Unfreie Arbeit. Ökonomische, rechtliche und geistesgeschichtliche Perspektiven

Unfreie Arbeit. Ökonomische, rechtliche und geistesgeschichtliche Perspektiven

Veranstalter
Graduiertenkolleg "Sklaverei - Frondienst und Knechtschaft - Zwangsarbeit", Universität Trier
Veranstaltungsort
Hotel Ramada
Ort
Trier
Land
Deutschland
Vom - Bis
20.10.2005 - 22.10.2005
Website
Von
M. Erdem Kabadayi, Tobias Reichardt

Während des weitaus größten Teils der menschlichen Geschichte hatte die formal freie Lohnarbeit nicht die grundlegende gesellschaftliche Bedeutung, die ihr in der Moderne zukommt. Stattdessen bestand abhängige Arbeit weitgehend in verschiedenen Formen von Sklaverei und Knechtschaft. Dabei konnten in derselben Epoche und Kultur mehrere Typen unfreier Arbeit neben- und miteinander existieren und wiederum zahlreiche Zwischenformen vorkommen. Während sich in der Neuzeit dagegen in Europa und Nordamerika in einer radikalen gesellschaftlichen Umwälzung die freie Lohnarbeit durchsetzte, spielte und spielt verschiedentlich bis ins zwanzigste und einundzwanzigste Jahrhundert unfreie Arbeit als Zwangsarbeit, Sklaverei oder in anderen terminologisch oft schwer fassbaren Formen eine Rolle in nationalen Ökonomien und in der Weltökonomie.
Unfreie Arbeit lässt sich unter vielen Aspekten untersuchen. Stets aber ist ihre ökonomische Funktion von primärer Bedeutung für die Existenz sozialer Unfreiheit, ob dabei privatwirtschaftlicher oder öffentlicher Nutzen maßgeblich ist. Doch handelt es sich nie um ein rein ökonomisches Verhältnis, sondern um eines, das durch rechtliche, politische und mentalitätsgeschichtliche Bedingungen vermittelt ist. Oft beruht unfreie Arbeit auf der rechtlichen Ungleichheit verschiedener Bevölkerungsgruppen; in anderen Fällen bestehen indessen rechtliche Normen der Gleichheit, denen die faktische Realität nicht gerecht wird. Somit ist immer auch die Frage nach der rechtlichen Form unfreier Arbeit zu stellen, woran ebenfalls deutlich werden kann, dass Freiheit und Unfreiheit Übergangsformen und Schattierungen aufweisen. Gesellschaftliche Herrschaft ist zu ihrer Stabilisierung zudem auf ihre Akzeptanz durch weite Teile der Bevölkerung angewiesen, weshalb sich die ökonomische und rechtliche Distinktion nicht selten an ethnische oder religiöse Unterschiede knüpft. So ist auch das Bewusstsein unfreier Arbeit, wie es sich etwa in Literatur und Philosophie wiederfindet, zu thematisieren. Während die Moderne seit der Epoche der Aufklärung zunehmend einhellig direkte persönliche Abhängigkeit wie Sklaverei als der Menschenwürde widersprechend verwirft, nahmen andere Epochen oder Kulturkreise sie als selbstverständlich hin. Bisweilen wurde sie aus religiösen oder humanitären Motiven problematisiert, selten jedoch grundsätzlich infrage gestellt. Die Untersuchung der geistesgeschichtlichen Seite der unfreien Arbeit kann unter anderem zeigen, in welchem Maße Philosophen und Schriftsteller den Institutionen ihres Zeitalters verhaftet sind und in welchem Maße sie diese zu transzendieren vermögen.
Ebenso wie das Graduiertenkolleg zahlreiche Teile der menschlichen Geschichte tangiert, soll auch diese Konferenz auf keine bestimmte Epoche beschränkt sein. Es ist nicht ganz einfach, solche universale Ausrichtung und vielschichtige Herangehensweise in einer Konferenz zur Geltung kommen zu lassen. Doch ermöglicht dieser Ansatz andererseits, bestimmte Fragestellungen in den Fokus zu rücken, die sonst nur bedingt zur Geltung kämen. Denn manche Probleme, etwa solche terminologischer Art, bestehen über die Epochen- und Disziplinengrenzen hinweg. Nur im interdisziplinären Kontext können Kontinuitäten ebenso wie Wandel der Formen unfreier Arbeit deutlich werden, wobei auch Fragen der Abgrenzung verschiedener Typen von Unfreiheit zu diskutieren sein werden, wie sie etwa in Bezug auf geschichtliche Übergangsphasen entstehen. Auf diese Weise wird es möglich sein, unfreie Arbeit differenzierter zu erfassen und der Komplexität der unter diesem Namen zusammengefassten Phänomene gerecht zu werden. Auf dieser Konferenz sollen einerseits Kollegiaten die Ergebnisse ihrer bisherigen Arbeit sowie ihrer bisherigen Diskussionen untereinander präsentieren können, andererseits soll aber auch eine Auseinandersetzung mit externen, etablierten Forschern herbeigeführt werden.

