Künstler und der Tod: Künstlertestamente vom Mittelalter bis zur Gegenwart als Quellen der Kunst- und Sozialgeschichte

Künstler und der Tod: Künstlertestamente vom Mittelalter bis zur Gegenwart als Quellen der Kunst- und Sozialgeschichte

Veranstalter
Schwabenakademie Irsee
Veranstaltungsort
Schwabenakademie Irsee, Klosterring 4, 87660 Irsee
Ort
Irsee
Land
Deutschland
Vom - Bis
09.11.2007 - 11.11.2007
Deadline
15.01.2007
Von
Dr. Markwart Herzog, Schwabenakademie Irsee

Als letzte Verfügungen geben Testamente meist nicht nur Aufschluß über die Besitzverhältnisse des Erblassers und seine Vorsorge für die Hinterbliebenen, sondern auch über sein Verständnis von Seelenheil, Diesseits und Jenseits, von Zeitlichkeit und Ewigkeit. Die Testamente von Künstlern beziehen – dies eine ihrer inhaltlichen Besonderheiten – regelmäßig deren Werke oder das eigene Grabmal ein und bezeugen damit auf oft eindrucksvolle Weise das Ringen um dauerhaften Ruhm.

Die Geschichte dieses Quellentypus wurde noch nicht geschrieben. Vor allem Juristen und Historiker, seltener Theologen und Sozialwissenschaftler haben Testamente als Quellen der Rechts- und Wirtschaftsgeschichte untersucht. Dagegen hat die kunstgeschichtliche Forschung nur in wenigen Fällen vereinzelte Künstlertestamente publiziert und ausgewertet. Die Literatur zum Thema Künstlertestament beschränkt sich auf knapp zwei Dutzend monographische Beiträge, die sich zumeist auf ein bestimmtes Testament konzentrieren, also keinen Überblick über die Quellengattung bieten, geschweige denn repräsentative Vergleiche ziehen können. Das Fehlen von Testamentstexten mittelalterlicher Künstler führte dazu, daß man den Begriff „Testament“ nicht streng auf das schriftliche Dokument, sondern auf künstlerische Hinterlassenschaften bezog (Nys 2002, Schuffels 2005).

Obwohl sich in der frühen Neuzeit die Dokumentenlage verbessert, können die Editionen einzelner herausragender Künstler (Michelangelo, Leonardo) nicht darüber hinwegtäuschen, dass bisher nur wenige Testamente von Künstlern der Renaissance und des Barock kritisch ediert und analysiert wurden. Zu nennen ist die Untersuchung des Testaments des Liberale da Verona (Eberhardt 1971), der eine Reihe von Beiträgen zu Testamenten von italienischen Renaissancekünstlern folgten. Grundlegend ist Irving Lavins Beitrag „The Sculptor’s ‚Last Will and Testament‘“ (Lavin 1977–1978), der sich exemplarischen Fällen zuwendet und am Beispiel des Testaments von Bandinelli dessen Künstlergrabmal in die Untersuchung miteinbezieht. Es folgten Analysen zu den italienischen Künstlern Michele Tosini (Hornik 2003), Giovan Battista Calvi (Latorre 2001), Andrea Bregno (Pöpper 2005), Baccio Bandinelli (Hegener 2005). Darüber hinaus wurden die Testamente einiger nordalpiner Künstler wie die von Daniel Heintz (Longo 1985) und Charles Le Brun (Weigert 1985) erforscht. Größte Aktualität gewann die Thematik mit den jüngst publizierten Testamenten von Giandomenico Tiepolo (Thiem 2005) und Leon Battista Alberti (Bentivoglio 2005).

Die vergleichende Zusammenschau von Künstlertestamenten ist zu einem der virulentesten Desiderate der Kunst- und Sozialgeschichte geworden. Künstler – und deren Auftraggeber – verfügten über Möglichkeiten der Selbststilisierung und Mythenbildung wie kaum eine andere Personengruppe. Somit ist zu erwarten, daß insbesondere Künstlertestamente geeignet sind, solche Mythen zu bestätigen oder aber zu entzaubern. Einer kritischen Synthese steht bis heute entgegen, daß eine Vielzahl von Künstlertestamenten der Publikation und kritischen Auswertung harren.

Der Wandel von Memorialkonzepten und Formen des Künstlerselbstverständnisses bzw. der Künstlerrepräsentation stehen im Mittelpunkt dieser Tagung über Testamente und künstlerische Vermächtnisse von bildenden Künstlern. Dabei soll der Bogen vom Mittelalter bis zur Gegenwart gespannt werden, um den Wandel – aber auch die Konstanten – in der Geschichte des Künstlertestaments anschaulich werden zu lassen. Auf der Tagung sollen Künstlertestamente zusammen mit dem künstlerischen Œuvre der Erblasser untersucht werden. Die Veranstaltung ist als Forum zur Diskussion bekannter und unbekannter Testamentstexte gedacht, um von den „res ultimae“ ausgehend auf das Leben und Wirken der Künstler zu blicken: Empfindet sich der Künstler angesichts des Todes als ein „normaler Sterblicher“? Gibt es Aspekte, die das Testament eines Künstlers epochenunabhängig in besonderer Weise auszeichnen? In welcher Weise versuchen Künstler ihr Lebenswerk zu bewahren und zu tradieren? Wann sind erstmals Nachlässe von Künstlern als Stiftungen vermacht worden? Welche Künstler suchten sich durch Schenkungen ihrer Werke und Sammlungen in besonderer Weise an ihre Heimatstädte oder andere Orte zu binden? In welcher Weise spiegeln die Testamente die Verflechtung von Künstlern mit ihren Auftraggebern und Mäzenen?

Vorgesehen sind Vorträge von maximal 30 Minuten mit anschließender Diskussion von 30 Minuten. Vorschläge mit Arbeitstitel und einer maximal einseitigen Vortragsskizze sind bitte bis 15. Januar 2007 an die Schwabenakademie Irsee zu senden:
– per Fax: ++49(0)8341-906-669
– per E-Mail: schwabenakademie@kloster-irsee.de
Bei Rückfragen zur Tagung und für weitere Informationen stehen wir gerne zur Verfügung. Auf Wunsch senden wir ein Literaturverzeichnis zum Thema des Künstlertestamentes zu.

NB: Die interdisziplinäre Reihe „Sterben, Tod und Jenseitsglaube“ wird im November 2008 fortgesetzt mit einer siebten Tagung zum Thema Künstlergrabmäler.

Dr. Markwart Herzog
Schwabenakademie
Klosterring 4
D-87660 Irsee
Tel.: ++49(0)8341-906 661
Fax.: ++49(0)8341-906 669
schwabenakademie@kloster-irsee.de

in Kooperation mit:

Dr. des. Nicole Hegener
Bibliotheca Hertziana
Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte
Via Gregoriana, 28
I-00187 Roma
hegener@biblhertz.it

und

Dr. des. Thomas Pöpper
Institut für Kunstgeschichte
Universität Leipzig
Wünschmanns Hof
Dittrichring 18-20
D-04109 Leipzig
poepper@uni-leipzig.de

Programm

Kontakt

Markwart Herzog

Schwabenakademie Irsee, Klosterring 4, 87660 Irsee

08341 906 661
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