Lässt sich die Konstituierung einer Wissensgesellschaft auf europäischen Ebene beobachten?

Lässt sich die Konstituierung einer Wissensgesellschaft auf europäischen Ebene beobachten?

Veranstalter
Humboldt Universität mit der Unterstützung vom Centre Marc Bloch im Rahmen des Programms "Wissensgesellschaft und Demokratie in Europa" in Zusammenarbeit mit dem CIERA, dem CSU (Paris), dem Centre Koyré (Paris) und der Humboldt Universität (Berlin) organisiert
Veranstaltungsort
Jägerstraße 10-11, Raum 006
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
22.05.2006 -
Von
Cécile Cuny

Der Begriff „Wissensgesellschaft“ ist heute im öffentlichen und administrativen Bereichen weit verbreitet, insbesondere auf europäischer Ebene, er wird benutzt, um ein Phänomen der heutigen Zeit zu beschreiben und um die Entwicklung in Richtung einer Wissensgesellschaft zu beschleunigen. Die semantische Präzisierung verhält sich jedoch gegenläufig zur rasant steigenden Benutzung des Begriffs und die konkrete Realität der Wissensgesellschaft ist in vielen Fällen nicht greifbar. Es besteht jedoch kein Zweifel, dass wir derzeit einer grundlegenden neuen Entwicklung der Beziehung zwischen Bildung, Wissenschaft und Technik, Wirtschaft und Gesellschaft beiwohnen. Das Seminar hinterfragt diesen Begriff kritisch, und untersucht, ob die Wissensgesellschaft kennzeichnend für die Entwicklung einer demokratischen Dynamik ist oder nicht. Das Seminar bezieht in diesem Sinne für eine interdisziplinäre und grenzübergreifende Auseinandersetzung theoretische Fragen und empirische Forschungen von beiden Seiten des Rheins ein und stellt die unterschiedlichen empirischen Untersuchungen in beiden Ländern vergleichend einander gegenüber. Die Fragestellung wird vorrangig unter drei Aspekten erörtert: der lokalen partizipativen Demokratie, der makro-sozialen Herangehensweise und der technischen Demokratie. Die Beziehung zwischen dem demokratischen Prozess auf der einen Seite und der Produktion und der Benutzung technischer und wissenschaftlicher Kenntnisse auf der anderen Seite bilden den roten Faden der Seminarsitzungen.

Programm

13h00 : Workshopseröffnung

13h15 : Begrüßung von Prof. Dr. Hans-Peter Müller, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Sozialwissenschaften, stellvertretender Sprecher der Berlin Graduate School of Social Sciences, Humboldt Universität zu Berlin.

13h30 – 15h30 : Begrifflichkeit und Dimensionen der Wissensgesellschaft

Die erste Runde widmet sich dem Konzept und den unterschiedlichen Dimensionen der Wissensgesellschaft. Die Bemühungen einer konzeptuellen Klärung dieses Begriffs stehen in keinem Verhältnis zu seinem hypertrophen Gebrauch. Berücksichtigt man, dass alle Gesellschaften bereits durch ihre kulturelle wie materiell-technische Verfasstheit notwendig auf Wissen und die Teilung des Wissens gründen, stellt sich die zentrale Frage, warum ein bestimmter Gesellschaftstyp als Wissensgesellschaft qualifiziert werden kann. Neben der breiten sozialwissenschaftlichen Diskussion zur Ökonomie, von „Wissensarbeit“ oder „Symbolanalytik“ über Bildungsanforderungen und Vorstellungen „lebenslangen Lernens“ bis hin zu netzwerkartigen Organisationsformen in v.a. wissensbasierten Wirtschaftssektoren, wäre hier auch auf die besondere Rolle einzugehen, die einem spezifischen Typus von Expertenwissen zuzukommen scheint, das von Unternehmensberatungen bereitgestellt wird und sich gerade nicht durch die klassischen Institutionen von Wissenschaft und Forschung legitimiert. Ein zentraler Gesichtspunkt ist, inwiefern sich die Attribution Wissensgesellschaft in verschiedenartigen Problemkonstellationen tatsächlich als sachhaltig erweisen kann.

Diskutanten : Dr. Arnaud Lechevalier (Universität Paris I, Centre Marc Bloch), Dr. Danny Trom, (GSPM, CNRS / Max-Planck Institut für Wissenschaftsgeschichte)
Beiträge : Prof. Dr. Wolfgang van den Daele (WZB); Jochen Steinbicker, Doktorand (Humboldt Universität zu Berlin); Kathia Serrano-Velarde, Doktorandin (BGSS / Humboldt Universität zu Berlin).

15h30 – 16h00: Pause

16h00 – 18h00 : Ist die „Wissensgesellschaft“ demokratisch?

Die dritte Runde widmet sich der Frage, inwiefern die Wissensgesellschaft als demokratisch gelten kann. Zunächst ist die Wissensgesellschaft als normatives politisches Projekt ohne Zweifel ein Elitenprojekt, das sich appellativ an die gebildeten Schichten wendet. Bezogen auf den empirischen Wandel lassen sich, in klassischer Perspektive, zwei Aspekte unterscheiden, der Output hinsichtlich effektiver politischer Steuerung, und der Input im Sinne von Öffentlichkeit, Transparenz und Partizipationsmöglichkeiten. Hinsichtlich des ersten Punktes scheinen gerade die zunehmenden Anforderungen an hochspezialisierte Expertise in Entscheidungsprozessen deutliche Grenzen zu setzen für staatliche Steuerung oder auch Einflussnahme; gefördert werden damit Entwicklungen hin zu Verhandlungssystemen. Auf der Seite des Inputs finden sich zwar die Möglichkeiten zu größerer Transparenz von Entscheidungsvorgängen wie zu erweiterter Kommunikation und Partizipation durch die Entwicklungen der Informations- und Kommunikationstechnologien (e-government u.ä.), jedoch stehen dem zwei grundlegende Tatbestände entgegen: einerseits findet sich eine verbreitete Tendenz der Privatisierung und ökonomischen Verwertung von öffentlicher Information bei wachsender Intransparenz von Entscheidungsprozessen durch Verhandlungssysteme; andererseits ist davon auszugehen, dass die erweiterten Informations-, Kommunikations- und Partizipationsmöglichkeiten gerade nicht von der Breite der Bevölkerung wahrgenommen werden, sondern dass sich die bestehenden Differenzen in der politischen Partizipation eher noch deutlich verstärken. Im Zentrum dieser Session steht damit das Spannungsverhältnis von einerseits zunehmenden Partizipationschancen, Verhandlungssysteme einbegriffen, und andererseits ihrer extrem differenziellen Verteilung und in der Summe wohl wachsenden Intransparenz und Exklusivität von Entscheidungsprozessen.

Diskutant : Dr. Jean-Paul Gaudillière (INSERM / Max Planck Institut für Wissenschaftsgeschichte)
Beiträge : Prof. Dr. Pascale Laborier (Centre Marc Bloch); Dr. Martin Nagelschmidt (BGSS / Humboldt Universität zu Berlin); Sezin Topçu, Doktorandin (Centre Koyré / EHESS).

Kontakt

Cécile Cuny

Schiffbauerdamm 19
D-10117 Berlin
030 20 93 37 93
030 20 93 37 98
cec@cmb.hu-berlin.de

www.cmb.hu-berlin.de
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Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch
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