Virtualität und Kontrolle. Minoritäre Praktiken in den Kontrollgesellschaften

Virtualität und Kontrolle. Minoritäre Praktiken in den Kontrollgesellschaften

Veranstalter
Hochschule für bildende Künste Hamburg (Prof. Dr. Hans-Joachim Len-ger) in Kooperation mit der Universität Hamburg (Prof. Dr. Marianne Schuller), dem Institut für Medienwissenschaften der Universität Basel (Prof. Dr. Georg Christoph Tholen) und der Universität Paris 8 (Prof. Dr. Alain Brossat)
Veranstaltungsort
Hochschule für Bildende Künste
Ort
Hamburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
05.11.2008 - 08.11.2008
Deadline
15.06.2008
Website
Von
Prof. Dr. Hans-Joachim Lenger

Virtualität und Kontrolle. Minoritäre Praktiken in den Kontrollge-sellschaften

Hochschule für bildende Künste Hamburg, 05.-08. November 2008
Eine Tagung in der Reihe „querdurch: kunst + wissenschaft“ http://querdurch.hfbk.net

Wir freuen uns, Ihnen unseren Call for Papers für das oben genannte Symposium übermitteln zu dürfen. Erbeten sind Abstracts auf Deutsch, Englisch oder Französisch mit einer Länge von max. 500 Wörtern. Konferenzsprache ist Deutsch, die Vorträge werden auf Deutsch, Englisch oder Französisch gehalten, Dolmetscher übersetzen. Bitte senden Sie uns auch einen kurzen CV (max. 1 Seite) mit Ihrer aktuellen Kontaktinformation. Darüber hinaus bitten wir Sie darum, Ihr Abstract wenn möglich einer der thematischen Sektionen der Tagung zuzuordnen:

a) Das zersplitterte Panoptikum
b) Blick, Stimme, Schrift
c) (Selbst-)Kontrolle der Arbeit
d) Die Macht der Affekte
e) Entgrenzungen der aísthesis
f) Das Design des Denkens
g) Datennetze

Die Deadline für Abstracts ist der 15.06.2008. Bitte schicken Sie Ihr Abstract und Ihre biografischen Informationen an:
lenger@web.de

Virtuality and Control. Minority Practices in Societies of Control

University of Fine Arts (HfbK) Hamburg in cooperation with the University of Hamburg (Prof. Marianne Schuller), the University of Basel Institute of Media Sciences (Prof. Georg Christoph Tholen) and the University of Paris 8 (Prof. Dr. Alain Brossat)
University of Fine Arts (HfbK) Hamburg, November 5-8, 2008
We are pleased to announce our Call for Papers for the above conference and invite max. 500-words abstracts in English, German or French. Conference language will mainly be German, the lectures are held either in German, English or French, translation will be available. Please submit a one-page CV which includes your contact information and specify under which of the following four thematic sections you would like your abstract to be considered.

a) The Shattered Panopticon
b) Hegemonic Codes
c)(Self)Control of Labor
d) The Power of Affect
e) Transgression of Aisthesis
f) Design of Thought
g) Data Networks

The deadline for abstracts is June 15, 2008. Please e-mail all information to: lenger@web.de

„Minoritäre Praktiken“ in den Kontrollgesellschaften?

Gilles Deleuze und Michel Foucault haben den Begriff der „Kontroll-gesellschaft“ eingeführt, um Verschiebungen zu markieren, die sich in den Machtdispositiven moderner Gesellschaften zutragen – dort, wo sie Techniken einer „Disziplinargesellschaft“ zusehends durch solche einer „Kontrolle“ ersetzen. Beruhte jene hauptsächlich auf Mechanismen der Internierung, so funktioniert diese „durch unablässige Kontrolle und unmittelbare Kommunikation“ (Deleuze). Die offene Anwendung unmittelbarer Gewalt, wie sie durch Gefängnis, Polizei oder Militär ausgeübt wird, tritt zurück. An ihrer Stelle installieren sich Mikrotechniken, die sich auf den alltäglichen Kommunikationsbeziehungen niederlassen, um jede ihrer Regungen abzutasten, abzufragen, zu steuern und zu normieren. Neben politischen, ökonomischen und kulturellen Aspekten weist diese Entwicklung nicht zuletzt technisch-mediale auf. „Jeden Gesellschaftstyp kann man selbstverständlich mit einem Maschinentyp in Beziehung setzen: einfache oder dynamische Maschinen für die Souveränitätsgesellschaften, energetische Maschinen für die Disziplinargesellschaften, Kybernetik und Computer für die Kontrollgesellschaften.“ (Deleuze)
Das Symposion wirft die Frage nach politischen, künstlerischen und wissenschaftlichen Praktiken auf, die sich solchen Rastern entzie-hen. Kontrollgesellschaften treiben beispielsweise die Miniaturisie-rung und Mikrologisierung ihrer Technologien voran; sie operieren weniger in hierarchischen als in beweglichen Netzstrukturen, die ein hohes Maß an wechselseitiger Kombinierbarkeit, Programmierbarkeit und Abgleichbarkeit aufweisen. Dies macht sie jedoch anfällig auch für Interventionen, die ihre Elemente aus dem Zusammenhang heraus-sprengen und in Korpuskel eines differenten, devianten oder minoritären Werdens verwandeln. Anders gesagt, rühren Techniken der Kontrollgesellschaften an Virtualitäten, die zwar instrumentalisiert werden sollen, solchen Formierungen jedoch umso unbeherrschbarer entgleiten.
Themen und Fragestellungen:
Sehr grob lassen sich die folgenden sechs thematischen Zugänge unterscheiden. Sie ergeben sich aus der Sache, beziehen sich jedoch ebenso auf eine mögliche Gliederung des Symposions.