Programm

Unfreie Arbeit: ökonomische, rechtliche und geistesgeschichtliche Perspektiven
Konferenz des Graduiertenkollegs „Sklaverei – Knechtschaft und Frondienst – Zwangsarbeit. Unfreie Arbeits- und Lebensformen von der Antike bis zum 20. Jahrhundert“, Universität Trier

Donnerstag, 20. 10. 05

15.00 Eröffnung und Begrüßung
Eröffnungsvortrag - Nikhil Roy (Anti-Slavery, London): “Slavery in the 21st Century. What Is It and How Do We Combat It?”

16.00 Lothar Willms (Heidelberg): „Die ‚Sklaven’ des Großkönigs - Griechen und Altertumswissenschaftler (miss)deuten das altiranische Gefolgschaftswesen“

16.45 Tobias Reichardt (Trier): „Zur Unterscheidung von politischer und despotischer Herrschaft bei Aristoteles“

17.30 Kaffeepause

17.45 Silke Diederich (Trier): „Sklavenarbeit in den römischen Agrarhandbüchern“

18.30 Johannes M. Rainer (Salzburg): „Rechtsprobleme der Sklaven im Römischen Recht“

19.30 Abendessen und Weinprobe

Freitag, 21. 10. 05

9.00 Hermann Nehlsen (München): „Die unfreien Handwerker im Spiegel der Rechtsaufzeichnungen der germanischen Stämme der Spätantike und des frühen Mittelalters“

9:45 Günther Mensching (Hannover): „Arbeit zwischen Sklaverei und Autonomie bei Thomas von Aquin“

10.30 Kaffeepause

11.00 Sally McKee (Davis, Kalifornien): “New Directions in the Study of Late Medieval Slavery in the Christian Mediterranean”

11:45 Linda Northrup (Toronto): “Military Slavery in the Islamic and Mamluk Context”

12.30 Mittagessen

14.30 Hartmut Elsenhans (Leipzig): „Politische Ökonomie der Sklaverei vom 16. bis 18. Jahrhundert“

15.15 Suraiya Faroqhi (München): „Ein iranischer Sklave im Anatolien des 18. Jahrhunderts oder Was sich aus einer Beschwerde erschließen lässt“

16.00 Kaffeepause

16.15 Nicole Longen (Trier): „Der Wandel der Wegebaufronen. Die Transformation der Dienstverpflichtungen in Stadt und Land im Trierer Raum, 1750- 1850“

17.30 - 19.00 Führung durch das Karl-Marx-Haus

Samstag, 22. 10. 05

9.00 Renate Blickle (Saarbrücken): „Zwangsarbeit in der frühen Neuzeit. Dienst und Strafe als Formen unfreier Arbeit in Bayern“

9.45 M. Erdem Kabadayi (Trier): „Unfreie nicht-muslimische Arbeiter an den staatlichen Fabriken im Istanbul des 19. Jahrhunderts“

10.30 Kaffeepause

11.00 Mark Spoerer (Hohenheim, Stuttgart): „Zwangsarbeit für Deutschland im Ersten und Zweiten Weltkrieg“

11.45 Marcel von der Linden (Amsterdam): „Eine einfache und dennoch schwer zu beantwortende Frage: Warum gab (und gibt) es im Kapitalismus Sklaverei?“

12.30 Abschlussdiskussion

13.00 Mittagessen

Kontakt

Tobias Reichardt

Graduiertenkolleg "Sklaverei", FB III, 54286 Uni Trier
TobiasReichardt@yahoo.de / mekabadayi@yahoo.de