Polizeigeschichte

Polizeigeschichte

Veranstalter
Lehreinheit Geschichtsdidaktik Historisches Seminar Universität Leipzig
Veranstaltungsort
Zeitgeschichtliches Forum Leipzig
Ort
Leipzig
Land
Deutschland
Vom - Bis
12.07.2007 - 14.07.2007
Deadline
06.07.2007
Von
Martin Lücke, Leonard Schmieding, Michael Sturm

In den vergangenen 20 Jahren haben sich die Schwerpunkte der Polizeihistorischen Forschung verschoben: Dominierten in der Polizeigeschichte bis dahin vor allem traditionelle verwaltungsgeschichtliche Zugänge, so haben mittlerweile Untersuchungen zu polizeilichen Praktiken, Selbstbildern und Fremdzuschreibungen an Bedeutung gewonnen. Das Erkenntnisinteresse richtet sich nunmehr verstärkt auf das Beziehungsgeflecht zwischen Polizei und Publikum, die jeweiligen Vorstellungen und Erwartungen, die beide Seiten aufeinander projizieren sowie die sich daraus ergebenden Handlungsoptionen. Nicht mehr die Polizei als gesichtsloser abstrakter „Apparat“ steht im Mittelpunkt des Interesses, sondern die polizeilichen Akteure mit ihren Ressentiments, Ängsten, Wahrnehmungen und Erfahrungen. Hierfür lassen sich nicht zuletzt die Fragestellungen der Körpergeschichte produktiv nutzen.

Das Interesse an der Historisierung von Körpervorstellungen und –praktiken verbindet Ansätze aus der Medizin- und Biologiegeschichte mit der Geschlechtergeschichte, bezieht spezifisch frauen- und männergeschichtliche Fragen ein, erfordert aber zugleich sozialgeschichtliche wie literatur- und kunstwissenschaftliche Konzepte und Methoden. Der oft erbittert geführte Streit zwischen den so genannten Essentialisten auf der einen und den „Konstruktivisten“ auf der anderen Seite ist mittlerweile (fast) beigelegt. Konkreter: Es ist nicht mehr die Frage, ob der menschliche Körper als vordiskursiv gedacht werden soll oder ob sich Körperlichkeit erst durch Diskurse und deren textliche und visuelle Medien herstellt. Vielmehr geht es darum, wie Diskurse, „nicht-diskursive“ Praktiken und Erfahrungen aufeinander bezogen sind und sich wechselseitig konstituieren.

Gerade neuere kulturwissenschaftliche Ansätze verfolgen darüber hinaus einen weiteren Aspekt: Sie interpretieren Institutionen wie Staat, Nation, Militär, aber auch Polizei als Kollektivkörper und gehen der Frage nach, wie solche Institutionen als ‚Körper’ konstituiert werden. Sie beschäftigen sich damit, ob und wie solche Kollektivkörper geschlechtlich kodiert sind, welche Metaphern zur Konstruktion (oder Kritik) beitragen.

Programm

Donnerstag 12.07.2007

15:00
Begrüßung
Alfons Kenkmann (Geschäftsführender Direktor Historischen Seminar, Universität Leipzig)

15:30 – 16:00
Einführung
Martin Lücke/Leonard Schmieding/Michael Sturm (Leipzig)

16:00 – 17:00
Rebecca Pates (Leipzig): Körper der Macht - diskursive Produktionen "der Prostituierten"

Daniel Schmidt (Leipzig): Was weiß die Polizei? Über Wissensbestände und Wissensverläufe in polizei-internen Diskursen, am Beispiel sexueller Dienstleistungen

Moderation: Herbert Reinke (Berlin/Wuppertal)

17:15 – 18:45
Bettina Blum (Münster): „Winker-Miezen“. Weibliche Verkehrspolizei in Dresden 1945-1965

Dirk Götting (Hannover): „Weibliche Eigenart“ und männliche Polizei. Das Konstrukt der „sozialen und geistigen Mütterlichkeit“ als komplementäres Gegenkonzept zum „männlichen Staat und seiner Polizei

Moderation: Alf Lüdtke (Erfurt)

Freitag 13.07.2007

09:15 – 12:00
Nicole Schwager (Zürich): Verwaltete Körper. Zur Praxis der polizeilichen Identifikationstechniken Bertillonage und Daktyloskopie in der Schweiz, 1890–1925.

Jens Dobler (Berlin): Das Bild des Homosexuellen. Polizeiliche Beschreibungen zwischen 1860 und 1933

Michaela Christ (Essen): (Un)sichtbare Körper. Über einige Auswirkungen der Idee vom „jüdischen Körper“ auf Verfolgung und Verfolgte während des Nationalsozialismus

Moderation: Elisabeth Kohlhaas (Leipzig)

14:00 – 15:30
Thomas Köhler (Münster): Die Erlösung vom Körper. Das „eherne Gesetz“ des Schutzpolizisten Erich Siewers

Harald Jenner (Berlin): „Ein Polizist, der seine Angaben aus dem Reiche seiner überspannten Phantasie herholt, ist nicht an seinem Platz“. Das Bild des Polizisten bei Karl May

Moderation: Michaela Rücker (Leipzig)

15:45 – 18:00
Gerhard Sälter (Berlin): Ein politisch homogenes und loyales Kollektiv schaffen. Zur Rekrutierungspraxis von Grenzpolizisten der DDR in den fünfziger und sechziger Jahren

Nadine Rossol (Limerick): Erzieher und Märtyrer: Polizeikörper, Staatsrepräsentation und Legendenbildung in der Weimarer Republik und dem Dritten Reich

Daniel Schmidt (Münster): Der Kampf um den öffentlichen Raum. Schutzpolizisten, Kommunisten und Nationalsozialisten im Ruhrgebiet 1930-1933

Moderation: Klaus Weinhauer (Bielefeld)

Samstag 14.07.2007

10:00 – 12:30
Uwe Schellinger (Freiburg): Praxis und Problematik der „Kriminaltelepathie“ vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart

Clemens Heitmann (Leipzig): Archivische Überlieferung von Sicherheitsbehörden in Sachsen. Organisation – Archivbestände – Forschungsstand

Bärbel Fest (Berlin): „Ein Tag im Mai“. Ein Filmprojekt über den „Revolutionären 1. Mai“ in Berlin

Moderation: Gerhard Fürmetz (München)

12:30 – 13:00
Abschlussdiskussion

Kontakt

Michael Sturm

Historisches Seminar - Lehreinheit Geschichtsdidaktik
Beethovenstraße 15, 04107 Leipzig
0341/9737060
0341/9737059
sturm@rz.uni-leipzig.de

http://www.uni-leipzig.de/~geschdid/