Beziehungsreiche Gewebe: Textilien im Mittelalter / Textiles in the Middle Ages

Beziehungsreiche Gewebe: Textilien im Mittelalter / Textiles in the Middle Ages

Veranstalter
Prof. Dr. Silke Tammen, Institut für Kunstgeschichte, Justus-Liebig-Universität Gießen; Kristin Böse, MA, Kunsthistorisches Institut der Universität zu Köln
Veranstaltungsort
Ort
Köln
Land
Deutschland
Vom - Bis
24.11.2006 - 26.11.2006
Deadline
31.01.2006
Website
Von
Silke Tammen / Kristin Böse

Die Kunstgeschichte kann auf eine Tradition der v.a. ikonographischen und stilgeschichtlichen Erforschung historischer Textilien zurückblicken, die sich mit Kunsthistorikerinnen wie Betty Kurth, Marie Schuette, Leonie von Wilckens und Renate Kroos verbindet. Einzelne Werke wie der ‚Teppich von Bayeux’ oder der ‚Einhornteppich’ des Musée de Cluny fordern immer wieder neue Deutungen heraus und prägen durch zahlreiche Reproduktionen auch das populäre Bilderwissen vom Mittelalter. Die Bedeutung von Textilien für kirchliche, höfische und städtische Repräsentationsbedürfnisse ist erkannt, und mit der Aufwertung der Kunst aus Frauenklöstern ist deren umfangreicher Textilbestand in das Blickfeld der Forschung geraten. Es herrscht also kein Zweifel an der Bedeutung von Textilien in den Gesellschaften des Mittelalters. Doch scheint uns, daß das Spezialwissen zwar wächst, aber mit Ausnahme der aktuellen Forschungen zu Frauenklöstern kaum Dialoge zwischen stilgeschichtlichen, ikonologischen, sozial- bzw. geschlechtergeschichtlichen und liturgiewissenschaftlichen Ansätzen geführt werden und Kontakte mit den TextilspezialistInnen der musealen Sammlungen und den KollegInnen anderer geisteswissenschaftlicher Disziplinen eher zufällig als systematisch aufgenommen werden. Meist werden stilgeschichtliche und ikonographische Analysen der Bildprogramme von Bildteppichen und Paramenten vorgenommen, jene aber selten in ihren symbolischen Codierungen und in ihrer spezifischen Stofflichkeit und Medialität gewürdigt. Als Gewebe und mobile Träger von ‚Geschichten’ weisen sie einerseits eine große Nähe zum Text, aber auch zu anderen Bildmedien auf, zugleich machen sie aber in ihrer mal diaphanen, mal schimmernden und plastischen Materialität ein Wahrnehmungsangebot jenseits der von ihnen zur Erscheinung gebrachten Bilder und Zeichen.
Die Tagung möchte die Breite der derzeitigen Ansätze und Fragestellungen spiegeln und dieselben kritisch diskutieren, darüber hinaus die Entwicklung medien- und kulturwissenschaftlich geprägter Perspektiven anregen. Die Tagung richtet sich daher explizit an alle mediävistischen Disziplinen. Wir verstehen die folgenden Themenfelder als eine erste Anregung für Tagungsbeiträge.

Mythen und Metaphern, Text und Textil
Hier könnten die mit Textilien und ihrer Herstellung verbundenen Mythen erörtert werden, so etwa die Bildthemen der handarbeitenden Maria und der Schicksale Arachnes und Philomeles, die in ganz unterschiedlicher Weise von Religion, Gewalt, Konkurrenz und geschlechtlich codierter Kommunikation handeln. Außerdem interessiert uns, wie das Verhältnis von Text und Textil in mittelalterlichen Schriftquellen thematisiert wird und ob sich daraus Rückwirkungen auf die Gestaltung von Textilien ergaben. Man denke an Bildteppiche, die mit einer Fülle von Spruchbändern und Tituli versehen sind, oder an einzelne mit Buchstaben verzierte Teile der liturgischen Gewandung.

Intermedialität
Immer wieder wurde nach den Anregungen gefragt, die von Texten, aber auch Wand- und Buchmalereien für die Fertigung von Textilien ausgingen. Doch erscheint diese (zumeist ikonographisch oder stilistisch orientierte) Perspektive zu einseitig. In welchem Zusammenhang und vor allem: mit welchen gestalterischen Zielen sind Übernahmen von Zierformen, Rahmen- und Bildstrukturen - etwa auch aus der Goldschmiedekunst – zu beobachten? Zu fragen wäre überdies, ob nicht auch umgekehrt Wandmalereien oder Miniaturen die Ornament- und Bildfülle von Textilien rezipieren.

