Historische Museen haben große Konkurrenz: Unsere Kultur ist voll von Repräsentationen von Geschichte. Nicht nur Literatur, Kino und Fernsehen bieten unzählige Darstellungen historischer Ereignisse oder Anspielungen bzw. Paraphrasen darauf, auch in den von der Hochkultur lange verachteten Medien Comic und Computerspiel werden Themen wie Krieg und Schoa verhandelt. Es entsteht eine paradoxe Situation: Während die Holocaust Studies nach der Öffnung der Archive der ehemaligen Warschauer Pakt-Staaten erstmals die Möglichkeit haben, sich ein genaueres Bild von den tatsächlichen Ausmaßen des industriellen Völkermordes der Nationalsozialisten an den europäischen Juden zu machen, fühlen sich sehr viele Menschen durch die massenmediale Dauerberieselung mit „Erinnerung“ in der Art von Steven Spielbergs „Schindlers Liste“ einerseits ohnehin ausreichend informiert. Andererseits bewirkt die ständige Präsenz des Themas Schoa in den verschiedenen Medien auch eine Gewöhnung und gewisse Unwilligkeit. Die stereotypisierten Bilder wurden in „Schubladen“ gespeichert. Eine Auseinandersetzung damit scheint nicht mehr nötig. Wie also kann ein historisches Museum vorgehen, um seine Besucher jenseits von Klischees doch noch zu erreichen?
Parallel dazu stellt sich die Frage, wie jungen BesucherInnen die Tatsachen des Holocausts am besten zu vermitteln sind. Hier besteht die Problematik weniger in Halbbildung und Gewöhnung als in einem komplett veränderten Rezeptionsverhalten. MTV und neue Erzählweisen und Montagetechniken in populären Fernsehserien und Computerspielen geben beschleunigte, farbige und vielgestaltige Standards vor. Schon seit einigen Jahren ist diese Entwicklung den Gestaltern von Fernsehdokumentationen zu Zeitgeschichtethemen bewusst. So bestand das Ergebnis der Tagung „Hitler & Co als Fernsehstars“ im April 2005 in Stuttgart in der Erkenntnis, dass der durchschnittliche Zuseher einer „klassischen“ Dokumentation über ein Zeitgeschichtethema um die 60 Jahre alt ist und Sehernachwuchs in Zukunft nur noch über eine an MTV, Computerspiele und aktuelle Tendenzen im populären Film angelehnte Ästhetik und Dramatisierung zu bekommen sein dürfte. Während noch vor einigen Jahren Schülern gerne Dokumentationen zum Themenkreis Nationalsozialismus und Schoa gezeigt wurden, ist es inzwischen bereits geübte Praxis, Spielfilme wie „Schindlers Liste“ oder „Rosenstraße“ als Material für den Geschichtsunterricht zu benutzen. Wie hat die Vermittlung von Geschichte in einem Museum mit diesen neuen Rezeptionsgewohnheiten umzugehen? Oder anders gefragt: Wie kann der heikle Spagat gelingen, „schwierige“, traumatische Geschichte ihrer Bedeutung gemäß zu vermitteln ohne die neuen Muster der Rezeption von Inhalten vollkommen gegen den Strich zu bürsten?
Für das Symposion ergeben sich daher folgende Fragestellungen: Welche Strategien, mit dem Undarstellbaren der Schoa umzugehen, müssen schon deshalb berücksichtigt werden, weil sie zum Vokabular unserer Kultur geworden sind? Auf welche kann oder muss die Vermittlung von Geschichte in einem Museum verzichten? Und welche können nur in einem Museum wirksam werden? Internationale Vortragende werden diese Fragen aus Theorie und Praxis ihrer verschiedenen Disziplinen beleuchten: Geschichtswissenschaft, Museologie, Literaturwissenschaft, Kunstgeschichte, Filmwissenschaft, Kulturvermittlung, Medienwissenschaft und die Arbeit in einem Jüdischen Museum.