Sommerakademie: "Multiethnizität im lokalen Raum. Europäische Städte im 19. und 20. Jahrhundert im Vergleich" (Herder-Institut Marburg)

Sommerakademie: "Multiethnizität im lokalen Raum. Europäische Städte im 19. und 20. Jahrhundert im Vergleich" (Herder-Institut Marburg)

Veranstalter
Herder-Institut e.V.
Veranstaltungsort
35307 Marburg
Ort
Marburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
19.08.2007 - 30.08.2007
Deadline
31.03.2007
Von
Dr. Heidi Hein-Kircher

Multiethnizität im lokalen Raum
Europäische Städte im 19. und 20. Jahrhundert im Vergleich
Internationale und interdisziplinäre Sommerakademie des Herder Instituts

Multiethnizität ist ein Phänomen, das in letzter Zeit vermehrte Aufmerksamkeit auf sich zieht. Waren es lange Zeit primär angloamerikanische Historiker, die das Erbe des Kolonialismus und die eigene Erfahrung mit ethnischer Vielfalt zur Auseinandersetzung mit den Problemen und Chancen multiethnischer Koexistenz anregte, so beginnt sich auch die deutsche Geschichtswissenschaft zunehmend mit diesem Thema zu beschäftigen. Die Vielfalt ethnischer Gruppen in Europa, die nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wieder deutlich wurde, die internationalen Migrationströme sowie die akuten Konflikte, die sich aus der Konkurrenz ethnischer oder konfessioneller Zugehörigkeit ergeben können, sind maßgeblich für das gegenwärtige Interesse an Multiethnizität verantwortlich. Zu deutlich hat die Wirklichkeit gerade des letzten Jahrzehnts gezeigt, dass Klassenzugehörigkeit, obwohl sie nach wie vor von großer Bedeutung ist, Ethnizität oder Religion nicht zu eliminieren vermochte. Diese sind vielmehr in ungeahnter Stärke in die Geschichte zurückgekehrt und beanspruchen dort ihren historischen Platz.

