44. Wissenschaftliches Symposium der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte

44. Wissenschaftliches Symposium der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte

Veranstalter
Gesellschaft für Unternehmensgeschichte e.V.
Veranstaltungsort
n.n.
Ort
Frankfurt am Main
Land
Deutschland
Vom - Bis
14.10.2021 - 15.10.2021
Deadline
28.02.2021
Von
Barth, Janina

Der Aufstieg in deutschen Unternehmen ist bis zur Gegenwart Gegenstand weitreichender, zum Teil fast mythischer Erzählungen, ebenso wie die Landes’sche Frage «What do Bosses do?» im Kontext der Unternehmensgeschichte über eine Fülle empirischer Einzelbefunde hinaus kaum beantwortet ist. Es gibt eine Fülle von Studien zur Herkunft von Unternehmensleitungen, zum konkreten Führungsverhalten und zu damit zusammenhängenden Problemen, die in verschiedenen empirischen und konzeptionellen Perspektiven auch nach allgemeineren Antworten gesucht haben. Doch neigt die empirische Forschung im Bereich der Unternehmensgeschichtsschreibung noch immer zu kaum generalisierbarer anekdotischer Evidenz, während die konzeptionellen Überlegungen sich letztlich in Allgemeinplätzen verlieren, die auf konkrete Aufstiegsprozesse und das jeweilige Führungs- und Entscheidungsverhalten bestenfalls Mutmaßungen zulassen. Die Tagung der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte soll nun die verschiedenen Forschungsrichtungen zusammenführen und nach möglichen Auswegen aus den bisherigen thematischen Engführungen suchen, indem sie genuin unternehmenshistorische Arbeiten und Fragestellungen mit betriebswirtschaftlichen und organisationssoziologischen Perspektiven auf Karrierestrukturen und Führungsverhalten miteinander verbindet.

Führung und Karriere sollen dabei nicht getrennt aufgefasst, sondern aufeinander bezogen werden. So hing etwa das Führungsverhalten in der chemischen Industrie lange Zeit maßgeblich von der Verbindung kaufmännischer Expertise und chemischer Kompetenz ab, die in konkreten Organisationsfragen und bei strategischen Entscheidungen in einem gegenseitigen Ermöglichungsverhältnis standen, zugleich aber den Erwartungshorizont absteckten, auf den bezogen Karrieren bis zur Spitze eines Unternehmens überhaupt vorstellbar erschienen. Ganz ähnlich spielten im Finanzsektor praktische Fragen in der Führung stets eine sehr viel größere Rolle als akademische Deliberationen, sodass hier über lange Zeit eine geradezu antiakademische Stimmung vorherrschte, die eine entsprechende Karrierestrukturierung nicht zwangsläufig, aber doch hochwahrscheinlich machte. Auf der anderen Seite war dieses Verhältnis gegenseitiger Ermöglichung gerade nicht determinativ und gegenüber ökonomischem und organisatorischem Wandel alles andere als abgeschirmt. Die sich gegenseitig stützenden Führungs- und Karrieremuster standen vielmehr selbst unter einer Art laufenden Bewährungsaufsicht, die so etwas wie die Petrifizierung (Versteinerung, Erstarrung) von Führungsverhalten und Rekrutierungsformen zumindest auf längere Dauer hin ausschloss. Vielmehr lassen sich im Laufe der Unternehmensgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart hinein wiederholt Veränderungsschübe feststellen, in denen mehrere Momente prägend zum Ausdruck kamen.

Neben dem Wandel der Märkte und ihrer sukzessiven Globalisierung waren das einerseits vor allem technologische Faktoren, andererseits aber (rekursive) Fortentwicklungen des organisatorischen Wissens, der organisatorischen Konzepte und der zugrundeliegenden organisatorischen Modelle, die entweder über interne Zwänge, Veränderungen in den Ausbildungsgehalten der Nachwuchskräfte oder externes Wissen in den Unternehmen relevant wurden. Vor allem aber fanden und finden Führung und Karriere nicht in einem un- oder vorgesellschaftlichen Raum statt, sondern die Unternehmen müssen sich seit dem 19. Jahrhundert laufend vor einer zunehmend kritischen Öffentlichkeit rechtfertigen, wobei diese Öffentlichkeit keineswegs nur wirtschaftliche Aspekte thematisiert, sondern in zunehmendem Maße auch so etwas wie die «gesellschaftliche Verantwortung» oder «Nachhaltigkeit» der Unternehmensführung einfordert und die unternehmensinternen Karrierewege auf ihre Vereinbarkeit mit den gesellschaftlich jeweils geltenden Wert- und Gerechtigkeitsvorstellungen und deren ggf. gegebene institutionelle Fassung diskutiert.