a) Das zersplitterte Panoptikum
Zur Kulturgeschichte von Disziplinierung und Kontrolle

Ausgehend von Benthams Panoptikum – bei Foucault gleichsam der „Archetyp“ einer machttechnologischen Verschränkung von Zentralität, Blick, Disziplinierung und Kontrolle – soll der Zerfall der Zentren unter Bedingungen telematischer Techniken untersucht werden. Netzwerke lassen die Mächte zwar geschmeidiger und intensiver werden; zugleich vervielfachen sie in ihrem Innern aber auch jene „blinden Flecken“, die sie mit Disfunktionalitäten aufladen und mit Brüchen durchziehen, die zu anderen Montagen einladen könnten. Lassen sich hier Verschiebungen beschreiben, in denen sich sogar Brüche mit den Kontrolltechniken selbst immer neu aktualisieren?

b) Blick, Stimme, Schrift
Zur Brüchigkeit von Mediendispositiven

Mediale Mächte im engeren Sinn adressieren sich zunächst an das Visuelle, Akustische und Graphematische – als Bildproduktion, Stimm- und Geräuschaufzeichnung und Textproduktion. Lassen sich in diesem Ensemble Kontrolltechniken ausmachen, die bestimmten Medialitäten die Aufgabe zuweisen, über die „Wahrheit“ der anderen zu wachen? Wie etwa steht es mit der „lebendigen Stimme“, auf die sich – einer mächtigen philosophischen und medienstrategischen Tradition zufolge – alle anderen Medien wie auf eine Instanz ihrer Beglaubigung sollten zurückführen lassen? Und welche Perspektiven stellen sich ein, sobald solche Zeichenregimes zu wanken beginnen?

c) (Selbst-)Kontrolle der Arbeit
Subjektivierende Mächte im Postfordismus

Arbeitsprozesse unterliegen tiefgreifenden Verschiebungen, die andere Räume generieren, um ökonomische Ausbeutung zu intensivieren. Weite Bereiche der Informationstechnologien etwa produzieren nicht nur mikrologische Kontrollraster; zugleich lassen sie jene, die ihnen unterworfen sind, kostenlos an einer Aufrechterhaltung und Perfektionierung dieser Raster arbeiten und Disziplinierung in die Selbstkontrolle der Einzelnen verschieben. Neue Subjektivierungsformen parallelisieren den „flexibel“ gewordenen Arbeitnehmer mit dem kulturellen Leitbild des Künstlers. Neben der Aufgabe, solche Prozesse zu analysieren, wirft dies die Frage nach Mikropolitiken auf, die aus diesen Konstellationen neue Elemente des Aufruhrs erzeugen.

d) Die Macht der Affekte
Dressur und Drift der Körper

Mediale Mächte der Disziplinierung nicht anders als solche der Kon-trolle reduzieren sich keineswegs auf eine Hervorbringung von Ord-nungen des Blicks, der Stimme und der Schrift. Sie besetzen die Körper, durchdringen sie und unterwerfen sie einem spezifischen Regime der Affekte. Davon sprechen beispielsweise die Geschichte der sexuellen Differenz oder der „Freizeit“ bis hin zu den Versprechen von „fun“ und „wellness“. Zugleich aber setzen die Körper, die beständigen Semiosen unterworfen sind, aus denen sie hervorgehen, „Anomalien“ frei, die aus den Zeichenordnungen ausbrechen, etwa binäre sexuelle Zuweisungen verlassen und das Diktat einer universellen Flexibilität und Verfügbarkeit unterlaufen. Die Körper als Schauplatz, auf dem Kontrolltechniken und Fluchtbewegungen in heftigen Konflikten begriffen sind – um die Hegemonie über die Affekte.

