Vormoderne Parlamentsoratorik: Reden und Kommunikation auf europäischen Repräsentativversammlungen des 14. bis 17. Jh.

Vormoderne Parlamentsoratorik: Reden und Kommunikation auf europäischen Repräsentativversammlungen des 14. bis 17. Jh.

Veranstalter
Prof. Dr. Johannes Helmrath und Dr. des. Jörg Feuchter (Sonderforschungsbereich 640 „Repräsentationen sozialer Ordnungen im Wandel. Interkulturelle und intertemporäre Vergleiche“, Teilprojekt A1 „Oratorik auf europäischen Reichs- und Ständversammlungen des späten Mittelalters und der beginnenden Neuzeit als Repräsentation politisch-sozialer Ordnungen im Vergleich“).
Veranstaltungsort
Humboldt-Universität, Hausvogteiplatz 5-7, Raum 109 (Erdgeschoß)
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
12.10.2006 - 14.10.2006
Von
Jörg Feuchter

Ganz Europa sieht ab dem Spätmittelalter Ständeversammlungen, denen bei aller regionalen Spezifik der Entstehung und Konsolidierung ein wichtiges Moment gemeinsam ist: die Beratung über Angelegenheiten der jeweiligen Gesellschaft. Verschiedene Gruppen verhandeln hier politische, wirtschaftliche und kulturelle Positionen; sie tragen ihre Repräsentationen, also ihre Vorstellungen vom Ist- wie vom Soll-Zustand, des Gemeinwesens vor. Ganz grundsätzlich heißt das: sie reden und sie hören reden. Mit den Ergebnissen dieser Kommunikation befaßt sich die Ständeforschung seit geraumer Zeit. Das Reden selbst hingegen, seine Anlage, Darbietung und die unmittelbare Reaktion des Auditoriums – all diese Aspekte, die sich in Anlehnung an den englischen Begriff der „oratory“ als „Oratorik“ bezeichnen lassen, haben bis heute keine umfassende Würdigung erfahren.
Auf der Tagung sollen deshalb erstmals Ort und Funktion von politischer Rede und mündlicher Kommunikation auf europäischen Reichs- und Ständeversammlungen des späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit Gegenstand des internationalen wissenschaftlichen Austausches werden. Das Ziel ist, den komparatistisch-verfassungstypologischen Ansatz, wie ihn die „International Commission for the History of Representative and Parliamentary Institutions“ vertritt, zu verbinden einmal mit der Rhetorikforschung, zum anderen mit der Ritual- und Zeremonialforschung. Gegenstand sind europäische Repräsentativversammlungen aller Art, sowohl nationale wie partikulare (provinziale), ausgeprägt ständische wie nichtständische, zeremoniell-akklamative wie deliberativ-agonale.
Es sollen drei Leitfragen verfolgt werden:
1) Die Überlieferung der Oratorik: Inwiefern liegen längere geformte Wortbeiträge, liegen Reden oder Berichte über Reden überhaupt vor? Und in welcher Form der Verschriftlichung wird uns die Mündlichkeit präsentiert?
2) Der Ort der Oratorik: Wo ist ihr Platz in den verschiedenen europäischen Versammlungstypen innerhalb des Tagungsprocederes? Welche Stelle kommt der Oratorik im Rahmen anderer mündlicher Kommunikationsformen im weiteren Sinne zu (Meinungsäußerungen, Umfragen, Debatten, Formen der Akklamation oder des Mißfallens etc.)?
3) Die Funktion der Oratorik: Welche Rolle spielen die Rede und das Reden bei der Repräsentation konsens- und sinnstiftender politiktheoretischer Konzepte für das Gemeinwesen oder für partikulare Gruppen bzw. Stände? Ging es um „persuasion“ oder „nur“ um „celebration“ oder um beides zugleich (Thomas N. Bisson)? Welche Wirkungen waren beabsichtigt, welche lösten Reden tatsächlich auf den Versammlungen aus? Und vermag die Oratorik gar als Indikator für den Stand der Versammlungsgenese zu dienen, gemäß dem Theorem, daß das Gedeihen der Rhetorik jeweils an die politische Verfassung nach dem Grad der herrschenden Freiheit gebunden sei (Tacitus, Dialogus de oratoribus)?

Programm

(Vorläufiger Tagungsplan, Zeit- und Titeländerungen vorbehalten)

Donnerstag, 12. Oktober 2006

16.15 - 18.00 Führung der Tagungsteilnehmer durch das Reichstagsgebäude

18.00-19.00 Vortrag von Heinrich Wefing (Frankfurter Allgemeine Zeitung) über Parlamentsarchitektur (im Paul-Löbe-Haus)

Freitag, 13. Oktober 2006

9.00 Christoph Markschies, Präsident der Humboldt-Universität: Grußwort

9.15 Johannes Helmrath (Berlin): Einführung

9.30 Franz-Josef Kopperschmidt (Mönchengladbach): "Oratorik - ein erfolgversprechendes Forschungsparadigma?"

10.15 Pause

10.45 Henry Cohn (Warwick): „Protocols of the German Reichstag in the reign of the Emperor Charles V.“

11.30 Sašo Jerše (Ljubljana): „Die Landesstände vor dem
Reichstag. Eine Studie zur Oratorik der ständischen Gesandtschaften“

12.30 Mittagspause

14.30 Peter Mack (Warwick): „Rhetoric and Politics in the Elizabethan Parliament“

15.15 Jörg Feuchter (Berlin): „Die Oratorik der französischen Etats généraux“

16.00 Pause

16.30 Loris Petris (Neuchâtel): „Rhétorique et politique dans les discours de Michel de L’Hospital (1562-1568)“

Sonnabend, 14. Oktober 2006

9.00 Kolja Lichy (Berlin): "Oratorik auf dem polnischen Sejm (16. Jh.)"

9.45 Barbara Stollberg-Rilinger (Münster): „Zur symbolischen Konstituierung von Stand und Rang in der Frühen Neuzeit – ein Forschungsprojekt“

10.30 Pause

11.00 André Krischer (Münster): „Politische Repräsentation und Rhetorik der Reichsstädte auf Reichsversammlungen der Frühen Neuzeit (ab 1648)“

11.45 Thomas Haye (Göttingen): „Lateinische Oralität"

12.30 Pause

12.45: Abschlußdiskussion

Kontakt

Sekretariat Lehrstuhl Mittelalter II
Frau Christin Hörnig
HU Berlin, Institut für Geschichtswissenschaften
10099 Berlin, Unter den Linden 6
++49 +30 2093-2228
++49 +30 2093-2479
hoernigc@geschichte.hu-berlin.de

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