Doing Inequality – Praktiken der Ungleichheit in der ländlichen Gesellschaft des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit

Doing Inequality – Praktiken der Ungleichheit in der ländlichen Gesellschaft des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit

Veranstalter
Gesellschaft für Agrargeschichte
Veranstaltungsort
Alfred-Hessel-Saal des historischen Gebäudes der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, Papendiek 14, 37073 Göttingen
Ort
Göttingen
Land
Deutschland
Vom - Bis
28.06.2019 - 29.06.2019
Deadline
14.06.2019
Website
Von
Stefan Brakensiek

Die Sozialgeschichtsschreibung hat keinen Zweifel daran gelassen, dass das vormoderne Dorf kein Hort sozialer Gleichheit war. Ungleichheiten begegnen über den gesamten Zeitraum vom 13. bis zum 19. Jahrhundert in ganz unterschiedlichen Dimensionen, in ökonomischen Zusammenhängen, hinsichtlich der politischen Teilhabe oder auch entlang der Geschlechter- und Generationengrenzen, um nur die offensichtlichsten zu nennen.
Während die Beschäftigung mit Ungleichheiten in ländlichen Gesellschaften der Vormoderne seit langem zum recht gut beackerten Feld der Sozialgeschichte gehört, wurde ein anderer, gleichwohl damit eng verknüpfter Aspekt weit weniger deutlich herausgearbeitet: Manifestieren sich die erkannten Dimensionen der Ungleichheit in konkreten Verhaltensweisen und lassen sich diese Handlungen beschreiben? Wie alle Erscheinungen menschlicher Existenz wird auch Ungleichheit im Handeln hergestellt, durch willentliche Tätigkeiten oder habitualisierte Akte, die das Gefälle zwischen den beteiligten Akteuren bestätigen und konservieren, aber auch herausfordern und infrage stellen können. Erst durch die konkrete Bedeutung, die der Handelnde selbst oder ein Beobachter einer Handlung zuschreibt, wird Ungleichheit zur gelebten Praxis, gewinnt dadurch Realität und entfaltet Wirkung. Letzteres gilt in besonderer Weise für das Handeln in der Öffentlichkeit, deren Zuschnitt je nach Kontext variieren kann. Im Umkehrschluss gilt aber auch: Anhand bestimmter Kriterien ermittelte Ungleichheit, die nicht im konkreten Handeln Gestalt gewinnt bzw. zu der sich solches Handeln nicht nachweisen lässt, kann sich als anachronistisches Forschungskonstrukt erweisen, wenn sie für das Leben im vormodernen Dorf keine Relevanz entwickelt.
Die Jahrestagung 2019 der Gesellschaft für Agrargeschichte widmet sich in Kooperation mit dem Institut für Historische Landesforschung der Universität Göttingen der Frage, auf welchen Schauplätzen und in welchen Formen sich die Ungleichheit der Einwohner im vormodernen Dorf manifestierte und wie sich die dörfliche Gemeinschaft diese Rangunterschiede gleichsam vergegenwärtigte. Doing Inequality meint dabei jene öffentlichen Praktiken, die Ungleichheit als den Zeitgenossen präsentes Phänomen charakterisieren. Die Tagungsbeiträge beschreiben dabei einen weitgespannten zeitlichen Bogen vom 13. bis zum 19. Jahrhundert, befassen sich mit ländlichen Regionen von der dalmatinischen Küste über die Schweiz bis nach Nordwestdeutschland und leisten damit einen Beitrag, um mögliche Annäherungen an das Querschnittsthema der "gelebten" Ungleichheit und dessen Erkenntnispotenziale aufzuzeigen.

Programm

Freitag, 28. Juni 2019
13.00 Arnd Reitemeier (Göttingen) / Stefan Brakensiek (Essen) / Arne Butt (Göttingen): Begrüßung, Einleitung und Problemstellung

13.30 Roberto Leggero (Lugano): Paraphrasing Descartes. The Inequality in Medieval Southern Switzerland communities

14.15 Dorothee Rippmann (Zürich): Jenseitsvorsorge, Gemeinde und soziale Differenz auf dem Land (Schauplatz Kirche)

15.30 Regina Schäfer (Mainz): Reden über „Fremde“ in einem spätmittelalterlichen Dorf

16.15 Marco Tomaszewski (Freiburg): Bauernhandel um ein Banner. Praktiken der Ungleichheit im Land Appenzell beim sogenannten Bannerhandel mit der Stadt St. Gallen 1535-39

17.00 Verleihung des Förderpreises der Gesellschaft für Agrargeschichte an Julia Kreuzburg für ihre Masterarbeit Die ‚Arisierung‘ des jüdischen Weinhandels in Rhein-hessen (Univ. Mainz) und an Henning Bovenkerk für seine Masterarbeit Gab es in Deutsch-land eine Konsumrevolution? Das Münsterland im 18. Jahrhundert (Univ. Münster)

Samstag, 29. Juni 2019
09.00 Stefan Sonderegger (St. Gallen): Doing inequality – enforcing equality. Gegen außen Abschluss und gegen innen Kollektivzwang. Zur spätmittelalterlichen Alpwirtschaft in der Bodenseeregion

09.45 Jonas Hübner (Essen): Stratifying Interactions. Gemeingüterbasierte Vergesellschaftung in den frühneuzeitlichen Marken Nordwestdeutschlands

11.00 Fabian Kümmeler (Wien): „Asine, homo nullius valoris, tu numquam meruisti tale officium“. Ländliche Selbstverwaltung und Praktiken innerdörflicher Ungleichheit im venezianischen Dalmatien des 15. Jahrhunderts

11.45 Christine Fertig (Münster): Soziale Ungleichheit im ländlichen Nordwestdeutschland. Soziale Kohäsion und interne Differenzierung lokaler Gesellschaften im 18. und frühen 19. Jahrhundert

12.30 Abschlussdiskussion

Kontakt

Universität Duisburg-Essen
Historisches Institut

angelika.koeffer@uni-due.de


Redaktion
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