Blutige Worte. Internationales und Interdisziplinäres Symposium zum Verhältnis von Sprache und Gewalt in Mittelalter und Früher Neuzeit

Blutige Worte. Internationales und Interdisziplinäres Symposium zum Verhältnis von Sprache und Gewalt in Mittelalter und Früher Neuzeit

Veranstalter
Dr. Claudia Jarzebowski PD Dr. Jutta Eming Freie Universität Berlin
Veranstaltungsort
FU Berlin, Friedrich-Meinecke-Institut, Koserstraße 20, Raum A 163, 14195 Berlin
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
01.09.2006 - 03.09.2006
Deadline
30.08.2006
Von
Claudia Jarzebowski

Das menschliche Vermögen, Handeln durch Sprechen zu ersetzen, gilt in Kulturtheorien der Moderne als zentrale Antriebskraft für gesellschaftlichen Fortschritt. Denn dieser Auffassung zufolge findet individualgeschichtlich „in der Sprache [...] der Mensch ein Surrogat für die Tat, mit dessen Hilfe der Affekt beinahe ebenso ‚abreagiert’ werden kann“ (Sigmund Freud), und die ‚Kunst’, physische Gewaltfähigkeit historisch zunehmend kontrollierter auszuüben und als legitimes Mittel der Konfliktlösung langfristig durch Sprache zu ersetzen, gilt als Gradmesser von Zivilisation. Eine zentrale Demarkationslinie, die zwischen Mittelalter/Früher Neuzeit und Moderne gezogen wird, bezieht sich dem entsprechend sowohl auf den Verzicht von körperlicher Gewalt in allen Bereichen der Gesellschaft als auch auf die Ablösung eines magischen Sprachverständnisses, dem zufolge Wirklichkeit sprachlich zu beeinflussen sei, durch eine semiotische Sprachauffassung, die zwischen sprachlichen Zeichen und den durch sie bezeichneten Dingen ein gänzlich arbiträres Verhältnis annimmt.

Schon seit längerem werden in den Kultur- und Geschichtswissenschaften allerdings gleichsam für beide Seiten der Grenzziehung, also für Moderne und Vormoderne, Einwände gegen diese Auffassung erhoben. Sowohl von historischer als auch von literaturgeschichtlicher Seite wurde in letzter Zeit vielfach plausibel gemacht, dass in Mittelalter und Früher Neuzeit die Möglichkeit, Gewalt sprachlich auszuüben, sehr wohl gesehen und strategisch genutzt wurde. Vor diesem Hintergrund wäre es erforderlich, die beiden zentralen Kategorien, mit denen sich Gewalt in Mittelalter und Früher Neuzeit beschreiben und analysieren lässt, nämlich potestas und violentia, neu zu bewerten.

Die Formel ‚Blutige Worte’ verweist vor diesem Hintergrund auf eine grundlegende Arbeitshypothese des Symposiums: Sprache wurde in Mittelalter und Früher Neuzeit offensichtlich ein erhebliches gewalttätiges Potential zugesprochen. Worte waren ‚verletzend’. Die historische Relationierung von Sprache und Gewalt und ihre kulturgeschichtliche Bedeutung sind deshalb neu zu beurteilen. Die unterschiedlichen Geltungsbereiche von verbaler und physischer Gewalt sind gegeneinander abzugrenzen, und dies auch und gerade dort, wo sie ineinander wirken. Dafür kommen Vertreter/innen verschiedener Disziplinen, vor allem jedoch Literaturwissenschaftler/innen und Historiker/innen, zusammen, um sich über die jeweiligen Arbeitsgebiete, Ergebnisse und insbesondere über verschiedene Methoden auszutauschen. Denn so sehr es auf der Hand liegt, dass Geschichts- und Literaturwissenschaft durch die primär sprachliche Verfasstheit ihrer Gegenstände gleiche Forschungsinteressen haben, so unterschiedlich sind die Auffassungen über den performativen Charakter von Sprache und Gewalt.

