Die Zeitlichkeit des Stillstands oder Alles steht
Das Graduiertenkolleg „Mediale Historiographien“ lädt zur Konferenz „Stehende Gewässer: Medien und Zeitlichkeiten der Stagnation“ ein.
Vom 26. bis zum 28. April 2006 findet im congress centrum neue weimarhalle, Weimar die Konferenz „Stehende Gewässer: Medien und Zeitlichkeit der Stagnation“ statt. Sie wird am Mittwoch, 26. April 2006, 18h00 mit einem Abendvortrag eröffnet. Mit dieser Veranstaltung stellt sich das Graduiertenkolleg „Mediale Historiographien“ zum ersten Mal einer breiten Öffentlichkeit vor. Seit Januar 2005 arbeiten im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Graduiertenkollegs etwa 20 Doktoranden und Postdoktoranden mit unterschiedlichem wissenschaftlichen Hintergrund an den Universitäten Erfurt, Jena und Weimar zu den Themen Geschichte der Medien und Medien der Geschichte.
Die Beiträge der interdisziplinär ausgerichteten Tagung fokussieren medienhistorische und -philosophische Aspekte des Stillstellens: In einer zeitgeschichtlichen oder gegenwartsarchäologischen Perspektive geht es um die Diskussion unterschiedlicher Politiken des Stillstands. In einer metahistorischen Fragestellung sollen jene geschichtstheoretischen Haltungen und ihre Medien rekonstruiert werden, die sich vom „Fluss“ der Ereignisse abwenden, um unter der bewegten Oberfläche die hartnäckigen
Strukturen und Schichtungen des historischen Materials freizulegen. In
geschichtskritischer Absicht wird schließlich nach den Formen einer verschobenen oder „verrückten“ Zeitlichkeit gefragt, die geeignet sind, lineare Entwicklungs- und Fortschrittsmodelle zu verunsichern.
Dämme - Politiken des Stillstands
So sehr das politisch-ökonomische Denken 'Stagnation' zu verabscheuen scheint, so sehr bildet umgekehrt die Erfindung von Dispositiven der Stauung, Eindämmung und Umlenkung den Kern jedes Regierungshandelns. Selbst die neoliberale Deregulierung der
Produktions- und Informationsströme kann die staatlich verfügten Stockungen nicht aufheben, ohne umgehend neue, nicht weniger gewaltsame Formen der Unterbrechung einzuführen.
Was sind die technischen und medialen Bedingungen von Politiken des Stillstands? Wenn es sich bei 'Stagnation' nicht zuletzt um einen Beobachtungseffekt handelt: Welche Medien und Zeitformen sind besonders geeignet, ihn zu erzeugen? Lassen sich jene
geschichtsphilosophischen und -praktischen Konzepte, die der Stilllegung der Produktions- und Reproduktionsabläufe einen revolutionären oder messianischen Sinn gegeben haben, präziser fassen, wenn man sie im Hinblick auf ihre spezifische Medialität
befragt?
Teiche - Epistemische Praktiken des Verzögerns und Stillstellens
Jegliche Form der wissenschaftlichen Analyse setzt Akte der Eindämmung und der Abgrenzung voraus. Die Schaffung diskreter, abgeschlossener Einheiten gelingt nicht ohne mediale Techniken: Ob Katalog oder Sammlung, Quellenkritik oder Datenbank, ob schriftliche Tabelle, fotografische Bestandsaufnahme oder filmische Dokumentation – wissenschaftliche Werkzeuge erst verhelfen vermöge ihrer spezifischen Medialität zu einer Optik statischer, beobachtbarer Zustände.
Welche spezifischen Medientechniken formieren eine Perspektive „langer Dauer" oder andere historische Größen? Welche medialen Apriori gehen den Konzepten zur Verräumlichung historischen Wissens voraus? Inwiefern schreiben Medientechniken mit an dem in immer neuen Varianten aufgelegten modernen Traum einer universalen
Erschließung von „Welt"?
Altwasser - Wirkungsfelder des Anachronistischen
Der lineare, homogene und kontinuierliche Zeitfluss der Neuzeit gerät immer wieder ins Stocken, bildet Endlosschleifen und Wiederholungen. Das vom Fortschritt Erledigte und Zurückgelasse kehrt zurück: entstellt und unerlöst, in Gespenstern und Wiedergängern, in Technik-Atavismen und Retro-Moden.
Lässt sich eine Karte jener widersinnigen Zeitformen und ihrer paradoxen Wirkung zeichnen, welche die westlichen Zeitregime subvertieren? Welche Bedeutung haben die spezifischen Weisen, in denen das Alte Form und Funktion bildend im Neuen fortdauert? Gerade die Emergenz neuer Medien scheint sich nicht ohne die Insistenz und Wiedererweckung des Alten im Neuen ereignen zu können; wie also konstituieren anachronistische Einschlüsse neue Medien?
Gemäß dem interdisziplinären Programm des Kollegs werden auf der Tagung Vortragende aus den Bereichen Medienwissenschaft, Geschichte, Philosophie, Politologie, Literatur– und Filmwissenschaft erwartet.
Ergänzend und in Zusammenarbeit mit dem Graduiertenkolleg veranstaltet die ACC Galerie Weimar ihr „Europäisches Atelierprogramm 2006“ unter dem Motto „Die Subversion des Stillstands“. Informationen hierzu bietet die Website des ACC unter
www.acc-weimar.de.
Neben dem Tagungsprogramm finden Sie weitere Informationen zur Veranstaltung auf der Website des Kollegs: www.mediale–historiographien.de.