Institutionalisierung militärischer und ziviler Ordnungen in der Vormoderne

Institutionalisierung militärischer und ziviler Ordnungen in der Vormoderne

Veranstalter
Europäisches Graduiertenkolleg "Institutionelle Ordnungen, Schrift und Symbole"
Veranstaltungsort
Europäisches Graduiertenkolleg, Ludwig-Ermold-Str. 3, 01217 Dresden
Ort
Dresden
Land
Deutschland
Vom - Bis
28.01.2006 -
Deadline
01.09.2005
Website
Von
Europäisches Graduiertenkolleg der TU Dresden

Stellt man die Frage nach der Bedeutung des Militärs für frühneuzeitliche Ordnungskonzeptionen, stößt man auf zwei unterschiedliche Perspektiven. Einerseits wird dem Militär eine exponierte Stellung als „Keimzelle der Disziplin“ zugeschrieben. Die Vertreter dieser Auffassung betonen, dass die militärische Disziplinierung dem frühmodernen Staat als ein Modell für gesellschaftliche Ordnung und Disziplinierung gedient habe. Sukzessive seien diese Ordnungsvorstellungen, vom Militär ausgehend, auf andere Bevölkerungsgruppen übertragen worden. Andererseits ziehen jüngere Forschungen das disziplinierte und erwartungskonforme Verhalten von Soldaten in Zweifel. Gemeinschaftlich begangene Eidbrüche von Söldnern, eigenständige Plünderungen der Zivilbevölkerung und häufige Desertionen zeigen, dass die Disziplin in den scheinbar so disziplinierten Militärverbänden oft genug sehr fragwürdig war. Ohnehin wurden Angehörige des Militärs – ob nun als gartender Landknecht oder als das Sittenleben gefährdender Söldner – immer wieder als Bedrohung der gesellschaftlichen Ordnung wahrgenommen. Aus dieser Perspektive kann das Militär keineswegs als Musterbeispiel eines disziplinierten und geordneten Sozialverbandes gelten. Vielmehr muss man die Auswirkungen militärischer Präsenz über die gesamte Vormoderne als Herausforderung für die Institutionalisierung gesellschaftlicher Ordnung sehen. Vor diesem Hintergrund wäre zu fragen, wie sich Wechselbeziehungen zwischen militärischer und ziviler Ordnung in unterschiedlichen Kontexten ausgenommen haben.

Angesichts dieser Perspektiven sollen im Rahmen des Workshops zwei Bereiche im Zentrum der Betrachtung stehen: Zunächst geht es darum, militärische Ordnungskonzepte in ihrer Wechselwirkung mit anderen gesellschaftlichen Ordnungsvorstellungen näher zu beschreiben. Als Tiefenbohrung soll in einem zweiten Teil der konkrete Fall der Rechtsordnung in den Blick genommen werden. Anliegen des Workshops ist es, diesbezügliche Aspekte aus laufenden oder gerade abgeschlossenen Doktorarbeiten vorzustellen und zu diskutieren. Die Referate sollen vorab als Textdatei allen TeilnehmerInnen zugesandt werden. So kann während des Treffens die Diskussion der Ergebnisse im Mittelpunkt stehen. Der zeitliche Schwerpunkt liegt auf der Vormoderne, Einblicke in das 19. Jahrhundert sind aber willkommen.

