Kontinuitäten und Brüche in der Entwicklungs- und Rezeptionsgeschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager

Kontinuitäten und Brüche in der Entwicklungs- und Rezeptionsgeschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager

Veranstalter
Christiane Heß, Julia Hörath, Dominique Schröder und Kim Wünschmann in Zusammenarbeit mit: Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen, Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück sowie dem Zentrum für Antisemitismusforschung (TU Berlin).
Veranstaltungsort
Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen, Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück
Ort
Ravensbrück
Land
Deutschland
Vom - Bis
12.11.2008 - 16.11.2008
Deadline
16.05.2008
Website
Von
Dominique Schröder

Kontinuitäten und Brüche in der Entwicklungs- und Rezeptionsgeschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager

Der „15. Workshop zur Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager“ wird vom 12. bis zum 16. November 2008 in den Gedenkstätten Ravensbrück und Sachsenhausen (Brandenburg) stattfinden. Beide Tagungsorte haben eine wechselvolle Geschichte, da hier sowohl zur NS-Zeit unterschiedliche Lagertypen bestanden, als auch im Laufe der historischen Entwicklung nach 1945 verschiedenartig ausgerichtete Gedenkstättenarbeit betrieben wurde. Die Frage nach Kontinuitäten und Brüchen als thematischen Schwerpunkt setzend möchten wir uns auf dem Workshop 2008 mit der Entwicklung und Struktur der nationalsozialistischen Konzentrationslager sowie mit der sich wandelnden Erinnerung an diese Orte des Terrors beschäftigen. Kanonisierte Periodisierungen sollen hinterfragt, historische Ereignisse als dynamische Prozesse gedacht und die bisherigen Interpretationen von Ereigniszusammenhängen und Entwicklungsverläufen einer kritisch-rekapitulierenden Betrachtung unterzogen werden. Ziel ist es, die Ergebnisse von empirischen Einzel- bzw. Teilbereichsstudien zu synthetisieren, so deren Abstraktionsniveau anzuheben und dadurch neue Erkenntnisse zu erzielen.

Die geplante Tagung steht in der Tradition des seit 1994 jährlich stattfindenden „Workshops zur Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager“, der in wechselnden Konstellationen von den Teilnehmenden selbst organisiert wird. Als mittlerweile international etabliertes Forum bietet der Workshop NachwuchswissenschaftlerInnen die Gelegenheit, ihre Forschungsvorhaben in fachkundiger und kritischer, aber dennoch kollegialer Atmosphäre zu präsentieren und zu diskutieren. Während in den letzten Jahren die thematische Ausrichtung vor allem auf die Erinnerung an die Konzentrationslager und damit auf ihre Nachgeschichte gelegt wurde, soll dieses Jahr wieder verstärkt die Zeit des Nationalsozialismus selbst fokussiert werden.

Leitende Fragestellungen des 15. Workshops nehmen
(1) das System der Lager, seine Entwicklung, sich wandelnde Funktionen und Strukturen,
(2) die im Gewaltkontext der KZ stehenden Akteure mit ihren je eigenen Erfahrungen, Motiven und Handlungsmöglichkeiten sowie
(3) die unterschiedlichen Formen gesellschaftlicher Aufarbeitung der in den KZ begangenen Verbrechen in den Blick.

(1) In den Themenbereich „Lagersystem“ fallen Fragen nach Kontinuitäten und Brüchen in der Entwicklungs- und Strukturgeschichte des nationalsozialistischen KZ-Systems. Von den improvisierten Haftstätten verschiedenartigster Gestalt und institutioneller Unterstellung der ersten Monate bis zur Herausbildung der Konzentrationslager-SS und dem Aufbau eines weit verzweigten Systems von Haupt- und Nebenlagern waren die Konzentrationslager Haft-, Zwangsarbeits-, Folter- und Sterbeorte für Millionen von Menschen. Die Konzentrationslagerforschung hat versucht, das System der KZ v.a. über Periodisierungen verstehbar zu machen. Sind vor dem Hintergrund neuester Forschungsergebnisse die Entwicklungssprünge in der Geschichte der Lager tatsächlich als qualitative Funktionswandel zu bewerten, bei denen eine frühere Funktion durch eine neue abgelöst wurde? Oder lässt sich im Laufe der Jahre eher eine Zielakkumulation feststellen, hervorgerufen durch die ständig wachsenden Anforderungen an das KZ-System, die neue Funktionen hinzutreten ließen, ohne das alte wirklich aufgegeben wurden? Welche Bedeutung hatten die „frühen Lager“ 1933/34 für die Herausbildung des Gesamtsystems? Stellten die Errichtung der IKL und die damit einhergehende Umorganisation der Konzentrationslager tatsächlich einen derart einschneidenden Bruch dar, wie bisher angenommen? Erfolgte die Einrichtung von Frauen- und Jugendkonzentrationslagern analog zum Ausbau des KZ-Systems oder hat sie eine gesonderte Entwicklung genommen?

