Die Intellektuellen und die Idee des Kaisertums im Mittelalter (9.‒16. Jahrhundert)

Die Intellektuellen und die Idee des Kaisertums im Mittelalter (9.‒16. Jahrhundert)

Veranstalter
Deutsches Historisches Institut Paris, Universität Paris-Est Créteil, Universität Paris-Est Marne-la-Vallée
Veranstaltungsort
Ort
Paris und Créteil
Land
France
Vom - Bis
09.03.2020 - 10.03.2020
Deadline
01.10.2019
Von
Deutsches Historisches Institut Paris

Die Idee des Imperiums, einer gewaltigen supranationalen politischen Einheit, die einer einzigen höchsten Gewalt untersteht, die zivilen, militärischen und religiösen Charakter trägt, entstand lange vor dem Mittelalter. Sie reicht zurück bis in die Zeit des akkadischen Königtums und bestand im Osten wie im Westen in verschiedenen Formen fort, bevor sie sich dauerhaft mit dem römischen Reich verband, das die Byzantiner und die Franken seit dem Ende der Antike zu bewahren suchten.

Im mittelalterlichen Europa wurde diese Idee des Imperiums stark von der Erinnerung an die römische Herrschaft beeinflusst. Das Kaisertum erschien, so der französische Historiker Robert Folz, als »un moteur essentiel du devenir humain«. Die Kirche, die beanspruchte, universell zu sein, bekräftigte durch ihre Lehre, die Erlösung der Seelen kontrollieren zu können, ihre Souveränität und fand ihr weltliches Pendant in einem Regime, das vom höchsten Herrscher, dem Kaiser, verkörpert wurde. Diese Dualität der universellen Gewalt wurde schnell zu einer Quelle des Konflikts, als Päpste und Kaiser seit dem 11. Jahrhundert um ihre Vorherrschaft kämpften. Die politische Auseinandersetzung wurde von einer intellektuellen Reflexion über die Idee des Kaisertums begleitet. Sie setzte bereits mit karolingischen Geistlichen Ende des 8. Jahrhunderts ein, als es erste Ansätze zur Wiederherstellung des Reiches gab, und dauerte an bis zu den italienischen Humanisten des 14. und 15. Jahrhunderts.

Die Idee des Kaisertums im Mittelalter zu untersuchen heißt, sie mit den vielfältigen Veränderungen zu konfrontieren, die die Welt der Gelehrten, »intellectuels« (Jacques Le Goff) oder »gens de savoir« (Jacques Verger), erfahren hat. In Klöstern, Universitäten oder Fürstenhöfen ausgebildet, standen Intellektuelle im Mittelpunkt der Diskussion über die Idee des Kaisertums. Die Überlegungen dieser europäischen Gelehrten entstanden vor dem Hintergrund ihres kulturellen Umfelds, neuer philosophischer Ansichten und nationaler Vorstellungen. Anhänger und Gegner des Kaisertums, Parteigänger des Papsttums oder anderer Machthaber ‒ man denke nur an den Popolo der italienischen Gemeinden, die Könige von Frankreich oder von Ungarn ‒, sie alle füllten die Idee des Kaisertums mit Leben und bedienten sich ihrer.

Die Idee des von Intellektuellen verteidigten Imperiums findet sich nicht nur in großen Abhandlungen wie dem »Defensor Pacis« Marsiliusʼ von Padua, sondern auch beim Empfang von Gesandtschaften oder symbolträchtigen Reden auf Konzilen. Gebildete Persönlichkeiten wie Hildegard von Bingen, die sich mit Konrad III. und Friedrich Barbarossa austauschte, spielten ebenfalls eine wichtige Rolle für die Ausgestaltung der kaiserlichen Gewalt. Zudem kann die imperiale Idee und ihre Verbindung zur Welt der Intellektuellen ein integraler Bestandteil von Werken gelehrter Autoren sein, wie im 9. Jahrhundert die zum Ruhm Ludwigs des Frommen verfassten Gedichte Ermolds des Schwarzen oder die Schriften Dantes.