Gewand und Körper
Wie werden in Bildern, in theologischen Traktaten und im höfischen Roman die Beziehungen zwischen Gewand, insbesondere einem beschrifteten, heraldisch, allegorisch oder narrativ bebilderten Kleidungsstück (z.B. die Haube des Bauernsohns Helmbrecht), und seinem Träger, und die Verschränkungen von Gewand- und Körpermetaphorik thematisiert? Im sakralen Kontext wären mögliche Themen das Verhältnis von Träger und Tuch im Schweißtuch der Veronika, der Schleier Mariens, die Gewänder Christi und der ‚Schleier des Fleisches’ (Hebr 10, 19-20) oder ganz konkret die christologischen Stickereien in Korporalienkästchen. Auch in Heiligenviten erscheint das Gewand nicht selten als Spiegel heiliger Körperlichkeit. Welche Rolle spielen dort und in ihren bildlichen Interpretationen beispielsweise Schleier, Vorhänge und Gewänder? Kaum berücksichtigt wurde auch bisher, in welcher Vielfalt Textilien im Reliquienkult zum Einsatz kamen. Nicht das Reliquiar, sondern kostbare Textilien, oftmals aus einem anderen Verwendungskontext stammend, boten die erste Hülle der heiligen Partikel.

Performativität und Raum
Hier sollte die Beweglichkeit mittelalterlicher Textilien und deren Gebrauch im Zusammenspiel mit spezifischen Räumen diskutiert werden. Kultbilder werden ver- und enthüllt, Räume können mit Altarvorhängen, Bildteppichen oder Fastenvelen in ihrem Erscheinungsbild verändert werden. In der Liturgie fungiert der in bebilderte Gewänder gehüllte Priester als Stellvertreter Christi und wird für kurze Zeit Bestandteil und Bezugspunkt der bildlichen Umgebung des Altars.
Die Bedeutung von Textilien als ‚portable grandeur’ für höfisches Zeremoniell und herrscherliche Erscheinung ist bekannt, Schwerpunkte der Untersuchungen waren dabei Burgund bzw. das frühneuzeitliche Frankreich. Wie verhält es sich mit anderen Höfen bzw. Ländern wie Spanien, über dessen mittelalterliche Textilien generell noch wenig bekannt zu sein scheint?

Wenn Sie einen Beitrag leisten möchten, senden Sie bitte ein Konzept (max. 1 Seite) und eine Kurzbiographie bis zum 31. Januar 2006 per e-mail oder auf dem Postweg an:

Prof. Dr. Silke Tammen
Institut für Kunstgeschichte
Justus-Liebig-Universität Gießen
Otto-Behaghel-Str. 10/G
D-35394 Gießen
Silke.C.Tammen@kunst.geschichte.uni-giessen.de

Kristin Böse, MA
Kunsthistorisches Institut der
Universität zu Köln
Albertus-Magnus-Platz
D-50923 Köln
Kristin.Boese@uni-koeln.de

Es werden Drittmittel zur Finanzierung der Reise- und Übernachtungskosten der Vortragenden beantragt.

Art history can look back on a long tradition of research on historical textiles. The mainly iconographical and stylistic analysis of textiles is strongly associated with names such as Betty Kurth, Marie Schuette, Leonie von Wilckens und Renate Kroos. Some works such as the Bayeux Tapestry or the Lady with the Unicorn Tapestry in the Musée de Cluny have never ceased to challenge interpretation. Reproductions of the tapestries have made them very well known even outside of art history.
It has been recognised that textiles held great importance as representational media for the church and the court, as well as a civic means of representation. Furthermore, the fairly recent acknowledgement of art in convents has drawn academic attention to the nuns’ extensive use and production of textiles. There is, therefore, no doubt as to the importance of textiles in medieval societies. And yet, whilst specialist knowledge on the subject is increasing, it seems to us that there is very little discussion between the different approaches. Apart from the recent studies on medieval convents, there is little interaction between readings of textiles focusing on aspects of style, of gender, or liturgical aspects, on social history or iconology. Collaborations between experts on textiles working within collections and museums on the one hand, and colleagues from other academic disciplines on the other hand, seem to take place accidentally rather than being brought about systematically. Analyses of style and iconography are frequently made of tapestries and paraments, but the works are rarely appreciated for their symbolic encoding, specific texture and mediality. As fabric and as mobile bearers of ‘stories’, textiles have an affinity with texts, but also with other visual media. At the same time, textiles enable a perception of them that lies beyond the images and signs that are brought forth by them, a perception created by their shifting materiality which can be diaphanous, gleaming, or richly textured.
This conference endeavours to reflect and critically assess the breadth of current approaches and further a development of viewpoints from the perspective of media and cultural studies. The conference is therefore aimed especially at researchers of all kinds of medieval studies. The following topic areas are intended as first suggestions for contributions to the conference.

