Unter den Bedingungen einer kapitalistischen Ökonomie, die sich an wirtschaftlichen Interessen von Großunternehmen und shareholders orientiert, nimmt die materielle Unsi-cherheit breiter Bevölkerungsschichte zu, wächst die ungleiche Verteilung von Bildung und Lebenschancen. Hinzu kommt die tagtägliche Erfahrung von sozialer und auch rassistischer Ausgrenzung und Diskriminierung. In Wissenschaft und Politik mehren sich die Stimmen, die angesichts dieser Lagebeschreibung eine „Rückkehr der Klassen-gesellschaft“ annehmen. Es entstehen vielfältige soziale Bewegungen, an verschiedenen Orten, aus unterschiedlichen Lebenslagen und mit speziellen Motivationen: diversifi-ziert und nicht zentriert wie einstmals die soziale und politische Organisation der Arbei-terklasse. Entsprechend vielfältig sind die Praktiken, die anstelle eines Klassenbewusst-seins ein Selbstbewusstsein der Emanzipation und des Widerstands hervorbringen oder zumindest einfordern. Eine klassenspezifische Zugehörigkeit und Solidarität, nach Her-kunft, Schicht und Milieu, nach Erwerb und Besitz sowie unterschiedlichen Lebensfor-men -und Verhaltensweisen kann nicht kompakt behauptet wohl aber symptomatisch rekonstruiert werden. Ist eine kulturelle Identitätspolitik, welche die Diversität aller möglichen Lebensentwürfe und Lebensstile auszeichnet, an die Stelle organisierter Sozi-alpolitik getreten? Hat eine liberalistisch orientierte marktkonforme Demokratie, wel-che die offensichtlichen Umstände einer „real existierende Klassengesellschaft“ ausspart, die soziale Demokratie ersetzt? Einige Kenner und Kritiker brandmarken die vorherr-schende „Reichtumsverteidigungspolitik“ und sprechen von einem „Klassenkampf der Finanzoligarchie“ gegen den Rest der Bevölkerung. Mit welchem Recht und mit welcher Begründung? Kann der sich abzeichnende gesellschaftliche Strukturwandel (“autoritärer Kapitalismus“, sozialpolitisch motivierte Protestbewegungen) eine erneuerte „Klassen-politik“ hervorbringen? Wie entsteht Widerstand Zusammenhalt, Kollektivität?