Napoleon war es, der um 1800 die deutsche Staatenwelt nachhaltig durcheinander wirbelte. Das ehrwürdige „Heilige Römische Reich deutscher Nation“ zerfiel, die süd- und mitteldeutschen Staaten wurden unter französischem Protektorat im „Rheinbund“ zusammengefasst, Preußen wurde militärisch besiegt und auf seine östlichen Kernprovinzen reduziert, von Frankreich geschaffene und abhängige Gebilde sollten im Sinne der neuen Ordnung „moralische Eroberungen“ machen, auf das übrige Deutschland abstrahlen, die französischen Einflusssphären festigen und absichern.
Der größte dieser „Modellstaaten“ war das Königreich Westphalen, zusammengewürfelt aus Hessen-Kassel, Braunschweig, den westelbischen Gebieten Preußens und Teilen Hannovers mit Kassel als Zentrum und dem Napoleonbruder Jérôme als Regent. Die Prinzipien der Französischen Revolution hielten in Hessen Einzug. Sichtbare Zeichen dafür waren Verfassung, Rechtsgleichheit für die Bürger, in deren Genuss auch die Juden kamen, und Reichsstände, eine frühe Form des ‚Parlamentarismus‘.
Die darin aufschimmernden Grundsätze eines frühliberalen Rechtstaates wurden überlagert von Unterdrückung und Ausplünderung. 1813, als sich die napoleonische Herrlichkeit dem Ende zuneigte, rührte niemand einen Finger für die ungeliebten Machthaber. Die gewährte „Freiheit“ wog geringer als die Erfahrung der „Fremdherrschaft“, die Reformbemühungen erschienen diskreditiert: Von den Ansprüchen und Realitäten, den Spannungen und Ambivalenzen, welche die westphälische Episode prägten, erzählen die Vorträge dieser Veranstaltungsreihe.