Wie Menschen mit Menschen anderer Sprache, Kultur oder Konfession umgehen, lässt sich besonders trennscharf im lokalen Raum untersuchen. Die Sommerakademie 2007 des Herder Instituts will sich dem Problem von Multiethnizität daher anhand eines Vergleichs europäischer Städte annähern, in denen unterschiedliche ethnische oder konfessionelle Gruppen zusammenlebten. Diese Städte sollen primär unter der Leitfrage untersucht werden, ob Multiethnizität notwendigerweise zu Konflikten führt oder ob sich auch friedliche Formen des Zusammenlebens beobachten lassen. Vier Untersuchungsebenen erscheinen weiterführend: Erstens sind für einen solchen Vergleich grundlegende Fragen nach Migration, Urbanisierung und Industrialisierung relevant. Damit verbunden ist die statistische Erfassung von "Ethnizität", welcher anhand von Selbstzeugnissen auch die jeweilige Selbstwahrnehmung der Protagonisten gegenübergestellt werden soll. Zweitens interessiert die politische Kultur dieser Städte. Wie ging die kommunale Politik mit der ethnischen Vielfalt um? Ließen sich im Bildungsbereich, um ein besonders heiß umkämpftes Konfliktfeld herauszugreifen, Lösungen finden, die einen supraethnischen Konsens ermöglichten? Konnte vielleicht eine städtische Sozialpolitik dort integrieren, wo Ethnizität zunehmend polarisierte? Drittens wendet sich der Blick der Sommerakademie auf die kulturellen Praktiken der städtischen Gesellschaften und fragt, welche Inhalte und Handlungen, welche Traditionen oder Personen möglicherweise einen ‘common sense‘ zwischen den konkurrierenden Gruppen zu schaffen vermochten. Wie sah es aus mit der Bedeutung, die beispielsweise Stadtjubiläen, Denkmäler oder Raumentwürfe für die unterschiedlichen Gruppen besaßen? Nicht zuletzt erscheint es viertens notwendig, den spezifischen Ursachen von Gewalt nachzuspüren, in der sich ethnische Konflikte im lokalen Raum häufig entluden, und nach den langfristigen Folgen zu fragen, die solche Eruptionen für die jeweiligen Gesellschaften nach sich zogen. Als chronologischer Rahmen wird vor allem das 19. und 20. Jahrhundert gewählt, da mit Ethnizität erst in der Moderne konkrete politische und kulturelle Forderungen verknüpft wurden. Im selben Zeitraum wurden auch Phänomene wie Migration, Urbanisierung und Industrialisierung für die europäischen Städte des 19. und 20. Jahrhunderts zu einer neuartigen Herausforderung, deren Bewältigung auf unterschiedliche Wege in die Moderne verweist. Nicht zuletzt interessieren hier auch Probleme, die mit der Dekolonisierung in vielen Metropolen Europas in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden. In räumlicher Hinsicht strebt die Sommerakademie eine gesamteuropäische interdisziplinäre Perspektive an, weswegen junge Historiker, Kultur- und Sozialwissenschaftler mit Projekten zu west- und ost(mittel)europäischen Städten gleichermaßen zur Bewerbung eingeladen sind. Projekte, die über den engeren zeitlichen und räumlichen Rahmen der Sommerakademie hinausgehen, die aber für die leitende Fragestellung theoretisch oder methodisch aufschlussreich sind, werden gerne auf ihre Eignung hin geprüft. Dem Arbeitsbereich des Herder-Instituts entsprechend wird ein Schwerpunkt der Akademie auf den Städten Ostmitteleuropas liegen. Deren komparative Einbettung in gesamteuropäische Zusammenhänge stellt indes das erklärte Ziel dieser Akademie dar. Die Sommerakademie wird Kursarbeit an theoretischen Texten und Quellen sowie die Vorstellung eigener Projekte der studentischen Teilnehmer beinhalten. Ergänzend treten Vorträge ausgewiesener Wissenschaftler hinzu, die herausragende Arbeiten zu den Problemen multiethnischer Räume vorgelegt haben oder theoretisch und methodisch weiterführende Beiträge zur Stadt- und Urbanisierungsgeschichte publiziert haben. Hieraus ergibt sich die Chance zum vertieften Austausch über die theoretischen, methodischen und gegenstandsbezogen Dimensionen der historischen Forschungen zu Multiethnizität und ihren Folgen für eine Vielfalt an Identitätsbildung. Im Rahmen des Begleitprogramms wird in zwei Abendveranstaltungen das Thema der Sommerakademie aufgegriffen: An einem Abend wird ein Film über das jüdische Leben in polnischen Städten der Zwischenkriegszeit gezeigt und diskutiert; ein zweiter Abend stellt Lichtbilder über multiethnische Städte Ostmitteleuropas in der Gegenwart vor, um den Teilnehmern die behandelten Themen zu visualisieren.

2. Leitung
Die Sommerakademie wird gemeinsam von PD Dr. Ulrike v. Hirschhausen und Dr. Heidi Hein-Kircher geleitet. Ulrike v. Hirschhausen vertrat 2005/06 die Professur für Kulturstudien Ostmitteleuropas an der Universität Leipzig. Zurzeit lehrt sie Europäische Geschichte an der Universität Hamburg und leitet das Forschungsprojekt "Empires. Multiethnische Großreiche im 19. und 20. Jahrhundert im Vergleich". 2006 erschien in den Kritischen Studien zur Geschichtswissenschaft "Die Grenzen der Gemeinsamkeit. Deutsche, Letten, Russen und Juden in Riga 1860-1914." Heidi Hein-Kircher ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Herder-Institut e.V. in Marburg und lehrt an den Universitäten Marburg und Düsseldorf. Sie beschäftigt sich zurzeit vor allem mit der Geschichte Lembergs im 19. und 20. Jahrhundert und der Kommunalverwaltung in der Habsburgermonarchie. Ein weiterer Schwerpunkt ihrer Forschungsinteressen liegt in der Geschichte der Juden im östlichen Europa. 2002 erschien "Der Pilsudski-Kult und seine Bedeutung für den polnischen Staat 1926-1939."

