Jüdisches Archivwesen. Kolloquium aus Anlass des 100. Jahrestags der Gründung des Gesamtarchivs der deutschen Juden

Jüdisches Archivwesen. Kolloquium aus Anlass des 100. Jahrestags der Gründung des Gesamtarchivs der deutschen Juden

Veranstalter
Zentralrat der Juden in Deutschland; Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland; Archivschule Marburg
Veranstaltungsort
Landgrafensaal des Hessischen Staatsarchivs Marburg, Friedrichsplatz 15 (gegenüber der Archivschule)
Ort
Marburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
13.09.2005 - 15.09.2005
Deadline
15.07.2005
Von
Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland

Jüdisches Archivwesen im eigentlichen Sinne des Wortes als eine auf die Erhaltung und Erschließung des in allen Bereichen des jüdischen Lebens entstandenen Schriftguts gerichtete institutionelle Tätigkeit nahm in Deutschland mit der Gründung des Gesamtarchivs der deutschen Juden am 1. Oktober 1905 seinen Anfang. Dieses Datum jährt sich im Herbst 2005 zum hundertsten Mal. Der Zentralrat der Juden in Deutschland und das in seiner Trägerschaft 1987 in der Nachfolge des 1939 untergegangenen Gesamtarchivs entstandene Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland nehmen dieses Jubiläum zum Anlass für eine fachliche Selbstbesinnung sowohl im historischen Kontext als auch im internationalen Vergleich, wobei sie von der Archivschule Marburg unterstützt werden, die durch Aufnahme in die Reihe ihrer Archivwissenschaftlichen Kolloquien zur archivpolitischen Standortbestimmung beiträgt.

Abgesehen von wenigen Publikationen zur Geschichte einzelner Sammlungen, Institutionen und Persönlichkeiten ist die Selbstreflektion des Fachgebiets Jüdisches Archivwesen über vereinzelte Ansätze bisher nicht hinausgekommen. Die Langsamkeit des Erkenntnisfortschritts hängt nicht nur mit dem in Deutschland durch die NS-Zeit bewirkten Kontinuitätsbruch zusammen. Es gibt auch Gründe, die in der Sache selbst liegen. Der jüdische Sektor des Archivwesens ist relativ jung und von vergleichsweise geringem Umfang. Die in diesem Bereich tätigen Personen sind hinsichtlich der spezifischen Aspekte ihrer Beschäftigung weitgehend voneinander isoliert und fühlen sich auch kaum einer historischen Tradition zugehörig. Eine Kommunikationsgemeinschaft finden sie eher in den jeweils nationalstaatlich organisierten Archivarsverbänden als in Zusammenschlüssen, die von der jüdischen Besonderheit ihrer Aufgaben geprägt sind. Das wissenschaftliche Kolloquium zum 100jährigen Jubiläum des Gesamtarchivs der deutschen Juden soll dieses Defizit an historischer Besinnung und grenzüberschreitender Kommunikation wenigstens in Ansätzen auflösen und will als Forum für einen offenen und im Sinne der fachlichen Konturierung nutzbringenden Austausch dienen.

Jüdische Archive unterscheiden sich von anderen hinsichtlich ihrer Organisationsformen, hinsichtlich der in ihre Obhut gelangenden Quellen und auch hinsichtlich der von ihnen angewandten Arbeitsmethoden. Bei all diesen Besonderheiten bleiben sie Teil der allgemeinen Archivlandschaft, und in erheblichem Umfang werden die anstehenden Aufgaben auch im Rahmen staatlicher Programme gefördert. In vielen Bereichen ihrer Tätigkeit arbeiten jüdische Archivare wie alle anderen Archivare, z. B. bei der Verzeichnung von Akten oder bei der Anwendung von bestandserhaltenden Verfahren. Aber es gibt auch eine Reihe von Problemen, Methoden und Entwicklungslinien, die mit der besonderen Situation des Jüdischen Archivwesens zusammenhängen. Im Vordergrund des Kolloquiums steht daher das archivwissenschaftliche Bemühen um die Herausarbeitung der charakteristischen Züge eines sich langsam abzeichnenden Fachgebiets Jüdisches Archivwesen.

Programm

Dienstag, 13. September 2005

11.30 - 13 Uhr
Eröffnungsveranstaltung

Grußworte
Dr. Salomon Korn, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland,
Udo Corts, Hessischer Staatsminister für Wissenschaft und Kunst
Prof. Dr. Hartmut Weber, Präsident des Bundesarchivs,
Egon Vaupel, Oberbürgermeister der Stadt Marburg

Eröffnungsvortrag
Stefan Rohrbacher (Universität Düsseldorf)
Geschichte der Juden – ohne jüdische Quellen? Die Dichotomie von Fremdwahrnehmung und Binnenperspektive und ihre Bedeutung für die Historiographie.