e) Entgrenzungen der aísthesis
Geschicke künstlerischer Erfahrung

Die verschiedenen Künste waren nicht nur Schauplatz, auf dem sich mediale Mächte der Kontrolle antizipierten und erprobten; sie waren ebenso das Feld, diesen Mächten Widerstand zu leisten, sie ins Leere laufen zu lassen, sie zu umgehen, zu invertieren oder in Fluchtlinien zu unterlaufen. Wie ließe sich an einigen exemplarischen Beispielen diskutieren, welche Bruchlinien sich von hier aus in der Geschichte dieser Künste abzeichnen? Und was wäre the state of the art?

f) Das Design des Denkens
Von der „großen Erzählung“ zum „Wissensmodul“

Der Zerfall dessen, was man die „große Erzählung“ genannt hat, wird heute auch bildungspolitisch durch eine „Modularisierung“ des Wissens beantwortet, die über die Universitäten hinaus prägend geworden ist. Techniken einer Partikularisierung, Quantifizierbarkeit, Abrufbarkeit und Austauschbarkeit generieren Wissensbegriffe, in denen das Versprechen ihrer Autonomie zum bloßen Imperativ der Selbstkontrolle schrumpft. Das „Wissen“ findet an den Universitäten zusehends weniger Obdach. Welche Fluchtlinien zeichnen sich hier ab, die den Apparaten entgehen könnten, und welche anderen Bewegungsformen, Schreibweisen und medialen Konstellationen kündigen sich an, dieses Diktat zu unterlaufen? Nicht zuletzt: Wie könnten solche anderen Figuren des Wissens die tradierten akademischen Apparate infizieren?

g) Datennetze
Die Militarisierung des Zivilen

Datennetze bringen das Globale nicht nur hervor; sie verwandeln es in einen Schauplatz von Konflikten, deren Modell das militärische ist. Der Sprechfunk der Weltkriege findet sich heute in den Handy-netzen totalisiert, der zivile Verkehr wird von denselben Systemen gesteuert, die Lenkwaffen ins Ziel bringen, und das Internet macht Informationskriege um Zeit und Raum zur Voraussetzung, um am Zivilen noch teilnehmen zu können. Wie verschränken sich vor diesem Hintergrund Krieg und Frieden, Militär und Zivilität? Und welche Kriegsmaschinen installiert dies in den Bezirken des Zivilen, um Effekte freizusetzen, die die Kontrolltechniken beständig neu an die Grenzen ihrer Beherrschbarkeit treibt?

Das Symposion soll zwar einen starken wissenschaftlichen Anteil ha-ben, der in einer dreitägigen Vortragsreihe zur Geltung kommt. Doch reduziert es sich nicht darauf. Künstlerische Interventionen in ver-schiedenen Bereichen (Kunst, Theater, Kino) sollen eigenständige „Argumentationen“ entwickeln, die mit den wissenschaftlichen Beiträgen interferieren.

“Minority practices” in Societies of Control?

Starting point for this conference is a term coined by Gilles Deleuze, "Society of Control," which, in juxtaposition to Foucault`s "Disciplinary Society”, denotes new mechanisms and techniques of power. Deleuze supports this idea largely with technological developments and changes in the highly developed industrial nations.
We are interested in political, artistic and scientific practices that not only withdraw themselves from the increasingly complex patterns of control and self control, but perhaps are also able to subvert them:

a) The Shattered Panopticon
New microtechnologies allow control mechanisms to penetrate into our society's "pores" - but can such technologies also be used against the structures, as their own paranoid surges would suggest?

b) Hegemonic Codes
Media powers appeal to the senses while making sure that certain codes establish and maintain "normality." However, which dislocations and displacements within these codes open up gaps and lines of flight that undermine and suspend "normality?"

c) (Self)Control of Labor
Traditional industrial labor forms are visibly replaced by tele-technological structures. But what fragilities do systems based on the circulation of commodities, money, and information exhibit?

d) The Power of Affect
Semiocracy controls both body and mind; it even subjugates sexual difference to a dictatorship of universal flexibility and availability. But which "anomalies" infest these semiocracies disseminating them in other semioses?

e) Transgression of Aisthesis
The various arts have always anticipated media and technological powers and put them to the test; in this way they always exceeded and subverted them at the same time. Which ruptures pervade this field today?

f) Design of Thought
The transformation of knowledge into quantifiable, available and exchangeable particles in our societies characterizes transformation processes that have defeated today's knowledge institutions. Which strategies would enable an escape from this usurpation?

g) Data Networks
Data networks produce a globality that models militarism. But are the conflicts emerging through this change not becoming increasingly difficult to control through military dispositifs?

Prof. Dr. Hans-Joachim Lenger, Hochschule für Bildende Künste, Hamburg

Programm

Kontakt

Hans-Joachim Lenger

Hochschule für Bildende Künste, Hamburg

lenger@web.de


Redaktion
Veröffentlicht am
Autor(en)
Beiträger
Klassifikation
Epoche(n)
Region(en)
Weitere Informationen
Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch
Sprache der Ankündigung