Schließlich spielen in diesem Zusammenhang auch stets individuelle Faktoren eine große Rolle, da ein wahrscheinlich nicht unbedeutendes Moment praktischen Führungsverhaltens wie erfolgreicher Karrierewege das individuelle Verhalten der betreffenden Protagonisten reflektiert. Da Führung und Karriere jeweils Momente komplexer organisatorischer Abläufe sind, ist damit nicht eine naive Orientierung an dem Vorkommen und der Bedeutung von «Führungspersönlichkeiten» adressiert, wie es für die ältere unternehmensgeschichtliche und betriebswirtschaftliche Literatur nicht untypisch war; die Kritik hieran sollte indes nicht darüber hinwegtäuschen, dass individuelle Momente relevant sind. Letztlich ist der berufliche Aufstieg in Unternehmen das Ergebnis, so Friedrich Fürstenberg, vielfältiger Wechselbeziehungen zwischen der «Situationsstruktur» des Unternehmens (Eigentümerstruktur, Produktionsform, Grad der Arbeitsteilung, Marktposition, grundsätzliche strategische Ziele etc.) und dem «subjektiven Anspruchsniveau» einer Führungskraft (Aufstiegswille, «sozialer Ehrgeiz», die Bereitschaft, anstehende Aufgaben ambitioniert zu lösen, etc.). Die Frage ist, in welchem Ausmaße und wie der «individuelle Faktor» im historischen Wandel von «Führung und Karriere» eine Rolle spielte, nicht zuletzt im Rahmen des Begreifens von Führungsstilen und Praktiken, die je nach dem stärker kollektiv oder persönlich angelegt sind.

Der Wandel von Führung und Karrieren, ihre gegenseitige Bedingtheit sowie deren Eingebundenheit in die jeweiligen historischen Kontexte bilden mithin den engeren Gegenstand der Konferenz. Beiträge sind dabei vor allem zu folgenden Fragen erwünscht:

Führungsstile und Führungskonzepte in empirisch-historischer und konzeptioneller Sicht: Lassen Sich (wandelnde) Muster von Führung identifizieren und im historischen Wandel exakt verordnen? Welche Faktoren führen zum Wandel von Führungsstilen und Führungspraktiken? Wie ist das Zusammenspiel von interner Problemlösungskapazität und öffentlichen Führungserwartungen nicht zuletzt in Publikumsgesellschaften unter wechselnden Marktbedingungen? Wie wird jeweils Führung praktiziert, wie Führung kommuniziert? Variieren Führungsstil und Führungspraxis mit der Rechtsform der Unternehmung und den Eigentümerstrukturen, vor allem ist das Führungsverhalten in familiengestützten Unternehmen zeitstabiler als in anonymen Kapitalgesellschaften?

Karrierewege und Karrieremuster in sozial- und unternehmenshistorischer Perspektive:
Wer macht Karriere und wird zur Führungskraft? Wie gelangt die betreffende Person in füh-rende Positionen, welche alternativen Karrierewege existieren und welche Bewährungsstrategien versprechen belastbar Aufstiegserfolge? Wie veränderte sich in den Unternehmen die Art und Weise, die Eignung von Kandidatinnen und Kandidaten für Führungspositionen zu überprüfen (Verfahren, Akteure)? Und welche Rolle spielen Qualifikation, Kompetenz, Durchsetzungsvermögen, welche Rolle Herkunft, Vernetztheit und «kulturelles Kapital»? Welche Karrierewege gibt es, die Organisationsgrenzen überschreiten?

Wie lässt sich schließlich die Dialektik von Führungserwartung und Karrieremuster hinreichend erfassen? Transzendiert die soziale Herkunft der Bewerber die Führungserwartung, oder relativiert andererseits die (erfüllte) Führungserwartung die jeweilige Herkunft der Bewerber um höhere Positionen in den Unternehmen? Ist, kurz gesagt, Führung stets «sozial elitär», oder ist andererseits nur erfolgreiche Führung «elitebildend», sodass eine feste Verbindung von Führung und bestimmten Sozialgruppen eher unwahrscheinlich ist?

Diese Fragen dienen zur Skizzierung der Rahmenerwartungen der Tagung; sie sind keine engen, geradezu exklusiven Kriterien für Referatsvorschläge, die sich vielmehr hieran orientieren sollen, ohne dadurch im Einzelnen festgelegt zu sein.

Vorschläge senden Sie bitte bis zum 30. Januar 2021 an die Geschäftsführerin der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte e.V., Frau Dr. Andrea H. Schneider-Braunberger (ahschneider@unternehmensgeschichte.de).

Ansprechpartner: Prof. Dr. Wolfgang Mayrhofer (Wien), Prof. Dr. Werner Plumpe (Frankfurt am Main) und Prof. Dr. Jörg Sydow (Berlin)

Kontakt

Barth

Gesellschaft für Unternehmensgeschichte e.V.

(069) 97 20 33 14

info@unternehmensgeschichte.de

https://unternehmensgeschichte.de/
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