Aufsicht – Ansicht – Einsicht. Neue Perspektiven auf die Kartographie an der Schwelle zur Frühen Neuzeit

Aufsicht – Ansicht – Einsicht. Neue Perspektiven auf die Kartographie an der Schwelle zur Frühen Neuzeit

Veranstalter
Dr. Gisela Engel, Zentrum zur Erforschung der Frühen Neuzeit <G.Engel@em.uni-frankfurt.de> HD Dr. Tanja Michalsky, Kunstgeschichtliches Institut <michalsky@kunst.uni-frankfurt.de> Prof. Dr. Felicitas Schmieder, Historisches Seminar <felicitas.schmieder@fernuni-hagen.de>
Veranstaltungsort
Universität, Campus Westend
Ort
Frankfurt am Main
Land
Deutschland
Vom - Bis
07.09.2006 - 09.09.2006
Website
Von
Felicitas Schmieder

Die Erforschung der Kartographiegeschichte an der Schwelle zur Frühen Neuzeit wird von disziplinären Grenzen behindert, und nur selten findet zwischen der mediävistischen und der frühneuzeitlichen/neuzeitlichen Kartographieforschung ein Austausch statt, der geeignet wäre, die festgefahrenen Epochengrenzen zu hinterfragen und den Blick auf Traditionslinien freizulegen, die die frühneuzeitliche mit der mittelalterlichen Kartographieentwicklung verbinden: Weder sind mittelalterliche Karten leglich eine verbesserungswürdige Vorstufe der frühneuzeitlichen/ neuzeitlichen, noch brechen frühneuzeitliche/neuzeitliche Karten bei aller Experimentierfreudigkeit und Innovation mit der Tradition.
Karten reagieren auf kulturelle Entwicklungen und nehmen teil an ihnen: Technische Entwicklungen, Entdeckungsreisen, geometrische und Landvermessungs-Verfahren, praktische Bedürfnisse des Transportwesens zu Land und zu Wasser ermöglichen und erzeugen neue kartographische Darstellungsweisen, z. B. die mittelmeerischen Portulane (Küstenlinienkarten) seit dem 13. Jahrhundert. Karten artikulieren politische, religiöse, wissenschaftliche u.a. Vorstellungen von Welt, Zeit und Raum, sie sind ein Medium der Selbstverständigung von Gesellschaften und Teilen/ Gruppen von Gesellschaften wie auch ein Medium, in dem praktisch nutzbarer Informationsgehalt mit innovativer Imagination (wie ist das noch nicht Bekannte denkbar?) und politischen Interessen sowie kulturellen Bedürfnissen vermittelt wird.
Karten haben zunächst die Welt, dann einzelne Länder, Landschaften (Chorographie) und Städte zum Gegenstand. Welche Interessen rufen welche kartographische Aktivität hervor? Welche Interessen verfolgen Welt-, Länder- und Stadtkarten? Welches Weltbild wird in den Karten sichtbar? Wie verändern Karten die Sicht auf die Welt, auf Raum und Zeit? Wie werden Karten zum Gegenstand kultureller Selbstvergewisserung (z.B. holländische Malerei: Brekelenkam, Ochtervelt, de Hooch u.a.m.)? Wie bildet sich in Länderkarten und in Stadtkarten eine veränderte politische und soziale/kulturelle Konstellation ab? Wie erscheinen z.B. Städte in mittelalterlichen und in frühneuzeitlichen/neuzeitlichen Karten? Gibt es doch bisher unentdeckte Kontinuitäten? Wie werden die Stadt- und Länderkarten in Beziehung zu einer Vorstellung von "Welt" gebracht?

