Herrscher- und Fürstentestamente im westeuropäischen Mittelalter

Herrscher- und Fürstentestamente im westeuropäischen Mittelalter

Veranstalter
Professor Dr. Brigitte Kasten, Universität des Saarlandes, Lehrstuhl für Geschichte des Mittelalters (mit freundlicher Unterstützung der Gerda Henkel Stiftung und der Deutschen Forschungsgemeinschaft)
Veranstaltungsort
Aula (Gebäude A 3. 3) der Universität des Saarlandes
Ort
Saarbrücken
Land
Deutschland
Vom - Bis
15.02.2006 - 18.02.2006
Deadline
31.12.2005
Von
Professor Dr. Brigitte Kasten

Anlaß der Tagung ist der 1200. Jahrestag der sogenannten „Divisio regnorum“ Kaiser Karls des Großen vom 6. Februar 806, Reichsteilungsplan und Erbverfügung in einem. Ihr nach 1200 Jahren an der Universität des Saarlandes zu gedenken und sie kritisch zu würdigen, bietet sich wegen des Standorts in historischer Region an, denn die „Divisio regnorum“ wurde im benachbarten Diedenhofen/Thionville erlassen. Die karolingischen erbrechtlichen Verfügungen zeichnen sich durch die Differenzierung zwischen Anordnungen über das Reich, mithin Herrschaft und Immobilien, und solchen über den Schatz, die Mobilien, aus. Diese Trennung könnte man als Fortleben eines spätantiken Bewusstseins von Staatlichkeit und abstrakter Herrschaftsauffassung deuten, das im 9. Jahrhundert noch in der Lage war, zwischen öffentlichem und privatem Bereich zu unterscheiden. Warum dies in den nachfolgenden Dynastien nicht mehr so gehandhabt wurde, wird sicherlich einen Diskussionsbereich des Symposions ausmachen. Erst der Staufer Friedrich II. und in zeitlicher Parallele der Kapetinger Philipp II. August in seinem ersten Testament scheinen wieder urkundlich über Reich und Schatz verfügt, dann aber in einem Dokument, nicht mehr in zwei verschiedenen Rechtsakten. Die sich darin abzeichnenden unterschiedlichen Praktiken der europäischen Dynastien des westeuropäischen Mittelalters einschließlich des Mittelmeerraumes zu ermitteln, soll einen weiteren Schwerpunkt des Symposions bilden. Es verbindet sich damit die Hoffnung zu neuen Erkenntnissen über die mittelalterliche Staatlichkeit zu gelangen, weil die dafür einschlägigen Herrschertestamente bzw. herrscherlichen erbrechtlichen Verfügungen noch nie für diese Fragestellung herangezogen worden sind, ausgenommen in Einzelfällen wie der „Divisio regnorum“. Umgekehrt ist die in jüngster Zeit neugestellte Frage nach der Relevanz der Kategorien von privat und öffentlich für die mittelalterliche Herrschaft noch nie auf die Herrschertestamente angewendet worden. Leitfragen: Wann fertigt ein Herrscher eine erbrechtliche Verfügung an (Alter, familiäre Situation, politische Umstände)? Worüber (Reich und/oder Schatz; Teilgebiete des Reiches)? Gibt es dafür eine Regel? Wer wird begünstigt (Relation der Erben untereinander im Verhältnis zur Erbmasse)? Gibt es Herrscher, die gar nicht, andere hingegen, die besonders häufig testieren, und warum? Welcher Art ist die Überlieferung (Urkunde, erzählende Quelle) und die Rechtsform (Testament, Kodizill, Verfügung auf den Todesfall, erbrechtliche Verfügung über Treuhänder)?

