Russische und deutsche Universitäten als Orte der Formierung der intellektuellen und politischen Eliten Russlands im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Intellektuelle Netzwerke, Migration, Wissenstransfers

Russische und deutsche Universitäten als Orte der Formierung der intellektuellen und politischen Eliten Russlands im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Intellektuelle Netzwerke, Migration, Wissenstransfers

Veranstalter
Institut für Geschichte Professur für Osteuropäische Geschichte Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Veranstaltungsort
Institut für Geschichte, Hoher Weg 4
Ort
Halle/Saale
Land
Deutschland
Vom - Bis
22.11.2006 - 24.11.2006
Website
Von
Peter, Hartmut Rüdiger

Das Zusammenwirken russischer und deutscher Universitäten bei der Formierung der gesellschaftlichen Eliten des Russischen Reiches reicht bis in das 18. Jahrhundert zurück. Bereits unter Peter dem I. besuchten Studenten aus Russland deutsche Universitäten. Die erste Universität des Russischen Reiches wurde Mitte des 18. Jahrhunderts in Moskau nach deutschem Vorbild eingerichtet. Spätere Gründungen wie auch die Diskussionen um Reformen des russischen Hochschulwesens im 19. und frühen 20. Jahrhundert wurden vom deutschen Universitätsmodell beeinflusst. Im Verlaufe des 18. und 19. Jahrhunderts studierten einige Tausend russländische Studenten in Deutschland, unter ihnen bedeutende Intellektuelle, Staatsmänner und Wissenschaftler. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde für einen Teil der Absolvent russischer Hochschulen die Fortsetzung ihrer Studien in Deutschland zur Voraussetzung für ihre weitere berufliche Karriere. In vielen Wissenschaftsdisziplinen waren Studien an einer deutschen Universität seit dem zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts quasi Bedingung für die Erlangung einer Professur. Die russische Regierung unterstützte und finanzierte neben der Entsendung von Studenten und Aspiranten zeitweise auch die Einrichtung von Fortbildungsinstituten für russische Wissenschaftler an deutschen Universitäten. Ausgangs des 19. Jahrhunderts wurden deutsche Hochschulen Ziel eines massenhaften Zustroms von Studenten aus Russland, die dort ihre Ausbildung aus Gründen der mangelnden Kapazität und Qualität der höheren Lehreinrichtung sowie im Gefolge nationaler Diskriminierung oder politischer Unruhen und Verfolgung nicht fortsetzen konnten.
Die Tagung führt eine seit 2000 bestehende Kooperation bei der Erforschung des Studiums von Russländern an Universitäten und Hochschulen des Deutschen Reiches weiter. Auf den bereits soliden Forschungsstand zur Geschichte des russischen wie deutschen Hochschulwesens um 1900, zu den deutsch-russischen Universitäts- und Hochschulbeziehungen, zur russischen Studentenschaft und zur akademischen Migration aufbauend, will sie den Beitrag der Universitäten beider Länder zur Formierung der politischen und intellektuellen Eliten des vorrevolutionären Russlands untersuchen und in breitere historische Zusammenhänge einordnen. Im Rahmen dieser generellen Fragestellung sollen Universitäten und Hochschulen (1) als Orte der transnationalen Elitenvergesellschaftung und (2) der nationalen, kulturellen und politischen Identitätsbildung, (3) die Bedingungen, Ziele und Wirkungen von Wissens- und Kulturtransfers sowie (4) die staatliche Wissenschaftspolitik in ihrer Verflechtung mit der Außenpolitik im Sinne von „auswärtiger Kulturpolitik“ diskutiert werde.

Programm

Mittwoch, 22.11.2006
12:00
Eröffnung
Andrej Ju. Andreev (Moskau), Hartmut R. Peter (Halle)

I) Universitätsmodelle und ihre Diskussion im 18. und 19. Jahrhundert
Moderation: Marie-Luise Bott (Berlin)

13:00
A. Ju. Andreev (Moskau)
Die Idee der Universität in Russland und Deutschland (18./ erste Hälfte 19. Jh.)

13:45
D. Cygankov (Moskau)
Deutsche und russische "Universitätsmodelle" als Streitfragen in der russischen gelehrten Publizistik der 1870er/1880er Jahre

15:00
A. Ju. Polunov (Moskau)
Die "Universitätsfrage“ in der Ansichten der russischen Konservativen (1880er/1890er Jahre)

15:45
F.A. Gaida (Moskau)
Die russische und die deutsche Universität in der Wahrnehmung der russischen liberalen Bürokratie zu Beginn des 20. Jh.

17:00
E.A. Višlenkova (Kazan)
Die Kazaner Universität zwischen Ost und West: Auf der Suche nach der akademischen Identität

17:45
Guido Hausmann (Dublin)
Das Projekt einer protestantischen Universität für Russland

18:30 Abschlussdiskussion

Donnerstag, 23.11.2006, 9.00 – 12.30
II) Universitäten und auswärtige (Kultur-) Politik zu Beginn des 20. Jahrhunderts
Moderation: A. Ju. Andreev

9:00
Daniela Siebe (Jena)
Ausländische Studierende als Objekt kulturpolitischer Überlegungen (1900-1914)

9:45
E.A. Rostovcev (St. Petersburg)
Die Wahrnehmung deutscher Wissenschaft im Milieu der Peterburger Professoren am Vorabend und während des Ersten Weltkrieg"

10:45
Trude Maurer (Göttingen)
Dienst am Vaterland und gesellschaftlicher Führungsanspruch. Die Angehörigen deutscher und russischer Universitäten im Ersten Weltkrieg

11:30
A.I. Mramornov (Moskau)
Studenten der Universität Saratov und ihr Verhältnis zu Deutschland während des Ersten Weltkrieges

12:15 Abschlussdiskussion

Donnerstag, 23.11.2006, 14:00 – 18.00
III) Interkulturelle Begegnung im akademischen Raum: Studenten aus dem Russischen Reich an deutschen Hochschulen
Moderation: Trude Maurer

14:00
A. E. Ivanov (Moskau)
Die Rolle der deutschen Hochschulen bei der Ausbildung von diplomierten Fachleute im Russischen Reich: Probleme der Forschung

14:45
Arpine Maniero (München)
Die Formierung der armenischen politischen und kulturellen Elite unter dem Einfluss der deutschen Ausbildung

16:00
Tina Heidborn (Berlin)
Zwischen Ablehnung und Solidarität: Russländische Studierende in Berlin und ihre Kontakte zur deutschen Umwelt (1880-1914)

16:45
Yvonne Drost (Halle)
Die Haltung der deutschen jüdischen Studenten zu ihren Kommilitonen aus dem Russischen Reich

17:30 Abschlussdiskussion

Freitag, 24.11.2006, 9.00 – 12.00
Fortsetzung III)

9:00
Andreas de Boor (Halle)
Die Datenbank russländischer Studenten in Halle, Jena und Leipzig

9:45
Hartmut R. Peter (Halle)
Die russisch-jüdischen Studenten in Halle, Jena und Leipzig: Annäherungen an ein „Gruppenporträt“

10:30 Abschlussdiskussion

11:30
Runder Tisch zu Möglichkeiten einer weiteren Forschungszusammenarbeit
Moderation: Hartmut R. Peter, A. Ju. Andreev

13:00 Ende der Tagung

Kontakt

Hartmut Rüdiger Peter

Institut für Geschichte
Hoher Weg 4, 06120 Halle
0345-5524298
0345-5527287
hartmut.peter@geschichte.uni-halle.de


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Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch, Russisch
Sprache der Ankündigung