1) Wechselbeziehungen zwischen militärischen und anderen Ordnungskonzepten
Je nach Perspektive und Zusammenhang werden militärische Organisationsformen einerseits als ordnungsstiftend, andererseits jedoch als eine Bedrohung von Ordnung wahrgenommen. Beim frühneuzeitlichen Räuberwesen zeigt sich beispielsweise, dass „zivilen“ Räuberbanden häufig zugeschrieben wurde, sie würden sich nach dem Vorbild militärischer Organisation formieren. Über die Mitglieder dieser Banden ging zudem die Sage, sie hätten ihr Know-how beim Militär erlernt und setzten es nun zum Schaden von Frieden, Wohlstand und guter Ordnung ein. Zur Bekämpfung dieser Banden und zum Schutz der guten Ordnung sollten dann Streifen dienen, die ebenfalls nach militärischem Vorbild organisiert waren.
Ausgangspunkt der Beiträge soll die Frage sein, wie das Zusammenwirken oder die Opposition von militärischer und gesellschaftlicher Ordnung auf verschiedenen Ebenen dargestellt wurde. Welche Vorstellungen über das Verhältnis zwischen Herrschafts-, Gesellschafts- und militärischer Ordnung lassen sich etwa in der zeitgenössischen Publizistik, bei der normativen Ausgestaltung rechtlicher Rahmenwerke oder auch in der Rechtspraxis selbst finden? Wurde das Militär als eine vorbildhafte Ordnung für andere soziale Verbände herausgestellt oder wurden ihm hierfür ordnungsstabilisierende Leistungen zugesprochen? Wurde es als eine Bedrohung der gesellschaftlichen Ordnung konzeptualisiert oder wurde ihm gar eine eigene Ordnung abgesprochen? In welchen Medien und in welchen kommunikativen Kontexten wurden solche Entwürfe vollzogen? Auf welche Interessen lassen solche Darstellungen schließen? Wie wurde dabei eine Positionierung von Militär in Bezug auf Herrschaftsordnung und Gesellschaft vorgenommen? Wie wurde das Militär dabei in zeitgenössischen Vorstellungen von gesellschaftlicher Ordnung verortet?

2) Einfluss militärischer Präsenz auf Rechtsordnung und Rechtspraxis
Die Verrechtlichung von Konflikten in städtischen oder territorialen gesellschaftlichen Formationen kann als einer der wesentlichen Prozesse frühneuzeitlicher Herrschaftsausbildung aufgefasst werden. In diese Zeit fallen nicht nur die Entstehung und Etablierung überregionaler rechtlicher Instanzen, sondern auch die Ausgestaltung von Prozessformen und der Strafzumessungslehre, die auf die Sicherstellung einer gleichmäßigen Justiz zielten. Im Rahmen rechtlicher Einflussnahme durch Herrschaft wurden dabei traditionell selbständige Rechtsräume und privatrechtliche Einigungen langsam zurückgedrängt und einem übergreifenden Anspruch zur Rechtssprechung untergeordnet. Diese Entwicklung wurde von vielfältigen Widerständen und gegenläufigen Tendenzen begleitet.
Vor dem Hintergrund des sich langsam herausbildenden Systems einer Rechtsordnung soll der Frage nachgegangen werden, welchen Veränderungen und Modifizierungen dieses System durch die Präsenz von Militär – gerade in Zeiten von Krieg – unterworfen war. Unmittelbare Kriegshandlungen im Land, Einquartierungen und gartende Knechte waren Erscheinungen oder Folgen des Krieges. Mit dem Aufkommen der stehenden Heere trat die dauerhafte Kasernierung von Soldaten als neues Element militärischer Präsenz hinzu. Daraus ergaben sich vielfältige Konfliktlinien zwischen militärischen und nichtmilitärischen Bereichen, aber auch einander ergänzende Formen des Wirtschaftens und Zusammenlebens. Davon ausgehend soll in den Blick genommen werden, wie innerhalb der Rechtsordnung auf dieses Zusammentreffen reagiert wurde. Welche Konflikte ergaben sich etwa aus der Konkurrenz zwischen militärischer und nichtmilitärischer Rechtsordnung, welche Folgen sind dabei für die Rechtspraxis erkennbar? Welche Strategien wurden angewandt, damit die zivile Rechtsordnung auch in Zeiten des Krieges aufrechterhalten werden konnte?

Vorschläge für Themen sollten in etwa 1 Seite umfassen und bis zum 1. September 2005 an die nachstehenden Kontaktadressen gesendet werden.

Programm

Kontakt

Jan Willem Huntebrinker

Europ. Graduiertenkolleg der TU Dresden, 01062 Dresden

0351 463 37869
0351 463 37852
jan.huntebrinker@web.de