Über die Karolingerzeit hinausgehend soll der Blick auf die übrigen westeuropäischen Dynastien des Mittelalters geweitet werden, um historische Entwicklungslinien oder im Gegenteil abgebrochene Traditionen und neue Verhaltensmuster erkennen zu können. Hierfür könnten sich nicht zuletzt die Klerikertestamente als aufschlussreich erweisen, da die hohe Geistlichkeit schon viel früher und sehr viel intensiver als der weltliche Adel darauf bedacht war bzw. angehalten wurde, zwischen Amtgütern und Eigenbesitz zu unterscheiden. Neben der Frage nach der mittelalterlichen Staatlichkeit wird somit die mindestens ebenso interessante, ja noch grundsätzlichere Frage nach dem Eigentumsbegriff und der Transponierbarkeit von Eigentum von einer Generation zur nächsten im Rahmen eines zweiten Diskussionsbereiches erörtert werden. Leitfragen: Was wird nicht geregelt oder aus der Regelung ausgenommen? Wann soll und wann wird die erbrechtliche Regelung gültig? Wer erhebt wann und warum Einwände gegen die erbrechtliche Verfügung als Ganzes oder in Teilen? Gibt es dezidierte Äußerungen zu Limitierung des herrscherlichen Verfügungsrechts? Welche Königinnen testieren wann und worüber? Gibt es auch hier Limitierungen?

Der dritte Diskussionsbereich betrifft die durch die Testamente bzw. erbrechtlichen Verfügungen zu Tage tretende materielle Kultur. Leitfragen: Welche Gegenstände werden vererbt? Haben sie einen Gebrauchswert oder einen symbolischen oder einen idellen? Wie verfährt man mit herrscherlichen Insignien oder anderen Herrschaftszeichen? Ist die Herkunft der Gegenstände erkennbar? Werden Gegenstände vom Erbgang ausgenommen? Entwickelt sich ein Usus der vererbbaren Mobilien? Gibt es einen Unterschied zwischen dem, was Könige und was Königinnen vererben durften?

Programm

Mittwoch, den 15. Februar 2006
14.30
Begrüßung der Tagungsteilnehmer

15.00
Grußworte: Prof. Dr. Karl-Heinz Ohlig, Dekan der Philosophischen Fakultät I

15.15
Prof. Dr. Brigitte Kasten (Saarbrücken)
Einführung

15.30
Prof. Dr. Diethelm Klippel (Bayreuth)
Die Privatisierung des Erbrechts - Herrschaft, Eigentum und Erbrecht in der politischen Theorie des Mittelalters und der Neuzeit
16.00 Diskussion

ANTIKE IN RECHT UND PRAXIS
16.30
Prof. Dr. Tiziana Chiusi (Saarbrücken)
Römische Herrschertestamente im Kontext von Erb- und Eigentumsrecht
17.00 Diskussion

17.30
Prof. Dr. Klaus Martin Girardet (Saarbrücken)
Politische Herrschertestamente in der Antike
18.00 Diskussion

DAS FRÄNKISCHE REICH
18.30
Prof. Dr. Rudolf Schieffer (München)
Die Effizienz der letztwilligen Verfügungen der Karolinger
19.00 Diskussion

19.30 Deutsch-französisches Buffet

Donnerstag, den 16. Februar 2006

DAS FRÄNKISCHE REICH
Moderation: Prof. Dr. Ulrich Nonn (Koblenz)

09.00
Dr. Sören Kaschke (Bremen)
Tradition und Adaption - Die diviso regnorum und die fränkische Herrschaftsfolge
09.30 Diskussion

09.45
Dr. Matthias Tischler (Frankfurt a. M.)
Die „Divisio regnorum“ zwischen handschriftlicher Überlieferung und historischer Rezeption
10.15 Diskussion

10.30
Prof. Dr. Dieter Hägermann (Bremen)
„Divisio imperii“ 817 und „Divisio regni“ 831
11.00 Diskussion

11.15
Prof. Dr. Matthias Becher (Bonn)
Vater, Sohn und Enkel: Die Bedeutung von Eintritts- und Anwachsungsrecht für die Herrschaftsnachfolge im Frankenreich
11.45 Diskussion

12.00
Prof. Dr. Mireille Chazan (Metz)
Le testament de Charlemagne dans les chroniques universelles (de France)
12.30 Diskussion

12.45-14.30 Gelegenheit zum Mittagessen

DAS RÖMISCH-DEUTSCHE REICH
Moderation: Prof. Dr. Theo Kölzer (Bonn)

14.30
Prof. Dr. Arnold Angenendt (Münster)
Das Requiems-offertorium beim Herrschertod
15.00 Diskussion

15.15
Prof. Dr. Matthias Thumser (FU Berlin)
Das sogenannte Testament Kaiser Heinrichs VI.
15.45 Diskussion

16.00
Prof. Dr. Klaus van Eickels (Bamberg)
Die Testamente der späten Staufer
16.30 Diskussion

16.45
Prof. Dr. Heinz Thomas (Bonn)
Die Testamente der Böhmen-Luxemburger: Johann (1310-1346) und Karl IV. (1346-1378)
17.15 Diskussion