Programm

Freitag, 1. September
Eröffnung, 13.00 Uhr – 14.00

1. Sektion, Chair: Valentin Groebner, Luzern

14.00 – 14.30
Burschel, Peter, FU Berlin/Bielefeld
„Bilder von Krieg und Gefangenschaft in frühneuzeitlichen Gesandtschaftsberichten aus dem Osmanischen Reich“
14.30 – 15.00 Diskussion

15.00 – 15.30
Vogel, Christine, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
„« …toutes les perfidies des siècles, ont été renouvelées dans le nôtre» Geschichte als Gewalterfahrung. Hugenottische Geschichtsdeutungen im 16. und 17. Jahrhundert.“
15.30 – 16.00 Diskussion

Pause

16.15 – 16.45
Lorenz, Maren, Hamburger Institut für Sozialforschung
„Drohkulissen und Angsterzeugung. Physische Konflikte zwischen Militär und Bevölkerung nach 1650."
16.45 – 17.15

17.15 – 17.45
Jarzebowski, Claudia, FU Berlin
„Gewalt und Emotion in der Frühen Neuzeit.“
17.45 – 18.15 Diskussion

Samstag, 2. September
2. Sektion, Chair: Ingrid Kasten, FU Berlin

9.00 – 9.30
Eming, Jutta, FU Berlin
„Sprache und Gewalt im spätmittelalterlichen Passionsspiel.“
9.30 – 10.00 Diskussion

10.00 – 10.30
Lützelschwab, Ralf, FU Berlin
„Vom Blut der Märtyrer - Gewalt in der Legenda aurea“
10.30 – 11.00 Diskussion

Pause

11.15 – 11.45
Koch, Elke, FU Berlin
„Katharinas Rad/t. Formen und Bedingungen von Sprachgewalt in Märtyrerlegende und –spiel.“
11.45 – 12.15 Diskussion

12.15 – 12.45
Müller, Maria E., FU Berlin
„Böses Blut. Sprachgewalt und Gewaltsprache in mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Kurzerzählungen.“
12.45 – 13.15 Diskussion

13.15 – 14.15 Mittagsimbiss

3. Sektion, Chair: Claudia Ulbrich, FU Berlin

14.30 – 15.00
Burghartz, Susanna, Universität Basel
„Vernichtung durch Worte? Unzucht, Inzest und Macht im Fall Herbrot-Thurneisser“
15.00 – 15.30 Diskussion

15.30 – 16.00
Robisheaux, Tom, Duke University
„Slander, Violence and Witchcraft”
16.00 -16.30 Diskussion

16.30 – 16.45 Pause

16.45 -17.15 Uhr
Poor, Sara S., Princeton
„Sollte das lustig sein? Die Häutung des Juden in 'Salman und Morolf'.“
17.15 -18.15 Uhr Diskussion

Sonntag, 3. September
4. Sektion, Chair: David Warren Sabean, UCLA

9.00-9.30
Herberichs, Cornelia, Universität Zürich

„Gewalt und Bedeutung. Tropen der Verletzung in den volksprachigen Trojaromanen.“
9.30-10.00 Diskussion

10.00-10.30
Noak, Bettina, FU Berlin
"Tödliche Eide - Machtworte und Verletzlichkeit im dramatischen Werk Joost
van den Vondels (1587-1679)".
10.30-11.00 Diskussion

11.00-11.30 Pause

11.30-12.00
Röcke, Werner, HU Berlin
„Drohung und Eskalation. Das Wechselspiel von sprachlicher Gewalt und körperlicher violentia in Wittenwilers 'Ring'.“
12.00-12.30 Diskussion

12.30-13.00
Rudolph, Harriet, Universität Trier
„Gewalt als Argument. Repräsentationen verbaler und physischer Gewalt im frühneuzeitlichen Einblattdruck“
13.00-13.30 Diskussion

13.30-14.30 Mittagsimbiss

14.30-15.00 Westphal-Wihl, Sara, Houston
„Peacemaking and Bloodshed in Medieval German Trial Fictions.“
15.00-15.30 Uhr Diskussion

15.30-16.30 Abschlussdiskussion: Interdisziplinäre Grenzen und Potentiale

Kontakt

Dr. Claudia Jarzebowski
Friedrich-Meinecke-Institut
Koserstraße 20
14195 Berlin

http://www.fu-berlin.de
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