Aus dem interdisziplinären Dialog erhoffen wir uns Diskussionen zu folgenden Themenkomplexen:
- Karten als Medien
- Karten als historische Dokumente
- Raum und Ort
- Karten als Produkte der Wissenschaftsgeschichte

Programm

Donnerstag, 7. September 2006

10.30 Reinhard Glasemann
Geodätische Instrumente im Historischen Museum
(Führung im Historischen Museum der Stadt Frankfurt)
13.30 Eröffnung und Einführung

14.00
Sektion I: Expansion
Moderation: Susanna Burghartz

Jörg Dünne
Frühe portugiesische Reiseberichte und Karten zwischen Raumkalkül und Raumsymbolisierung
Eva-Maria Stolberg
Von der “fremden Tartarei” zur russischen Kolonie “Sibirien”. Wandel der westeuropäischen und russischen Raumvorstellungen im Zuge der neuzeitlichen Kolonialexpansion Russlands
Bernhard Klein
„Das ozeanische Gefühl“: Navigation, Seekarten und Die Lusiaden von Camões
Alistair Maeer
Charting England's Atlantic: The Thames School of nautical cartography and the Americas in the 17th century

18.00
Öffentlicher Abendvortrag
Patrick Gautier-Dalché
La construction des représentations cartographiques aux XIVe- XVe siècles : une opération rationnelle et critique
Moderation: Felicitas Schmieder

Freitag, 8. September 2006

9.30
Sektion 2: Konfessionen/Religion
Moderation: Gisela Engel

Axelle Chassagnette
Biblische Kartographie in Wittenberg, 1520-1560
Kirsten Mahlke
Kartographie im Zeichen des Konfessionsstreits – Kannibalismus und Katholizismus in der mappe-monde nouvelle papistique (1566/67)
Maike Sach
Kartographie als Verlustbeschreibung und Appell: Die Carta marina des Olaus Magnus von 1539 als Beitrag im Ringen um die Einheit der Kirche
Karen Pinto
Form and Function: The Mediterranean in the Medieval Islamic Cartographic Imagination
Ute Schneider
"Randerscheinungen"

15.00
Sektion 3: Weltbilder
Moderation: Ingrid Baumgärtner

Reinhard Krüger
Globus Terrae und Mappa Mundi: zwei verschiedene semiotische Systeme der Erdrepräsentation in Mittelalter und Früher Neuzeit
Laura Federzoni
Ptolemy`s Geography between XV and XVI century: progress or regress?
Angelo Cattaneo
Fra Mauro’s mappamundi (c. 1450) in the context of Fifteenth century Venetian culture
Ulrike Ilg
Das Kostümbuch als Ort der Begegnung von Ethnographie und Kartographie

Samstag, 9. September 2006

9.00
Sektion 4: Herrschaft und Raum
Moderation: Felicitas Schmieder

Rose Mitchell
English Early modern government maps
Ludolf Kuchenbuch und Uta Kleine
Graphische Repräsentation ländlicher Herrschaftsräume im späteren Mittelalter (12.-14. Jh.)
Nathalie Bouloux
Percevoir et représenter le territoire (XIVe-XVe siècles)
Johannes Süßmann
"Kartensorten". Typologie der kartographischen Landschaftsdarstellungen im Fürstbistum Würzburg
Michael Rothmann
Geleits- und Gerichtskarten

14.30
Sektion 5: Technik und Raum
Moderation: Tanja Michalsky

Burghart Schmidt
Stadt, Land, Fluß: Die kartographische Überlieferung norddeutscher Hansestädte in der Frühen Neuzeit
Christoph Bartels
Vermessungswesen, Karten und Pläne im Montanwesen an der Wende zwischen Mittelalter und Neuzeit: Kontinuitätslinien und Entwicklungstendenzen
Marion Hilliges/ Gisela Leisse
Messen und Planen im Städtebau der frühen Neuzeit/ Der Stadtgrundriß als Repräsentation in der Frühen Neuzeit

17.00
Abschlußdiskussion

Kontakt

Felicitas Schmieder

Fernuniversität Hagen

felicitas.schmieder@fernuni-hagen.de