Die Kriege des langen 19. Jahrhunderts in Geschichtsschulbüchern

Die Kriege des langen 19. Jahrhunderts in Geschichtsschulbüchern

Veranstalter
Andrea Brait, Universität Innsbruck; Tobias Hirschmüller, Universität Eichstätt-Ingolstadt
Veranstaltungsort
Ort
Innsbruck
Land
Austria
Vom - Bis
01.09.2019 -
Deadline
31.12.2019
Website
Von
Brait, Andrea

Neben der Abwehr von politischem Extremismus, der Achtung der Menschenrechte sowie der Herausbildung eines europäischen Bewusstseins, ist die Förderung der „Bereitschaft zur friedlichen Zusammenarbeit“ eine der zentralen Zielsetzungen des Geschichtsunterrichts. Die politische Vorgabe zu einer den Frieden wahrenden Grundhaltung erfordert jedoch zwangsläufig die Thematisierung von Kriegen und ihren Ursachen sowie Folgen im Geschichtsunterricht. Dabei kommt den Unterrichtsmaterialien, die dem Lehrpersonal hierfür zur Verfügung stehen, eine entscheidende Bedeutung zu.
Bei Geschichtsschulbüchern handelt es sich um jenes Medium der Geschichtsvermittlung, das die meisten Rezipientinnen und Rezipienten hat: Von wenigen Ausnahmen abgesehen beschäftigen sich alle Staatsbürgerinnen und Staatsbürger – wenngleich nicht immer freiwillig – mit den in diesen niedergeschriebenen Geschichtsinterpretationen. Empirische Studien (Bernhard 2018) haben gezeigt, welch hohe Bedeutung Lehrkräfte den Lehrwerken in ihrem Unterricht beimessen. In den seltensten Fällen werden diese, wie dies von der modernen Geschichtsdidaktik gefordert wird, kritisch hinterfragt und so sind sie dazu geeignet, das Geschichtsbild von ganzen Generationen zu prägen. Der Geschichtsdidaktiker Wolfgang Jacobmeyer bezeichnete sie daher als „Autobiographien der Nation“ (1998).
Die Kriege des „langen 19. Jahrhunderts“ zwischen 1789 und 1918/19 im Schulunterricht zu vermitteln, stellt eine besondere Herausforderung dar. Angefangen von den Koalitionskriegen gegen das revolutionäre Frankreich und den anschließenden „Befreiungskriegen“, über die polnischen und griechischen Unabhängigkeitskämpfe sowie die deutschen und italienischen „Einigungskriege“ bis hin zu den Konflikten auf dem Balkan und zum Ersten Weltkrieg handelte es sich um Kriege, die von einem Teil der Bevölkerung mit den Zielen von nationaler Eigenständigkeit und/oder Einheit geführt wurden oder die den Zerfall von Vielvölkerstaaten bewirkten. Gleichzeitig kämpften die europäischen Großmächte außerhalb des eigenen Kontinents um Macht, was von den Indigenen zunehmend in Frage gestellt wurde (z.B. Boxeraufstand). Die Nationen, in denen heute Geschichte zur Friedenserhaltung vermittelt werden soll, sind damit ohne die Konflikte des 19. Jahrhunderts nicht erklärbar. Vielfach wurde und wird diesen Kriegen in der Folge identitätsstiftende Wirkung zugeschrieben, womit aber auch eine Abgrenzung nach außen durch die Konstruktion von Feindbildern einhergeht.
Wie Markus Furrer (2009) bereits festgestellt hat, hat sich die Bedeutung, die Kriegen im Geschichtsunterricht zugeschrieben wird, in den letzten Jahrzehnten massiv verändert. Doch sind diese keinesfalls aus den Lehrwerken verschwunden. Es stellt sich daher die Frage, welche Narrative sich in den letzten 100 Jahren entwickelten und sich langfristig halten konnten oder wieder verschwanden. Zum anderen sind insbesondere die thematischen Schwerpunktsetzungen der Kriegsdarstellungen (Sozialgeschichte, Wirtschaftsgeschichte, Kulturgeschichte) sowie das Verhältnis von europäischen und außereuropäischen Kriegen von Interesse. Darüber hinaus spielen weitere Fragen eine Rolle: Inwiefern wurden durch die Schulbücher Bildikonen zu bestimmten Kriegen geschaffen? Welche Quellen und damit wessen Perspektive kommen zur Geltung? Welche Komplexe werden gegebenenfalls ausgeblendet? Inwiefern werden den Schülerinnen und Schülern über Arbeitsaufträge Möglichkeiten zur Entwicklung eines kritischen Geschichtsbewusstseins geboten?
Der Sammelband strebt einen Vergleich von verschiedenen europäischen und außereuropäischen Schulbuchdarstellungen an. Willkommen sind sowohl synchrone als auch diachrone Analysen, wobei ein oder mehrere Staaten in den Blick genommen werden können. Zentral ist jeweils eine begründete Auswahl der analysierten Lehrwerke (Vollerhebung zu einer bestimmten Zeit bzw. Region oder Zusammenstellung einer nachvollziehbaren Stichprobe). Die Schulbuchanalysen können Schwerpunkte setzen, wie beispielsweise eine Untersuchung der empirischen oder narrativen Triftigkeit der Narrative; ebenso sind didaktische Analysen, etwa in Bezug auf die Förderung von geschichtsdidaktischen Kompetenzen oder die Berücksichtigung von geschichtsdidaktischen Unterrichtsprinzipien, möglich.
Interessentinnen und Interessenten senden bitte ein Abstract im Umfang von rund 250 Wörtern bis zum 31. Dezember 2019 an Andrea Brait (andrea.brait@uibk.ac.at) und Tobias Hirschmüller (t.hirschmueller@ku.de). Sie erhalten hierzu eine Rückmeldung und werden im Anschluss gebeten, den vollständigen Artikel im Umfang von rund 40.000 Zeichen (inkl. Leerzeichen) bis zum 30. September 2020 einzureichen. Die Beiträge werden im Anschluss peer reviewed. Die Publikation ist für Mitte 2021 angestrebt.

Programm

Kontakt

Andrea Brait

Innrain 52, 6020 Innsbruck

andrea.brait@uibk.ac.at


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Deutsch
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