Mittagspause

14.30 - 16.00 Uhr
Strategien der Bewertung
Sitzungsleitung: Frank Mecklenburg (Leo Baeck Institute, New York)

David Solomon (American Jewish Historical Society, New York)
What belongs in a „Jewish“ Archive? Reflections on Collecting Policies

Gail T. Reimer (Jewish Women’s Archive, Boston)
Revisiting the Question of What Belongs in an Archive: A Feminist Approach.

Kaffeepause

16.30 - 18.30 Uhr
Formen jüdischer Archivorganisation
Sitzungsleitung: Aubrey Pomerance (Jüdisches Museum Berlin)

Ernst L. Presseisen (Philadelphia)
The Philadelphia Jewish Archives Center (1975-2004).
A Community Project.

Barbara Welker (Centrum Judaicum, Berlin)
Das Gesamtarchiv der deutschen Juden (1905-1939). Zentralisierungsbemühungen in einem Nationalstaat.

Inka Arroyo (Jerusalem)
The Central Archives for the History of the Jewish People in Jerusalem. Über die Archivierung kollektiver Vergangenheiten von jüdischen Gemeinden aus der ganzen Welt.

Mittwoch, 14. September 2005

9.00 - 11.00 Uhr
Displaced Archives
(Entstehung einer archivischen Nachkriegsordnung)
Sitzungsleitung: Feliks Tych (Jüdisches Historisches Institut, Warschau)

Jürgen Sielemann (Staatsarchiv Hamburg)
Hamburger Gemeindeakten im Hamburger Staatsarchiv

Elijahu Tarantul (Zentralarchiv, Heidelberg)
Raub oder Rettung - Jüdische Akten im Moskauer Sonderarchiv

Marek Web (YIVO, New York)
From YIVO Vilna to YIVO New York: An Archives transformed.

Kaffeepause

11.30 - 13.00
Mikrofilme
(Mikrofilm als Mittel, spezifisch jüdische Archivprobleme zu lösen)
Sitzungsleitung: Jürgen Sielemann (Staatsarchiv Hamburg)

Hartmut Heinemann (Hauptstaatsarchiv Wiesbaden)
Das Schicksal der jüdischen Personenstandsregister: Die verschlungenen Wege der Gatermann Filme.

Henry Mayer (Holocaust Museum, Washington)
Constructing the Archives of an Event: The United States Holocaust Memorial Museum Example.

Mittagspause

14.30 - 16.00 Uhr
Spezielle Quellengruppen
Sitzungsleitung: Friedrich Battenberg (Staatsarchiv Darmstadt)

Feliks Tych (Jüdisches Historisches Institut, Warschau)
Zeugenberichte von Überlebenden der Shoa.
Problematik und Wert einer Quellengruppe am Beispiel früher Berichte (1944-1949) im Jüdischen Historischen Institut in Warschau.

Michael Brocke (Steinheim-Institut, Duisburg)
Über den Quellenwert von Grabinschriften

Kaffeepause

16.30 – 19.30 Uhr
Nationale Modelle und Erfahrungen
Sitzungsleitung: Frank M. Bischoff (Archivschule Marburg)

Laura Jockusch (New York University)
Dokumentation als Reaktion auf Verfolgung im osteuropäischen Judentum. Von Kischinew zum Holocaust.

Uriel Gast (Zürich)
Sicherung gefährdeter Quellen zur schweizerisch-jüdischen Zeitgeschichte. Erfahrungen beim Aufbau der Dokumentationsstelle Jüdische Zeitgeschichte

Georges Weill (Paris)
Die Jüdischen Archive in Frankreich

David Frei (London Beth Din)
Vital records of British Jews

Donnerstag, 15. September 2005

9.00 - 11.00 Uhr
Bedingungen der Kommunikation
Sitzungsleitung: Uriel Gast (Zürich)

Peter Honigmann (Zentralarchiv, Heidelberg)
Depositalverträge im Zeitalter von Datenschutz

Aubrey Pomerance (Jüdisches Museum Berlin)
Jüdische Museen als Motor archivischer Sammeltätigkeit

Frank Mecklenburg (Leo Baeck Institute, New York)
Jüdische Familienforschung und Internet

Kaffeepause

11.30 - 13.00 Uhr
Spezialinventare
Sitzungsleitung: Andreas Hedwig (Staatsarchiv Marburg)

Friedrich Battenberg (Darmstadt)
Die Inventarisierung der Quellen zur Geschichte der Juden in Mittelalter und Früher Neuzeit

Albrecht Eckhardt (Oldenburg)
Sachthematische Inventare neuzeitlicher Akten zur Geschichte der Juden am Beispiel nordwestdeutscher Staatsarchive

Verabschiedung

Kontakt

Anmeldung:
Frau Kieselbach
kieselba@staff.uni-marburg.de
oder
Anmeldeformular auf der Homepage der Archivschule Marburg
http://www.archivschule.de/content/321.html

www.archivschule.de
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