Geld – Geschenke – Politik. Korruption in Europa seit dem 18. Jahrhundert

Geld – Geschenke – Politik. Korruption in Europa seit dem 18. Jahrhundert

Veranstalter
Andreas Fahrmeir (Köln) Jens Ivo Engels (Freiburg) Alexander Nützenadel (Köln)
Veranstaltungsort
Universität zu Köln
Ort
Köln
Land
Deutschland
Vom - Bis
30.06.2006 - 01.07.2006
Website
Von
Nützenadel, Alexander

Noch vor fünfzehn Jahren galt Korruption in Deutschland als das Problem der Anderen: eine bedauerliche Begleiterscheinung der beginnenden Transformation im ehemaligen Ostblock, die Geißel posttribalistisch organisierter Dritte-Welt-Länder oder das Kennzeichen der fast sprichwörtlichen Machenschaften in internationalen Sportverbänden. Deutschland dagegen erschien als ein Land integrer Politiker und Beamter sowie ehrlicher Unternehmer. Dies entsprach der verbreiteten Vorstellung von deutscher Solidität, die mindestens bis zur Wiedervereinigung Bestand hatte. Diese Selbstwahrnehmung ist gründlich revidiert worden. Die Berichte über Skandale und Skandälchen um kreative Parteienfinanzierung bis in allerhöchste Regierungskreise, dubiose Müllbarone, korrupte Betriebsräte und gekaufte Schiedsrichter sind kaum noch zu zählen. Die Korruptionsdebatte ist mittlerweile Teil der lebhaften Diskussionen um die Zukunftsfähigkeit des Landes.

Dabei ist zu vermuten, dass Korruption als Praxis in der letzten Dekade nicht signifikant zugenommen hat – freilich sind die Kenntnisse darüber sehr begrenzt. Denn dem langen öffentlichen Stillschweigen zu diesem Thema entspricht auch eine historiographische Abstinenz. Bislang ist die Korruption in der deutschen Geschichtswissenschaft stiefmütterlich und punktuell behandelt worden. Zwar gibt es einige empirische Studien zur Frühen Neuzeit – oft im Kontext der Patronageforschung – und zur Zeit des Nationalsozialismus. Im Gegensatz zur traditionsreichen historischen Korruptionsforschung in Großbritannien und den USA fehlen in Deutschland jedoch weitgehend konzeptionelle Überlegungen und zeitlich oder thematisch umfassende Forschungsprojekte. Insbesondere über das gesamte 19. Jahrhundert ist für Deutschland so gut wie nichts bekannt; dies gilt im wesentlichen auch für die Geschichte der Bundesrepublik.

Das große Erkenntnispotenzial der Korruptionsforschung für den Prozess der Moderne und die Herausbildung der öffentlichen und privat(wirtschaftlich)en Sphären sowie die Entwicklung von öffentlich verhandelten und tatsächlich praktizierten Wertesystemen in Politik und Wirtschaft liegt bislang weitgehend brach. Dabei hat die methodische Entwicklung der letzten Jahre mit ihrer zunehmenden Öffnung für die Netzwerk- und Verflechtungsforschung eine wichtige Voraussetzung für eine angemessene Korruptionsgeschichtsschreibung geschaffen: Sie hat die normative Aufladung bei der Untersuchung von „mikropolitischen“ Beziehungen kritisiert und damit den Blick dafür geschärft, dass diese Praktiken weder „vormodern“ noch notwendigerweise dysfunktional sein müssen.

Ausgehend von diesen Befunden soll die Tagung das bekannte Feld der Korruptionsforschung im internationalen Kontext vermessen und Impulse für die weitere Forschung geben. Aufgrund der großen Lücken und der weiterhin häufig zu lesenden Vorstellung, dass Korruption in modernen Systemen ein Fremdkörper sei, bietet es sich an, den zeitlichen Rahmen von der Frühen Neuzeit bis in die Gegenwart zu spannen. Dabei werden auch die aktuellen Korruptionsdebatten sowie die Forschungsansätze aus den Wirtschafts-, Sozial- und Politikwissenschaften einbezogen. Im Mittelpunkt der Beiträge soll das Spannungsverhältnis zwischen Norm und Praktiken stehen, die Frage der Verbindlichkeit von Antikorruptionsnormen sowie das Verhältnis zwischen staatlichem und privatwirtschaftlichem Handeln. Im Ergebnis sollen die sich wandelnden Signaturen von Korruption und Korruptionskritik zwischen Frühmoderne und „Postmoderne“ deutlich werden.

Programm

Freitag, 13 – 15 Uhr

I. KORRUPTION - ZUR HISTORIZITÄT EINES AKTUELLEN PROBLEMS
Moderation: Elisabeth Fehrenbach (Köln)

Werner Plumpe (Frankfurt/M.)
Überlegungen zum historischen Stellenwert von Korruption

Andreas Fahrmeir (Köln)
Von der Investition in politische Karrieren zur politischen Karriere als Investition? Zum Verhältnis von Politikervermögen und Korruptionsanfälligkeit

Freitag, 15 – 18 Uhr

II. SATTELZEIT? DIE FORMIERUNG DES MODERNEN KORRUPTIONSKOMPLEXES
Moderation: Hillard von Thiessen (Bern)

Alexander Nützenadel (Köln)
“Serenissima corrupta“ – Geld und Politik in der späten Republik Venedig

Frank Bösch (Bochum)
Korruption und Öffentlichkeit im wilhelminischen Deutschland und edwardianischen England

Jens Ivo Engels (Freiburg)
'Enrichissez-vous' und Panama. Korruption in Frankreich im 19. Jahrhundert.

Samstag, 9 – 12 Uhr

III. STABILITÄT UND INSTABILITÄT DURCH KORRUPTION IM 20. JAHRHUNDERT
Moderation: Ralph Jessen (Köln)

Martin Geyer (München)
Kleine Geschenke - große Politik. Mediale Inszenierung des Barmat-Skandals in der Weimarer Republik

Frank Bajohr (Hamburg)
Korruption im "Dritten Reich": Ein inhärentes Strukturproblem des NS-Staates und seine Folgen

André Steiner (Potsdam)
Bolsche Vita in der DDR? Überlegungen zur Korruption im Staatssozialismus

Samstag, 12 – 13.30 Uhr

IV. ABSCHLUSSVORTRAG UND DISKUSSION

Karsten Fischer (HU Berlin)
Korruption als Problem und Element politischer Ordnung

Kontakt

Alexander Nützenadel

Historisches Seminar der Universität zu Köln
Albertus Magnus Platz, 50923 Köln
0221/470-5251

alexander.nuetzenadel@uni-koeln.de


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