3. Referenten (Impulsreferate) der Sommerakademie
- Prof. Dr. Peter Alter (Duisburg-Essen): Belfast im Ersten Weltkrieg
- Dr. Heidi Hein-Kircher (Marburg): Kommunale Verwaltung in Lemberg
- PD Dr. Ulrike v. Hirschhausen (Hamburg): Abschlussvortrag
- Dr. Stefan-Ludwig Hoffmann (Bochum): Interzone Berlin. Zur histoire croisée von Besatzern und Besetzen nach dem Schock der Gewalt (1945-1949)
- Dr. Andreas Kossert (Warschau): Lódz und Manchester im Vergleich
- Prof. Dr. Friedrich Lenger (Gießen): Einführungsvortrag
- Prof. Dr. Jürgen Reulecke (Gießen): Urbanisierung und die Kritik am Paradigma
- Dr. Eduard Winkler (Erlangen): Triest

4. Teilnehmer
Es stehen insgesamt 20 Plätze für qualifizierte Nachwuchswissenschaftler/innen (vor allem Doktorand/inn/en) aus dem In- und Ausland zur Verfügung, wobei mindestens die Hälfte der Plätze mit Teilnehmer/innen aus dem Ausland vergeben wird. Die Reise- und ein Teil der Aufenthaltskosten (Unterkunft im Studentenwohnheim und Mittagessen) werden vom Herder-Institut übernommen. Die Teilnehmer/innen sollen jeweils ein eigenes Projekt zur Geschichte von Multiethnizität im lokalen Raum bearbeiten und dieses im Rahmen der Sommerakademie in einem 25-minütigen Vortrag zur Diskussion stellen. Tagungssprache ist Deutsch und Englisch, soweit einzelne Vorträge in englischer Sprache gehalten werden. Bewerbungsschluss ist der 31. März 2007. Mit der Anmeldung wird neben Angaben zur Person (Lebenslauf, ggf. Publikationen) ein Kurz-Exposé (1-2 Seiten) zum bearbeiteten Projekt erbeten. Aus den Anmeldungen wird nach Bewerbungsschluss eine qualitative und thematische Auswahl getroffen, um eine im Rahmen des Themas möglichst vielseitige internationale und interdisziplinäre Veranstaltung zu ermöglichen. Die Bewerber/innen erhalten bis Mitte Mai 2007 Nachricht, ob ihre Anmeldung berücksichtigt werden konnte. Vor Beginn der Sommerakademie wird allen Teilnehmern zur Vorbereitung ein Reader mit den Quellen und Texten zugesandt, die der Kursarbeit zugrundegelegt werden. Es wird erwartet, dass die Teilnehmer an der gesamten Sommerakademie teilnehmen.

Bewerbungen mit einem kurzen Curriculum Vitae und einem 1-2seitigem Abstract (möglichst in
digitaler Form) richten Sie bitte bis zum 31. März 2007 an:

Programm

Vorläufiges Programm

Voraussichtliche Sektionen:

- Einführende Sektion: Vergleichende Stadtgeschichte heute
- Urbanisierung und Industrialisierung
- Kommunalpolitik und Kommunalverwaltung
- Nationalisierung bzw. Konfessionalisierung
- Kulturelle Praktiken der städtischen Gesellschaft
- Vereinslandschaft und die Frage nach der "civil society"
- Gewalt und Krieg

Vorläufiges Programm

Sonntag, den 19.8.2007
Anreise

Montag, den 20.8.2007
9.00-10.45 Uhr Einführung
10.45-11.00 Kaffeepause
11.00-13.00 Uhr Führung durch das Herder-Institut
13.00-14.30 Uhr Mittagspause
14.30-16.00 Uhr Kursarbeit
16.30-18.00 Uhr Einführungsvortrag
ab 18.00 Uhr Begrüßungsabend