Myths and Metaphors, Text and Textile
In this section, the myths formed around textiles and their creation could be discussed, for instance images of the embroidering or weaving Virgin Mary or the fates of Arachne and Philomela – images which, in diverse ways, speak of religion, violence, rivalry and gender-defined communication. Further, we are interested in the way that the relation between text and textile is dealt with in medieval texts, and whether repercussions of this can be seen in the design of textiles themselves. Points of contact between text and textile are, for example, tapestries that have been literally filled with speech scrolls and tituli, or items of liturgical clothing which have been adorned with letters.

Intermediality
There has been much interest in the role that texts, wall paintings and book illustrations play in the creation of textiles. This perspective, usually dealing with the iconography or the style of the work in question, seems insufficient. One might ask instead: what is the context for the appropriation of decorative motifs, borders, frames and visual structures? And what is their aim? Furthermore, it is also necessary to approach the question from the other side: do wall paintings or miniatures not equally absorb the ornamental structures and wealth of images that textiles convey?

Garments and the Body
How do images, theological treatises, or courtly poetry and romance portray the relations between a garment (especially one covered with writing, or one with images of a heraldic, allegorical or narrative nature) and its wearer? A case in point might be the cap of Helmbrecht the farmer’s son. How do body metaphors and garment metaphors play on one another? In a sacred context possible topics for this section might be: the relation of bearer and cloth in Veronica’s veil, the veil of the Virgin Mary, the clothes of Christ and the ‘veil of his flesh’ (Hebr 10, 19-20), or, more palpable, the Christological embroidery inside corporal boxes. In the lives of saints their garments often appear as mirrors of holy corporality. Which role do motifs such as veils, curtains, draperies and clothes play in these texts and their visual interpretations? Another area which has yet to be considered is: in which different ways have textiles been employed in the cult of relics? Precious fabrics (often originally coming from a different functional context) provided the first cover for the holy particles.

Performance and Space
In this section, the mobility of medieval textiles and their use within, or in interaction with, specific spaces will be discussed. Cult images were veiled and unveiled, the appearance of certain spaces could be changed by adding or removing altar curtains, tapestries or Lenten veils. In the liturgy, the priest, clothed in garments adorned with woven or embroidered images, is the representative of Christ and for a short time becomes the focal point of the imagery surrounding the altar. The importance of textiles as “portable grandeur” for court ceremony and sovereign appearance has been researched. The main focus of research in this area has been Burgundy, or early modern France. Other courts and countries have yet to be examined. Little is known, for example, about the medieval textiles of Spain.

If you wish to make a contribution, please send an outline (1 page max., conference languages will be English and German) and a short biography via e-mail or regular mail to the following by January 31st, 2006:

Prof. Dr. Silke Tammen
Institut für Kunstgeschichte
Justus-Liebig-Universität Gießen
Otto-Behaghel-Str. 10/G
35394 Gießen
Germany
Silke.C.Tammen@kunst.geschichte.uni-giessen.de

Kristin Böse, MA
Kunsthistorisches Institut der
Universität zu Köln
Albertus-Magnus-Platz
50923 Köln
Germany
Kristin.Boese@uni-koeln.de

We apply for funding in order to cover the expense of the participants.

Programm

Kontakt

Böse

Kunsthistorisches Institut der Universität zu Köln

Kristin.Boese@uni-koeln.de


Redaktion
Veröffentlicht am
Beiträger
Klassifikation
Region(en)
Weitere Informationen
Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Englisch, Deutsch
Sprache der Ankündigung