Die Geisteswissenschaften in den deutschen Feuilletons (13.03.-19.03.2007)

Von
Selge, Hans

"Die Geisteswissenschaften in den deutschen Feuilletons" ist eine wöchentliche Presseschau, die der Perlentaucher in Kooperation mit dem Wissenschaftsjahr 2007 "Die Geisteswissenschaften. ABC der Menscheit" herausgibt. H-Soz-u-Kult veröffentlicht als Medienpartner der Initiative eine Auswahl der Beiträge für den Bereich der Geschichtswissenschaften.

Weitere Perlen aus den Feuilletons mit stärkerem Bezug zu Literatur-, Kunst- und Kulturwissenschaften finden Sie auf der Website "ABC der Menscheit" <http://www.abc-der-menschheit.de/>

Themen der Woche

Historiker vergleichen Nationalsozialismus und Stalinismus

In der FAZ stellen die Historiker Jörg Baberowski und Anselm Doering-Manteuffel, die gerade das Buch "Ordnung durch Terror" veröffentlicht haben, fest, dass sich Nationalsozialismus und Stalinismus sehr wohl vergleichen lassen:
"Im Historikerstreit wurde gar nicht verglichen. Was daran lag, dass die Deutschland-Historiker von der osteuropäischen Geschichte, speziell von der Sowjetunion, keinen blassen Schimmer hatten. In der Tat hat sich nach der Öffnung der Archive und nach der Rückkehr Osteuropas in den europäischen Erinnerungsraum etwas geändert. Jetzt wird klarer, dass beide Regime auch ganz ähnliche Herausforderungen mit ähnlichen Gewaltmechanismen hatten. Das haben wir bezeichnet mit dem Begriff des Strebens nach Ordnung, nach Eindeutigkeit. Beide Regime haben ähnliche Techniken des Mordens eingesetzt, um die selbstgeschaffenen Probleme zu überwinden. Insofern kann aus dem Vergleich eine neue Einsicht gewonnen werden."
FAZ, 16.3.2007
http://www.faz.net/s/Rub117C535CDF414415BB243B181B8B60AE/Doc~E17B19A34E4FA4EB4B544CF1F149E07AA~ATpl~Ecommon~Scontent.html

Zygmunt Baumans stalinistische Vergangenheit

Der Historiker Bogdan Musial – bekannt geworden als scharfer Kritiker der Wehrmachtsausstellung – deckt in der FAZ die von diesem angeblich verschwiegene stalinistische Vergangenheit des Soziologen und Philosophen Zygmunt Bauman auf: "Tatsache ist, dass sich Bauman mehr als zwanzig Jahre lang für das kommunistische Gewaltregime in Polen stark engagierte, echte und vermeintliche Gegner des Stalinismus mit der Waffe in der Hand bekämpfte und sie verleumdete."
FAZ, 20.3.2007

Historiker ignorieren das "(Homo-)Sexuelle"

Nach dem Besuch einer Hamburger Ausstellung über Homosexuelle im Dritten Reich und danach richtet Jan Feddersen in der taz Vorwürfe gegen die etablierte Geschichtswissenschaft: "Das (Homo-)Sexuelle historisch zu erforschen war hierzulande bislang noch nie karriereförderlich - ob es sich nun um das Münchner Institut für Zeitgeschichte handelt oder die Bielefelder Historiker um Hans-Ulrich Wehler."
taz, 17.3.2007
http://www.taz.de/pt/2007/03/17/a0002.1/text.ges,1
Infos zur Ausstellung: http://www.hamburg-auf-anderen-wegen.de

Institut für Altertumswissenschaft gerettet

Der Tagesspiegel meldet, dass das Auswärtige Amt das Deutsche Evangelische Institut für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes (DEI) in Jerusalem und Amman in die Regelförderung aufgenommen – und so vor der Schließung bewahrt hat.
Tagesspiegel, 14.3.2007
http://www.tagesspiegel.de/wissen-forschen/archiv/14.03.2007/3137996.asp

Bücher und Rezensionen

Sehr positiv fällt das Urteil von Caspar Hirschi in der FAZ über einen Band zur Geschichte der Zensur in der Aufklärung aus: "Herausgeber Wilhelm Haefs und York-Gothart Mix verknüpfen Stränge französischer, angelsächsischer und deutscher Zensurtheorien für eine umfassende Betrachtung der erst bruchstückhaft erforschten Zensurgeschichte des Alten Reichs. Der thematische Aufbau des Bandes ist das Resultat eines geglückten Spagats: Um eine trennscharfe Terminologie bemüht, plädieren die Herausgeber für einen engen, auf juristische Kriterien gestützten Zensurbegriff; gleichzeitig stecken sie einen inhaltlichen Rahmen ab, in dem auch Anhänger eines weiten Zensurbegriffs ihren Platz finden."
FAZ, 14.3.2007

In der SZ bespricht Christopher Schmidt Günter Rühles "Monumentalwerk" zum "Theater in Deutschland 1887-1945" und prophezeit, dass es in Zukunft unverzichtbar sein wird: "Ehrfurcht gebietend ist allein der wissenschaftliche Anhang. Zeittafel, Glossar und Tausende von Fußnoten empfehlen diese 1,5 Kilo gewichtige und wichtige Theatergeschichte als Standardwerk, das in jeden theaterwissenschaftlichen Handapparat gehört."
SZ, 20.3.2007

Tagungen

Zur Überlieferungsbildung der Achtundsechziger

In Stuttgart waren Archivare und Historiker versammelt, um über die Überlieferungsbildung der Achtundsechziger zu diskutieren. Erstaunt stellte man, wie Martin Otto in der FAZ berichtet, fest, dass der Zeitgeist weht, wo er will: "1969 war in der damals ausgerechnet in Stuttgart erscheinenden Jugendzeitschrift 'Micky Maus' von einem 'Verbandsideologen' und dem 'Aneignen der Produktionsmittel' die Rede. Etzemüller hatte eine Erklärung dafür: Eine Folge von 1968 sei gewesen, dass marxistische Begriffe auch von Nicht-Achtundsechzigern übernommen worden seien, weil ihnen für bestimmte Zusammenhänge das Vokabular gefehlt habe."

Verkehr und Mobilität

In der NZZ gibt es einen Bericht von Cord Aschenbrenner zu einer Berliner Konferenz über Verkehr und Mobilität, bei der Referenten wie Karl Schlögel – der "Spiritus Rector" der Veranstaltung - und Dirk van Laak vor allem die historische Perspektive betonten.
NZZ, 16.3.2007
http://www.nzz.ch/2007/03/16/fe/articleF06A5.html

Geschichts- und Kulturmuseen

Am Deutschen Historischen Museum fand eine Tagung zum Thema Geschichts- und Kulturmuseen statt, bei der allerdings die Differenzen zwischen europäischen und außereuropäischen Nationalmuseen, wie Andrea Mix in der Berliner Zeitung meint, etwas kurz kamen: Dass die Geschichtsmuseen Australiens oder Kanadas "ganz andere Funktionen und Probleme haben als die europäischen Nationalmuseen, ging bei den Powerpoint-Präsentationen der stolzen Museumsmacher unter."
Berliner Zeitung, 19.3.2007
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/print/feuilleton/638333.html

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