/117 (1979/80), S. 5-217, hier S. 111 Anm. 589. Eine (überfällige) gründliche und kritische Auseinandersetzung mit den Forschungen Wackernagels und Schaufelbergers ist auch in den einschlägigen Beiträgen des Schwabenkrieg-Jubiläumsjahres 1999 nicht zu finden: Werner Meyer, Der Kriegsschauplatz am Oberrhein, in: Jahrbuch für solothurnische Geschichte 72 (1999), S. 53-96, bes. S. 28-39 und Florian Hitz, Eidgenössische und bündnerische Kriegsführung um 1500, in: Freiheit einst und heute. Gedenkschrift zum Calvengeschehen 1499-1999, hrsg. von Walter Lietha, Chur 1999, S. 149-172. "Für eine Kulturgeschichte des Kriegs" plädiert zurecht Peter Niederhäuser, "Kriegs"-Geschichte im Wandel, in: Vom "Freiheitskrieg" zum Geschichtsmythos. 500 Jahre Schweizer- oder Schwabenkrieg, hrsg. von Dems./Werner Fischer, Zürich 2000, S. 155-179, hier S. 169, freilich ohne auf das Wackernagel-Schaufelberger-Paradigma einzugehen. [zurück]

[53] Helgard Ulmschneider, Götz von Berlichingen. Ein adeliges Leben der deutschen Renaissance, Sigmaringen 1974, S. 47. [zurück]

[54] Peter Ritzmann, "Plackerey in teutschen Landen", Diss. München 1995, S. 102, 574 u.ö. [zurück]

[55] Geschichtliche Lieder und Sprüche Württembergs, hrsg. von Karl Steiff/Gebhard Mehring, Stuttgart 1899-1912, S. 50 Nr. 13 Str. 23. Zu anderen sogenannten "Raubritterliedern" vgl. Wolfgang Zink, Die Lindenschmidtlieder. Ein historisches Ereignis und seine Interpretationsmöglichkeiten durch das Volkslied, in: Jahrbuch für Volksliedforschung 21 (1976), S. 41-86. Zum Rachemotiv vgl. ebd., S. 71. [zurück]

[56] Zimmerische Chronik (wie Anm. 46), Bd. 1, S. 418. Vgl. dazu auch im Kontext wichtiger allgemeiner Ausführungen zur spätmittelalterlichen Gnadenpaxis Peter Schuster, Eine Stadt vor Gericht. Recht und Alltag im spätmittelalterlichen Konstanz, Paderborn u.a. 2000, S. 306. [zurück]

[57] Gerd Schwerhoff, Köln im Kreuzverhör. Kriminalität, Herrschaft und Gesellschaft in einer frühneuzeitlichen Stadt, Bonn/Berlin 1991, S. 172. [zurück]

[ Stadt Adel Region ]

Quelle = Email <H-Soz-u-Kult>

From: "Klaus Graf" <graf@uni-koblenz.de>
Subject: Artikel: Gewalt und Adel - Ueberlegungen zur Fehde
Date: 09.05.2000