INTERNATIONALE ARBEITSRUNDE ZUR GESCHICHTE DER SEELENHEILKUNDE

Krankheitsbilder-Krankheitskonzepte - Roemische Gespraeche zur Geschichte der Seelenheilkunde

Unter der freundlichen Schirmherrschaft des Goethe-Instituts Rom
Donnerstag 29.5.97 und Freitag 30.5.97
Rom ,Accademia Lancisiana"

Gruess Gott und ein herzliches Willkommen!

Zum ersten Mal in ihrer Geschichte trifft sich die INTERNATIONALE ARBEITSRUNDE ZUR GESCHICHTE DER SEELENHEILKUNDE ausserhalb Deutschlands. Die Tagung wird in Kooperation mit dem Auslandsreferat fuer Italien der DGPPN (Herr Dr. R. Schmidt, Kliniken Schmieder, Konstanz und Frau Dr. I. Hinnenthal Mandelli, Psychiatrische Universitaetsklinik, Koeln) und der Italienischen Gesellschaft fuer Psychiatrie (Herr Prof. Munizza, Turin) veranstaltet. Das Goethe-Institut in Rom (Frau Dr. A. Fackler-Kabisch) hat freundlicherweise die Schirmherrschaft uebernommen.

Herrn Professor Piccione, Rom, und der ,Accademia Lancisiana" gilt der grosse Dank der Arbeitsrunde dafuer, dass das 6. Treffen an solch einem geschichtstraechtigen Ort stattfinden kann. Der Tagungsort "Sala Lancisiana" in der gleichnamigen Akademie in Rom liegt am Tiberufer gegenueber dem Altstadtkern, einen Steinwurf entfernt von der Engelsburg. Die ,Accademia Lancisiana", nach dem gebuertigen Roemer und Leibarzt dreier Paepste Giovanni Maria Lancisi (1654-1720) benannt, hat sich im besonderen mit der Geschichte der Medizin beschaeftigt.

Gegen das aeltere Krankeitskonzept der "mal aria" (schlechte Luft) setzte Lancisi 1717 seine Beobachtung, dass die todbringende Fiebererkrankung ueberall dort zurueckging, wo die Suempfe vor den Tueren der Stadt Rom trocken gelegt wurden. Er schloss daraus, dass Muecken oder Moskitos schaedliche Stoffe uebertragen, die die Krankheit verursachen. In diesem Sinne wurde ein aelteres Krankheitskonzept durch ein neues Paradigma abgeloest.

Vorstellungen ueber Dasein, Wesen und Sinn von Krankheit und Gesundheit wurden in der Geschichte immer wieder neu ersonnen. Den Spartaner Koenig Kleomenes glaubten die Alten von den furchtaren Goettinnen Mania und Lyssa besessen. Erzeugt ein Uebermass an schwarzer Galle Melancholie und/oder aussergewoehnliche Maenner? Cicero dagegen haelt heftigen Zorn, Furcht oder Kummer fuer pathogene Affektionen des Verstandes. Nach Platons Konzept waere die Natur der Grund, warum ein Mensch kraenklich und zuegellos wird. Fuer das Christentum wiederum kann psychische Krankheit Strafe fuer ein suendiges Leben sein. Paracelsus argumentiert, dass der ,Saturn den Melancholicus geschlagen habe". Fuer den ,Praeceptor Germaniae" Melanchthon liegt der Ursprung der Affekte im Herzmuskel; den Beweis fuer seine These nimmt er aus dem Befund, dass das Herz des Markgrafen von Brandenburg infolge von Traurigkeit ausgetrocknet und einer "gedoerrten Birne aehnlich" gewesen sei (Loci communes 1521).

Wird psychische Krankheit durch die "Entgleisung der Leib-Seele Harmonie" verursacht? Oder ist es die unerfuellte, ueberbordende Leidenschaft, die die Ordnung des Seelenlebens zerstoert? Erkrankt die Seele oder das Gehirn? Lombroso erklaert das Genie aus einer "abnormen Taetigkeit des Gehirns" und ordnet es bei ,degenerativen epileptoiden Psychosen" ein. Wahnsinn als innere Stoerung der Nervensubstanz? In "wilder Ausschweifung, Trunksucht und Voellerei" aber auch in "widernatuerlicher, selbstbeschmutzender Onanie" fand der deutsche Arzt Heinroth Ursachen fuer die Geistesstoerung. Aus der phrenologischen Sicht von Franz Gall wird das Wesen der Krankheit durch ihren Ort im Organismus verstanden. Ist die Zelle der Herd der Krankheit? Macht die Seele, die Gesellschaft, die Umwelt krank? Griesinger erklaerte psychische Krankeiten zu Hirnerkrankung. Sind die Gene die Determinanten des persoenlichen "Lebensplans" (A. Adler)? Der Wiener Nervenarzt Sigmund Freud erinnert an die Kraft des Unbewussten in Krankheit und Gesundheit. Und heute? Kann es, muss es ein verbindliches Konzept von Krankheit und Gesundheit geben?

Wir freuen uns auf spannende und fruchtbare Gespraeche in Rom und laden herzlich dazu ein.

