Hochschuljubiläen zwischen Geschichte, Gegenwart und Zukunft | University Anniversaries between History, Present, and Future

Hochschuljubiläen zwischen Geschichte, Gegenwart und Zukunft | University Anniversaries between History, Present, and Future

Veranstalter
Dr. Anton F. Guhl / Dr. Gisela Hürlimann, Institut für Geschichte, Institut für Technikzukünfte, Karlsruher Institut für Technologie
Veranstaltungsort
Ort
Karlsruhe
Land
Deutschland
Vom - Bis
19.06.2020 - 20.06.2020
Deadline
31.01.2020
Von
Anton F. Guhl / Gisela Hürlimann

[ENGLISH VERSION BELOW]

Die Erforschung der Geschichte von Universitäten und Hochschulen ist häufig mit Gründungsjubiläen verbunden. Da die Geschichtsschreibung zumeist innerhalb der Hochschulen selbst erfolgt, ist sie zugleich Ausdruck des institutionellen Selbstverständnisses zum Zeitpunkt des Jubiläums und eignet sich, um reflektierte und unreflektierte Selbstzuschreibungen zu untersuchen. Die Beschäftigung mit Hochschuljubiläen ermöglicht aber nicht nur Perspektivierungen vergangener Gegenwarten, sondern rekurriert auch auf vergangene Zukunftserwartungen und die Rolle, die Geschichte darin spielen sollte.

So können Jubiläen Anlass zu Konflikten über Vergangenheit und Zukunft gleichermaßen bieten: einerseits innerhalb einer Hochschule, wenn verschiedene Gründungsnarrative und Traditionsbezüge miteinander konkurrieren, andererseits zwischen verschiedenen Hochschulen, wenn diese sich Jubiläumsfeierlichkeiten streitig machen. Daher können Jubiläen auch scheitern und weitere Aushandlungsprozesse nach sich ziehen. Beispielsweise stellt die (Nicht-)Auswahl von Jubiläumsakteuren, also der Sprech- und Geschichtsfähigen, auch eine Machtfrage dar, wie studentische Gegenfestschriften nicht nur im Kontext von „1968“ zeigen. Zudem können die mit Jahrestagen einhergehenden Mittelzuweisungen Verteilungskämpfe auslösen und Erkenntnisinteressen der zuständigen Historikerinnen und Historiker mit den Zielen von Hochschulleitungen oder Presseabteilungen konfligieren.

Denn, und das eröffnet ein weiteres Untersuchungsfeld, Jubiläen stellen einen zentralen Aspekt der Kommunikation von Hochschulen dar. Dabei profilieren sich Hochschulen mit gesellschaftlichen Relevanzbehauptungen, die ebenfalls Interdependenzen von Tradition und Innovation, Vergangenheit und Zukunft aufzeigen. Die Modi der Zuschreibung zukünftiger Relevanz sind dabei durch das institutionelle Selbstverständnis einer Hochschule geformt, etwa in der Frage der Verwertung und Anwendbarkeit der Wissensbestände. Widersprüche ergeben sich dabei nicht nur zwischen Institutionentypen (etwa im Vergleich von Universität und TH), sondern auch zwischen Fakultäten und Fächern, die durch unterschiedliche Wissenschaftskulturen geprägt sind. Trotz ihrer disparaten Inhalte werden solche Relevanzzuschreibungen vor dem Hintergrund bewusster und unbewusster Zukunftsannahmen formuliert.

Schließlich werden Jubiläen genutzt, um institutionelle Gravitas herzustellen, häufig durch eine Festschrift, die nicht selten als gesamtinstitutionelle Anstrengung von Dutzenden Autorinnen und Autoren zusammengetragen wird. Doch ist dies nicht die einzige „Geschichtssorte“, die das Jubiläum hervorbringt, diese reichen von Ausstellungen übers Theaterstück bis zu Websites, von Empfängen übergeordneter Behörden bis zu Festkommersen, bzw. Partys studentischer Verbindungen. Durch verschiedene historiographische Praktiken werden individuelle und kollektive Identitäten adressiert und Zugehörigkeiten zu (gedachten) Gemeinschaften (re-)produziert. So kristallisieren im Jubiläum performative soziale Praktiken unterschiedlicher Akteure, die durch Adaption und Alteration jeweils neue Ensembles bilden.

Mögliche Beiträge für den Workshop, der am 19.-20.6.2020 am Karlsruher Institut für Technologie stattfindet, diskutieren Fragen zu den skizzierten und weiteren Problemfeldern seit etwa 1750 am Beispiel von Universitäten, Polytechnika und Technischen Hochschulen, Lehrerseminaren und Pädagogischen Hochschulen, Militärakademien und Universitäten der Bundeswehr, Gesamthochschulen und Fachhochschulen, staatlichen Spezialschulen und Hochschulen in privater Trägerschaft. Besonders erwünscht sind dabei Zugänge, die „vergangene Zukünfte“ diskutieren, verschiedene Institutionentypen verbinden, einen diachronen Ansatz verfolgen oder die Rolle jener Hochschulangehörigen im Jubiläum untersuchen, die bisher weniger Aufmerksamkeit erfahren haben (z. B. aus Technik und Verwaltung). Auch kritische Reflexionen zu laufenden, bzw. geplanten Hochschuljubiläen sind willkommen.

