Haus – Geschlecht – Sicherheit. Diskursive Formierungen in der Frühen Neuzeit

Haus – Geschlecht – Sicherheit. Diskursive Formierungen in der Frühen Neuzeit

Veranstalter
Prof. Dr. Inken Schmidt-Voges, Marburg; Prof. Dr. Sigrid Ruby, Gießen
Veranstaltungsort
Ort
Marburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
26.03.2020 - 28.03.2020
Deadline
31.07.2019
Website
Von
Egle, John

In der Forschung besteht Einigkeit darüber, dass dem Haus für die Organisation der frühneuzeitlichen Gesellschaft eine zentrale Bedeutung sowohl als Nucleus der gesellschaftlichen (und göttlichen) Weltordnung als auch in seiner Funktion als Rahmen der Geschlechterordnung zukam. Das Haus bildete seit dem 15. Jahrhundert den faktischen sowie symbolischen Kontext individueller Lebensführung in der Familie und war zugleich durch seine ökonomischen, erzieherischen, gemeindlichen und ästhetischen Funktionen ein wesentlicher Garant wie auch Prototyp sozialer Stabilität. Da diese Stabilität aber nicht per se gegeben war, sondern in der tagtäglichen Performanz immer wieder neu hergestellt werden musste, war das Haus zugleich ein Schauplatz potenziell destabilisierender Situationen. Das bedeutete hinsichtlich der dem Haus zugeschriebenen Sicherheitsleistungen eine hohe Ambivalenz. Diese lag zum einen in seiner Doppelfunktion als Subjekt (Sicherheit bietender Raum) und als Objekt (als zu sichernder Raum) begründet, zum anderen im hohen Gefährdungspotenzial, wenn die täglichen Routinen und Praktiken nicht erfolgreich waren und damit nicht nur keine Sicherheit boten, sondern eine Gefahr für die soziale Stabilität darstellten. Die genaue Analyse dieser Zusammenhänge, ihrer diskursiven Ausgestaltung in der Verklammerung unterschiedlicher gesellschaftlicher Teilbereiche wie Ökonomie, Recht, Theologie, Politik, visueller Kultur und Kunst steht nach wie vor aus.
Die Tagung fragt aus der Perspektive der hier skizzierten Stabilitätsfunktion des Hauses nach den unterschiedlichen Ebenen und Ausgestaltungen dieser Sicherheitsleistungen bzw. Sicherheitsbedrohungen. Insbesondere die Mehrdimensionalität des Hauses als Gebäude, soziale Gruppe und gesellschaftliches Ordnungsmodell spielt hierbei eine zentrale Rolle, ermöglicht sie doch Referenzrahmen für ganz unterschiedliche Konzepte, Reichweiten, Instrumente und Strategien für die Herstellung von Sicherheit und Stabilität bzw. Bedrohungs- und Gefährdungspotenziale.
Im Zentrum unseres Interesses stehen die zahlreichen verbalen/ schriftlichen und visuellen Diskurse, mittels derer über das Haus und seine Sicherheitsleistungen wie über auch sein Bedrohungspotenzial reflektiert wurde; Diskurse, die in der Frühen Neuzeit normierend wirkten, aber auch von sozialen Praktiken und Herausforderungen sowie gestalterischen Konventionen respektive Innovationen geformt und verändert wurden. Ausgehend von der Feststellung, dass alle Konstruktion von Sicherheit(en) immer auch ihr Gegenteil, nämlich Unsicherheit(en), in sich trägt und notwendigerweise auf sie angewiesen ist, lässt sich fragen nach:

- der Ausgestaltung der Geschlechterordnung im Kontext des Hauses als übergeordnete Form gesellschaftlicher Sicherheitsleistung bzw. als Ordnungsmodell;
- konkreten geschlechtsbezogenen Verhaltensweisen, Rollenmodellen und -erwartungen, durch die alltägliche Performanz sowohl hinsichtlich der ökonomischen wie erzieherischen und pflegerischen Tätigkeiten sichergestellt werden sollte;
- der Formulierung topischer Situationen, die als besonders prekär wahrgenommen respektive postuliert wurden (Geschwätzigkeit/ Kommunikation, Gefallsucht/ standesgemäße Kleidung, Gewalttätigkeit/ Hauszucht, Trinkgelage/ Gastfreundschaft)
- der Verknüpfung dieser Situationen mit spezifischen räumlichen Anordnungen zu liminalen/ prekären Zonen (Fenster, Türen, Schwellen, Zäune, Feuerstellen, Bett, Küche, Stube, Hof etc.).
Mithilfe eines interdisziplinären Austausches soll der Fokus auf den Begriffen Haus – Geschlecht – Sicherheit liegen und neue Zugänge zur Thematik eröffnen. Eine in diesem Zusammenhang zentrale Frage wird sein, wie sich der Begriff „Domestizierung“ hinsichtlich dieser Trias (Haus, Geschlecht, Sicherheit) verorten und ggfs. neu analytisch einsetzen lässt. Unter „Domestizierung“ soll ein Prozess verstanden werden, der die unterschiedlichen Ebenen gesellschaftlicher Ordnungsleistung über hausbezogene Normen, Formen und Gestaltungsmaßnahmen miteinander verbindet und den jedes Individuum in seiner Sozialisation erfährt, um idealerweise einen mehr oder minder beständigen Ordnungszustand, also eine kultivierte, mit genauen Rollen, Platzzuweisungen, Funktionen und Routinen versehene Haus- und Gesellschaftsordnung, zu erreichen.
Von besonderem Interesse ist die Identifizierung dieser Formen und Topoi über Diskurs- und Mediengrenzen hinweg, um herauszuarbeiten, inwieweit und auf welche Weise die unterschiedlichen Modi des Reflektierens, Normierens und Transformierens aufeinander Bezug nehmen, sich ergänzen oder widersprechen und auf diese Weise eine hohe Dynamik der „Domestizierung“ – im Sinne von (Ver-)Sicherung – zu verstehen sind.
Der Workshop wird ausgerichtet von dem am SFB/TRR 138 „Dynamiken der Sicherheit. Formen der Versicherheitlichung in historischer Perspektive“ beteiligten interdisziplinären Teilprojekt „Das Haus als Sicherheit und die (Un-)Sicherheit der Geschlechter“ (Leitung: Prof. Dr. Inken Schmidt-Voges, Geschichte der Frühen Neuzeit, Philipps-Universität Marburg / Prof. Dr. Sigrid Ruby, Institut für Kunstgeschichte, JLU Gießen). Beiträge aus allen historisch arbeitenden Disziplinen sind willkommen.
Wir erbitten Vorschläge (Vortragstitel und abstract, max. 1 Seite) bis zum 31. Juli 2019 an John Egle (eglej@staff.uni-marburg.de).

Programm

Kontakt

John Egle
Wilhelm-Röpke-Straße 6, 03C13

eglej@staff.uni-marburg.de


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