W. Schmitt, Saarbruecken
A. Homberg, Rom
G. Wahl, Bad Schussenried

Wissenschaftliches Programm:

Donnerstag, 29. Mai 1997

• 14 00 Uhr Begruessung Herr R. Piccione, Frau A. Homberg, Herr W. Schmitt
• 14 30 Uhr Frau J. Wilmanns, Seelische Stoerungen aus der Sicht griechischer und roemischer Aerzte. Krankheitstheorien und Therapieversuche.
• Zeit zum Gespraech
• 15 10 Uhr Herr J. Glatzel, Die Nobilitierung des Wahnsinns - die Tradition des aristotelischen Melancholieverstaendnis.
• Zeit zum Gespraech
• 15 50 Uhr Herr M. Kutzer, "Da die Geistseele immateriell und in ihrer Essenz unveraenderlich ist..." Die galenistische Konzeption psychischer Krankheit im 16. und 17. Jahrhundert.
• Zeit zum Gespraech
• Pause (25 Minuten)
• 16 55 Uhr Herr R. Appell, S. Hahnemann und die Anwendung des Aehnlichkeitsdenkens auf die Psychiatrie seiner Zeit.
• Zeit zum Gespraech
• 17 35 Uhr Frau E. Quinkler-Koch, Ein literarisches Beispiel fuer den Selbstheilungsversuch einer Wahnsinnigen,. dargestellt an Goethes "Lila," mit Bezuegen zur zeitgenoessischen Psychiatrie und zur Gegenwart.
• Zeit zum Gespraech
• 18 15 Uhr Herr T. Hamanaka, Zum Wandel der nosologischen Konzeption der psychischen Krankheiten
• Zeit zum Gespraech
• Ende des wissenschaftlichen Programms des ersten Tages.
• 20 00 Uhr Gemeinsames Abendessen in der roemischen Altstadt.
• Diskussion zur weiteren Arbeit der INTERNATIONALEN ARBEITSRUNDE ZUR GESCHICHTE DER SEELENHEILKUNDE und Gruendung einer Deutsch-Italienischen, Italienisch-Deutschen Arbeitsrunde.

Freitag, 30. Mai 1997

• 8 30 Uhr Fuehrung in der Bibliothek der "Accademia Lancisiana".
• 10 00 Uhr Begruessung
• 10 15 Uhr Herr H. Groeger, Der paradigmatische Wandel in der Wiener medizinischen Schule der Psychiatrie des ausgehenden 19.Jahrhunderts - von der anatomischen Hirnforschung (Meynert) zur klinischen Phaenomenologie (Krafft-Ebing)
• Zeit zum Gespraech
• 10 55 Uhr Frau A.Homberg und Frau F. Fagioli, Zur Einfuehrung der medizinischen Methodik in die Psychiatrie: die Hysterie
• Zeit zum Gespraech
• Pause (25 Minuten)
• 12 00 Uhr Herr N. Lalli, Die Psychotherapie in Italien vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis heute: Problematiken und Aussichten fuer die Zukunft.
• Zeit zum Gespraech
• 12 40 Uhr Mittagspause (2 Stunden)
• 14 40 Uhr Herr F. Giacanelli, Krankheitsmodelle und Ideologien der italienischen Psychiatrie zwischen den beiden Weltkriegen.
• Zeit zum Gespraech
• 15 20 Uhr Herr M. Ferro, Bilder der Schizophrenien von Griesinger bis Kraepelin.
• Zeit zum Gespraech
• 16 00 Uhr Herr W. Schmitt, Die Entwicklung des Schizophrenie-Konzepts.
• Zeit zum Gespraech
• Pause (25 Minuten)
• 17 05 Uhr Frau G. Koptagel-Ilal, Licht und Schatten in der Vergangenheit und in der gegenwaertigen Seelenheilkunde im Mittelosten.
• Zeit zum Gespraech
• 17 45 Uhr Herr C. Mueller, Der Wandel der oeffentlichen Meinung zur Psychiatrie: eine historische Perspektive
• Zeit zum Gespraech
• Ende des wissenschaftlichen Programms.
• 20 00 Uhr Gemuetliches Beisammensein

Tagungsort:

"Sala Lancisiana", "Accademia Lancisiana", Borgo S. Spirito 3, 00193 Rom, Italien

Unkostenbeitrag 100.-DM. Die Teilnehmerzahl ist begrenzt. Erbeten werden deshalb baldmoeglichste Anmeldungen. Nachfragen und Anmeldungen:

oder

(Auch bei Fragen zu Unterkunftsmoeglichkeiten in Rom)

Die Vortraege werden in der Reihe "Wissenschaftlichen Beitraege zur Geschichte der Seelenheilkunde" veroeffentlicht. Der Band 1 "Vom Nutzen und Nachteil der Historie", von 1994 ist leider vergriffen. Eine Neuflage richtet sich nach der aktuellen Nachfrage. Der Band 2 "Heilen-Verwahren-Vernichten" erscheint im Fruejahr 1997. Band 3 behandelt das Thema "Suicid", Band 4 "Hysterie und Besessen-heit", Band 5 "Fremdbestimmung-Selbstbestimmtheit". Band 6 ,Krankheitsbilder-Krankheitskonzepte" (geplant ist eine deutsche und eine italienische Ausgabe).

REFERENTEN

G. Wahl, Reichenbach, den 2.5.97
Facharzt fuer Psychiatrie/Psychotherapie in freier Praxis, Kornstr. 19, 88427
Reichenbach, Telefon 07583 1801, Telefax 770

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