Somit soll der Workshop vor dem Hintergrund einer oft segregierten Forschungslandschaft, die häufig die Geschichte von Universitäten von der anderer Hochschultypen scheidet, die Entwicklung einer integrierten Hochschulgeschichtsschreibung unterstützen. Damit knüpft der Workshop an die Karlsruher Ringvorlesung „Technische Hochschulen. Perspektiven der Universitätsgeschichte“ aus dem Sommer 2018 an.

Wir erbitten Themenvorschläge (max. 2.500 Zeichen, inkl. Leerzeichen) für 20-minütige Präsentationen sowie eine kurze biographische Notiz per E-Mail an anton.guhl@kit.edu und gisela.huerlimann@kit.edu bis einschließlich 31.1.2020. Die Auswahl der Referierenden erfolgt bis zum 29.2.2020. Vortrags- und Konferenzsprachen sind Deutsch und Englisch. Wir versuchen, Reise- und Übernachtungskosten für alle Referierenden zu übernehmen, wobei zunächst die Förderung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ohne institutionelle Anbindung und Reisemittel erfolgt. Eine Publikation ausgewählter Beiträge (Peer Review), z. B. als Special Issue einer Zeitschrift, ist angestrebt. Eine Teilnahme am Workshop ohne Mitwirkung an einer Publikation ist ausdrücklich möglich, umgekehrt begründet eine Teilnahme noch keine Veröffentlichung.

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Research into the history of universities and colleges is often associated with founding anniversaries. Since the history of universities and other colleges is written mostly from within the respective institution, it reflects an expression of the institutional self-image at the time of the anniversary, and is suitable for examining both deliberate and unaware self-attributions. At the same time, the study of past university anniversaries makes it possible not only to put in perspective the universities´ past, but also their past future expectations, and the role that history should play in them.

Anniversaries prove to be a site of conflict concerning both their past and their future. Conflicts might arise within a university when different founding narratives and references to traditions compete with each other, and they may emerge between different universities disputing each other’s anniversary celebrations, and eventually jubilees fail. In addition, anniversaries reveal further processes of negotiation. The (non-)selection of anniversary protagonists, i.e. actors in a position to discuss historical matters, is also an issue of power, as is evident from students’ countermemorial publications, not only in the context of "1968". Moreover, the allocation of funds associated with anniversaries can trigger power struggles, and knowledge interests of the historians in charge might clash with the goals of university management or press departments.

Indeed, anniversaries play a central role for university communication. This opens up another field of investigation. Anniversaries allow universities to distinguish themselves by claiming societal relevance and thus entangling tradition and innovation, past and future. The modes of ascribing future importance are shaped by the institutional self-image of a university, for example, as regards the applicability of knowledge. Contradictions arise not only between different types of institutions (e.g., between universities and institutes of technology), but also between departments and disciplines shaped by different academic cultures. Despite their disparate contents, such attributions of relevance are formulated against the background of conscious and unconscious assumptions about the future.

Finally, anniversaries are used to create institutional gravitas, regularly in the form of commemorative volumes that are often compiled in an all-institutional effort by dozens of authors. Such contributions, however, are not the only "type of history" produced by anniversaries; the range of doing anniversary history comprises exhibitions, plays, or websites, the solemn reception of public authorities, commemorative ceremonies, or parties of student associations and groups. The various historiographic methods address individual and collective identities and (re-)produce affiliations to (imagined) communities. Thus, performative social practices of various protagonists emerge from the anniversary, forming new ensembles through adaptation and alteration.

Contributions to the workshop, which will take place from June 19 to 20, 2020 at the Karlsruhe Institute of Technology, are expected to discuss the above questions or similar ones in the context of universities, polytechnic institutes and technical colleges, teacher seminars and pedagogical colleges, military academies, universities of applied sciences, special schools and academies, and privately sponsored colleges. The period of investigation is between 1750 and the present. Particularly welcome are approaches that discuss "past futures", connect different types of institutions, pursue a diachronic approach, or examine the roles of those university members involved in anniversaries who were paid less scholarly attention so far (e.g., technical and administrative staff). Critical reflections on current or planned university anniversaries are also welcome.

Against the background of a mostly segregated research landscape, which often separates the history of universities from the one of other institutions of higher education, the workshop aims at encouraging an integrated historiography of academia. The workshop thus ties in with the Karlsruhe lecture series "Technische Hochschulen. Perspektiven der Universitätsgeschichte" (Technical Universities. Perspectives of University History) of the summer of 2018.

Proposals (max. 2,500 characters, including spaces) along with a short biographical note should be handed in via e-mail to anton.guhl@kit.edu and gisela.huerlimann@kit.edu until January 31, 2020. The length of presentations will be 20 minutes. The decision on the papers selected will be communicated by February 29, 2020. Conference languages will be German and English. We will try to cover travel and accommodation expenses for all speakers, but researchers without institutional ties or travel funds will be given preference. The aim is to publish selected contributions e.g., as the special issue of a (peer-reviewed) journal. Participation in the workshop is also possible without a publishing commitment; conversely, paper acceptance does not guarantee publication.

Programm

Kontakt

Dr. Anton F. Guhl
Dr. Gisela Hürlimann
Institut für Geschichte
Institut für Technikzukünfte
Karlsruher Institut für Technologie
Douglasstr. 24, 76133 Karlsruhe
anton.guhl@kit.edu
gisela.huerlimann@kit.edu

http://www.geschichte.kit.edu
Redaktion
Veröffentlicht am
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Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Englisch, Deutsch
Sprache der Ankündigung