Die Tagung widmet sich der Haltung, die die Intellektuellen gegenüber der Idee vom Kaisertum einnahmen, der Art und Weise, wie sie ‒ von der Zeit der Karolinger bis ins 16. Jahrhundert ‒ das westliche Kaisertum priesen, rechtfertigten oder kritisierten.

Drei Themenkomplexe stehen im Mittelpunkt der Tagung:

‒ Quellen zur Idee des Kaisertums: Welche Schriften befassen sich mit der kaiserlichen Gewalt zwischen dem 9. und 16. Jahrhundert? Politische Verträge, Korrespondenzen, Urkundenarengen, historiografische und literarische Texte sowie Ansprachen beim Empfang von Gesandtschaften: Ist es möglich, eine Typologie der Quellen festzulegen?
‒ Reden über die Idee des Kaisertums: Wie wird das römische Erbe beschworen? Welche Themen werden über den Kaiser, seine Macht oder seine Beziehung zum Sakralen diskutiert? Wie wird die Idee des Kaisertums gegenüber den Königen dargestellt? Ist der Intellektuelle einer Zensur unterworfen, oder darf er seine Meinung frei ausdrücken? Zu berücksichtigen sind auch juristische Texte: Sie sind sowohl für den Historiker als auch für den Rechtshistoriker von Interesse.
‒ Vordenker der Idee des Kaisertums: Was sind die sozialen, intellektuellen und persönlichen Profile der Intellektuellen, die sich an der Diskussion über die Idee des Kaisertums beteiligen? Steht der Intellektuelle im Dienst der politischen Propaganda, oder spricht er ein anderes Publikum an? Welche philosophischen Einflüsse übt der Ort, an dem er schreibt, auf seine Vorstellung vom Kaisertum aus? Das Profil des Intellektuellen muss in seinen allgemeinen Kontext gestellt werden, angefangen von seiner Ausbildung bis zu den Netzwerken, die er pflegt und die auch seinen Diskurs bestimmen. Wie entwickelt sich seine Argumentation im Dienst der universellen kaiserlichen Macht?

Die von Historikerinnern und Historikern des Centre de Recherches en Histoire Européenne Comparée (CRHEC), des Laboratoire Analyse Comparée des Pouvoirs (ACP) und des Deutschen Historischen Instituts Paris (DHIP) organisierte Tagung wendet sich an Mediävisten vom Früh- bis zum Spätmittelalter wie auch an Rechtshistoriker. Die Tagung steht insbesondere jungen Forscherinnen und Forschern offen. Die Arbeitssprachen sind Deutsch, Englisch und Französisch.

Bewerbungen richten Sie bitte in einer PDF-Datei bis zum 1. Oktober 2019 an folgende Adresse: pauline.spychala@univ-paris-est.fr.
Sie erhalten eine Antwort vor dem 15. Oktober.

Die Bewerbung sollte neben einer Kurzbeschreibung des geplanten 20minütigen Vortrags (max. 3000 Zeichen inkl. Leerzeichen) einen akademischen Lebenslauf enthalten.

Organisation und wissenschaftliches Komitee
Nathalie Gorochov, Professorin für Geschichte des Mittelalters (Universität Paris-Est Créteil)
Rolf Große, Abteilungsleiter Mittelalter (Deutsches Historisches Institut Paris)
Giuliano Milani, Professor für Geschichte des Mittelalters (Universität Paris-Est Marne-la-Vallée)
Gabriel Redon, Doktorand in mittelalterlicher Geschichte (Universität Paris-Est Créteil)
Pauline Spychala, Doktorandin in mittelalterlicher Geschichte (Universität Paris-Est Créteil/Westfälische Wilhelms-Universität Münster)

Programm

Kontakt

Prof. Rolf Große
Deutsches Historisches Institut Paris
8 rue du Parc-Royal, F-75003 Paris

rgrosse@dhi-paris.fr

https://www.dhi-paris.fr/newsroom/detailseite/news/detail/News/call-for-papers-13.html
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