18.00 Grußworte
Prof. Dr. Margret Wintermantel, Präsidentin der Universität des Saarlandes

Öffentlicher Festvortrag
Prof. Dr. Johannes Fried (Frankfurt a. M.)
Zur Reichsteilung von 806

20.00 Saarländischer Abend
„Zum Stiefel“ Hausbrauerei am St. Johanner Markt, Saarbrücken, Am Stiefel 2

Freitag, den 17. Februar 2006
FRANKREICH
Moderation: Dr. Philippe Depreux (MHFA/Göttingen)

09.00
Prof. Dr. Elizabeth A. R. Brown (New York)
The Wills and Codicil of Philip the Fair: An Executorial Dilemma
09.30 Diskussion

09.45
Prof. Dr. Jörg Oberste (Regensburg)
Die Testamente Graf Raimunds VI. von Toulouse von 1209 und 1218
10.15 Diskussion

10.30
Dr. Murielle Gaude-Ferragu (Université Paris XIII-Villetaneuse)
Les testaments de Philippe le Bon, duc de Bourgogne (1426 und 1441)
11.00 Diskussion

ENGLAND
Moderation: Prof. Dr. Kurt-U. Jäschke (Saarbrücken)

11.15
Prof. Dr. John Gillingham (London)
Wills of Anglo-Norman kings
11.45 Diskussion

12.00
HD Dr. Jörg Rogge (Mainz)
Testamente der letzten Lancasterkönige Heinrich IV., V. und VI.
12.30 Diskussion

12.45-14.30 Gelegenheit zum Mittagessen

TESTAMENT UND KIRCHE
Moderation: Prof. Dr. Agostino Paravicini Bagliani (Lausanne)

14.30
Prof. Dr. Josef Semmler (Düsseldorf)
Zum Testament des fränkischen Bischofs
15.00 Diskussion

15.15
Priv.- Doz. Dr. Amalie Fößel (Bayreuth)
Seelgerätstiftungen spätmittelalterlicher Königinnen
15.45 Diskussion

16.00
Priv.- Doz. Dr. Stefan Weiß (Paris)
Die Erbschaften eines Papstes: Clemens V. (1305-1314) und Johannes XXII. (1316-1334)
16.30 Diskussion

16.45
Prof. Dr. Jürgen Sarnowsky (Hamburg)
Das Vermächtnis des Meisters in den geistlichen Ritterorden
17.15 Diskussion

20.00
Abendessen im Ristorante Da Toni, Saarbrücken, Mainzer Str. 3

Samstag, den 18. Februar 2006
DER MITTELMEERRAUM IM VERGLEICH
Moderation: Prof. Dr. Reinhard Schneider (Berlin)

09.00
Dr. Sven Holger Brunsch (Bonn)
Letztwillige Verfügungen von Herzögen und Grafen im frühmittelalterlichen Italien
09.30 Diskussion

09.45
Dr. Martin Bertram (Rom)
Das Testament von König Enzo (1272) im Rahmen der Bologneser Testierpraxis
10.15 Diskussion

10.30
Prof. Dr. Ralph-Johannes Lilie (Berlin)
Byzantinische Kaisertestamente
11.00 Diskussion

11.15
Prof. Dr. Rudolf Hiestand (Düsseldorf)
Erbrechtliche Bestimmungen im Kreuzfahrerstaat Tripolis
11.45 Diskussion

12.00
Prof. Dr. Peter Thorau (Saarbrücken)
Das Testament des mamlukischen Sultans Qailâwun (1279-1290)
12.30 Diskussion

12.45
Prof. Dr. Gert Melville (Dresden)
Schlußdiskussion und Zusammenfassung

ca. 14.00 Ende

Geschichte und Leben im Mittelalter Saarbrückens
(Stadtführung durch Historica Events, ca. 1,5 Std.)
Treffpunkt: 17.00 Hotel Leidinger

Kontakt

Brigitte Kasten

Universität des Saarlandes
3.4 Geschichte

0681/302-3312 bzw. 0681/302-3363
0681/302-2934
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