(2) Durch eine Blickpunktverschiebung auf die Akteure im Gewaltkontext KZ können auch Entwicklungen jenseits der System- und Organisationsgeschichte auf Kontinuitäten und Brüche hin untersucht werden. Als Täter, Opfer oder Zuschauer traten Menschen einzeln oder in Gruppen auf unterschiedliche Weise mit den KZ in Beziehung bzw. mussten innerhalb der ihnen von der SS aufoktroyierten Häftlingszwangsgesellschaft ums Überleben kämpfen. Vor allem mit dem Forschungsfeld der oral history hat sich ein Zugang zur Geschichte der KZ aufgetan, der nach ganz eigenen Methoden und Analyseinstrumenten verlangt. Lassen sich die aus der Arbeit mit Zeitzeugen und Überlebenden entwickelten Methoden ohne weiteres auf die Täterforschung übertragen? Oder erfordert der Umgang mit den „Tätern“ möglicherweise ein ganz anders geartetes methodisches Instrumentarium? Und welche Aufschlüsse über ihre spezifischen Wahrnehmungen, Beweggründe und Handlungsmöglichkeiten können aus einer Beschäftigung mit den als „Täter“, „Opfer“ und „Zuschauer“ bezeichneten Personengruppen gewonnen werden? Lassen sich neue Erkenntnisse erzielen, wenn statt der institutionellen Entwicklung der Konzentrationslager die Erfahrungen der Opfer in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt werden? Inwiefern spiegeln sich beispielsweise die aus der Organisationsgeschichte der Konzentrationslager abgeleiteten Kontinuitäten und Brüche in den Erinnerungsberichten ehemaliger Häftlinge? Und wie wiederum stellt sich die Entwicklung dar, wird der Verlauf der Verfolgung und Internierung verschiedener Opfergruppen betrachtet? Hier soll der Schwerpunkt insbesondere auf dem Schicksal marginalisierter Opfergruppen, wie Sinti und Roma, Homosexueller, „Asozialer“, ZeugInnen Jehovas und „Krimineller“ liegen. Schließlich soll innerhalb dieses Themenblocks auch das Verhältnis zwischen den Konzentrationslagern und ihrer lokalen Umgebung, seine Veränderungen und Konstanten im Verlauf der zwölfjährigen NS-Herrschaft, untersucht werden.

(3) Nach der Auflösung bzw. Befreiung wurden die Gelände der ehemaligen Konzentrationslager oftmals unsichtbar gemacht, vergessen und erst auf Initiative ehemaliger Häftlinge und häufig gegen den Widerstand der lokalen Bevölkerung zu Orten des Gedenkens umgestaltet. Die historischen Tatorte, heute in verschiedenen Ländern gelegen, wurden sukzessive zu grundlegenden Bestandteilen einer nationalen und inzwischen auch europäischen Erinnerungskultur und Memorialpraxis, an denen sich wiederum ablesen lässt, wie eine Gesellschaft mit ihrer jeweiligen Vergangenheit umgeht und welche in die Zukunft gerichteten gesellschaftspolitischen Handlungsimperative sie aus der Geschichte ableitet. Die verschiedenen Formen der Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit, auf zivilgesellschaftlicher wie staatlicher Ebene, sind erneut Funktions- und Bedeutungswandeln unterworfen, deren Kontinuitäten und Brüche wir im dritten Themenkomplex beleuchten wollen. Welche Funktion hat die Geschichts- und Gedenkstättenpolitik für die nationale Identitätsbildung, betrachtet man die beiden deutschen Staaten vor 1989/90, das wiedervereinigte Deutschland, aber auch die Entwicklung in Osteuropa? Und wie drückte sich dies in der Gedenkstättenkonzeption, Geländegestaltung und Bildungsarbeit aus? Wer positionierte sich wie in kritischer Weise zu den staatlichen Aufarbeitungsformen? Welche Impulse kamen und kommen aus künstlerischen und medialen Bereichen, wie Film, Theater, bildender Kunst und Literatur?

Durch die Auswahl der beiden Tagungsorte mit ihrer wechselvollen Geschichte können einige der hier skizzierten Fragestellungen auch anhand der Lager Oranienburg, Sachsenhausen, Ravensbrück und Uckermark sowie am Beispiel von Gedenkstättenkonzeptionen, Neugestaltungsprozessen und Ausstellungen vor Ort diskutiert und konkretisiert werden. Führungen über die Gelände und anschließende Gespräche mit den verantwortlichen HistorikerInnen und PädagogInnen sind feste Programmpunkte der Tagung.

Die Vorträge sollen den Charakter zwanzigminütiger Impulsreferate haben, an die sich jeweils vierzigminütige Diskussionen anschließen werden. Die Tagung besitzt einen Werkstattcharakter, die Diskussion von offenen Fragen steht im Vordergrund. Die ReferentInnen werden während der gesamten Dauer der Tagung anwesend sein, um einen möglichst tiefgreifenden Austausch zu ermöglichen. Darüber hinaus ist geplant, die Beiträge im Anschluss an den Workshop in einem Tagungsband zu veröffentlichen.

Das Call for Papers richtet sich an fortgeschrittene Studierende und Promovierende, die sich in ihren Arbeiten mit der Geschichte und Nachgeschichte der Konzentrationslager auseinandersetzen. Tagungssprachen sind Deutsch und Englisch.

Wir bitten alle Interessierten, bis zum 16. Mai 2008 ein einseitiges Abstract ihres geplanten Vortrages sowie eine Kurzbiographie an folgende E-Mail-Adresse zu senden:

orgateam.workshop2008@googlemail.com

Die Benachrichtigung der ausgewählten ReferentInnen erfolgt Mitte Juni 2008. Wir bemühen uns Reise- und Unterbringungskosten zu übernehmen.

Das Organisationsteam
Christiane Heß, Julia Hörath, Dominique Schröder, Kim Wünschmann

Programm

Kontakt

Dominique Schröder

Universität Bielefeld

orgateam.workshop2008@googlemail.com