Dienstag, den 21.8. 2007
9.00-10.15 Uhr Kursarbeit
10.15-10.30 Uhr Kaffeepause
10.30-11.30 Uhr Bibliotheksarbeit
11.30-13.00 Uhr zwei Vorträge der Teilnehmer und
Diskussion (je 25 Min. Vortrag und 20 Min. Diskussion)
13.00-14.30 Uhr Mittagspause
14.30-16.00 Uhr zwei Vorträge der Teilnehmer und Diskussion
16.00-16.15 Uhr Kaffeepause
16.15-18.00 Uhr Impulsvortrag

Mittwoch, den 22.8.2007
9.00-10.15 Uhr Kursarbeit
10.15-11.15 Uhr Bibliotheksarbeit
11.15-11.30 Uhr Kaffeepause
11.30-13.00 Uhr zwei Vorträge der Teilnehmer und Diskussion
13.00-14.00 Uhr Mittagspause
14.30-16.30 Uhr voraussichtlich Exkursion: Führung durch das Landgrafenschloss, die alten Universitätsgebäude und die Altstadt von Marburg
16.30-18.00 Uhr zwei Vorträge der Teilnehmer und Diskussion

Donnerstag, den 23.8.20007
9.00-10.00 Uhr Kursarbeit
10.00-11.15 Uhr Bibliotheksarbeit
11.15-11.30 Uhr Kaffeepause
11.30-13.00 Uhr Vortrag eines Teilnehmenden und Diskussion
13.00-14.30 Uhr Mittagspause
14.30-16.00 Uhr zwei Vorträge der Teilnehmer und Diskussion
16.15-16.30 Uhr Kaffeepause
16.30-18.00 Uhr Impulsvortrag
19.00-21.00 Uhr Abendveranstaltung

Freitag, den 24.8.2007
9.00-10.15 Uhr Kursarbeit
10.15-10.30 Uhr Kaffeepause
10.30-11.30 Uhr Bibliotheksarbeit
11.30-13.00 Uhr Impulsvortrag:
13.00-14.30 Uhr Mittagspause
14.30-16.00 Uhr zwei Vorträge der Teilnehmer und Diskussion

Samstag, den 25.8.2007
zur freien Verfügung (evtl. werden Exkursionen organisiert)

Sonntag, den 26.8.007
zur freien Verfügung

Montag, den 27.8.2007
9.00-10.15 Uhr Kursarbeit
10.15-11.15 Uhr Bibliotheksarbeit
11.15-11.30 Uhr Kaffeepause
11.00-13.00 Impulsvortrag:
14.30-16.00 Uhr zwei Vorträge der Teilnehmer und Diskussion
16.00-16.15 Uhr Kaffeepause
16.15.-17.00 Uhr ein Vortrag eines Teilnehmers und Diskussion
ab 18.00 Uhr Abendveranstaltung

Dienstag, den 28.8.2007
9.00-10.00 Uhr Kursarbeit
10.00-11.15 Uhr Bibliotheksarbeit
11.15-11.30 Uhr Kaffeepause
11.30-13.00 Uhr zwei Vorträge der Teilnehmer
13.00-14.30 Uhr Mittagspause
14.30-16.00 Uhr zwei Vorträge der Teilnehmer und Diskussion
16.00-16.15 Uhr Kaffeepause
16.15-18.00 Uhr Impulsvortrag

Mittwoch, den 29.8.2007
9.00-11.30 Uhr zwei Vorträge der Teilnehmer
11.15-11.30 Uhr Kaffeepause
11.30-13.00 Uhr Bibliotheksarbeit
13.00-14.00 Uhr Mittagspause
14.30-16.00 Abschlussvortrag
16.00-16.30 Kaffeepause
16.30-18.00 Uhr Abschlussdiskussion
ab 18.30 Uhr: Abschlussabend

Donnerstag, den 30.8.2007
Abreise

Kontakt

Heidi Hein-Kircher

Herder-Institut e.V.
Gisonenweg 5-7, 35037 Marburg
06421-184-110
06421-184-139
heinh@herder-institut.de

www.herder-institut.de