Überwachung. Fiktionen und Emotionen

Überwachung. Fiktionen und Emotionen

Veranstalter
Betiel Wasihun, Institut für Philosophie, Literatur-, Wissenschafts- und Technikgeschichte, TU Berlin; Stefan Willer, Institut für deutsche Literatur der HU Berlin; in Kooperation mit dem Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung (ZfL)
Veranstaltungsort
ZfL, Schützenstr. 18, 10117 Berlin, 3. Et., Trajekte-Tagungsraum
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
31.01.2019 - 01.02.2019
Von
Dominik Flügel, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Zentrum für Literatur- und Kulturforschung

Überwachungstechnologien sind nicht mehr aus dem Alltag wegzudenken. Die heutige Gesellschaft wird zunehmend durch Videoüberwachung, Biometrie und Data Mining geprägt und kontrolliert – an Arbeitsplätzen, in privaten Räumen und im Cyberspace. Im Zeichen des Paradigmenwechsels von der ›Disziplinargesellschaft‹ (Foucault) zur ›Kontrollgesellschaft‹ (Deleuze) werden Autorität und Macht schwer lokalisierbar; Informationen werden algorithmisiert und in Muster uminterpretiert; Überwachung ist in einen liquid state geraten und umso ubiquitärer geworden. Die Idee der allgegenwärtigen Überwachung als solche ist jedoch keineswegs neu. Sie verweist zurück auf traditions- und wirkungsreiche Konzepte wie die Allwissenheit einer göttlichen Macht oder das ›Auge des Gesetzes‹. Auch wenn die Vorstellung einer zentralisierten Überwachungsinstanz angesichts post-panoptischer Überwachungsformen an ihre Grenzen stößt, hat das Phantasma, von höherer Warte aus fortwährend gesehen zu werden, den zeitgenössischen Überwachungsdiskurs zweifellos entscheidend mitbeeinflusst. Hinzu kommen Praktiken der Selbstüberwachung und Selbstbeobachtung, deren Kulturgeschichte, auch und gerade in religiösen Kontexten, ebenfalls weit vor die aktuellen elektronischen Datentechnologien zurückführt.

Der Workshop »Überwachung. Fiktionen und Emotionen« soll solche Vorstellungen und Verfahren aus verschiedenen Disziplinen her untersuchen (Literatur-, Film- und Medienwissenschaft, Philosophie, Soziologie), um die Dynamik der heutigen Überwachungsgesellschaft kritisch zu befragen. Was bedeutet Sehen und Gesehen-Werden in unterschiedlichen Formen der Überwachung? Welche Medien und welche visuellen Strategien sind hier beteiligt? Wie haben sich die zentralen Codes von Individualität, Intimität, Privatheit und Öffentlichkeit verändert? Mit welchen mentalen Zuständen und Emotionen war und ist Überwachung konnotiert – erzeugt sie vorrangig Angst, Furcht und Misstrauen, oder ermöglicht sie auch Vertrauen und Sicherheit? Wie verhalten sich Fremd- und Selbstüberwachung, etwa mit Blick auf das Problem der Scham? Und wenn man bedenkt, dass der Einblick in innere Vorgänge ein wichtiges Kriterium für Fiktionalität ist, wie stellt sich dann der Konnex von Überwachung und Fiktion dar?

Programm

Donnerstag, 31.01.2019
9.30–9.45

Betiel Wasihun (TU Berlin), Stefan Willer (HU Berlin): Einführung

ÜBERWACHUNG, EMOTIONEN UND AFFEKTE

9.45–11.15

Julien Deonna (Université de Genève): Is Shame Surveillance?
Nicole Falkenhayner (Universität Freiburg): Media, Surveillance and Affect

VORMODERNE PERSPEKTIVEN

11.45–13.15

Almut Suerbaum (University of Oxford): ›huote‹ and ›luegenaere‹. Concepts of Surveillance in Pre-Modern German Literature
Stefan Willer (HU Berlin): Paradoxien der Beobachtung in der Experimentalseelenlehre des 18. Jahrhunderts

MEDIEN DER ÜBERWACHUNG

14.30–15.15

Matthias Hurst (Bard College Berlin): To Watch and Being Watched. Voyeurism, Surveillance and Paranoia in Popular Film

15.30–17.00

Dietmar Kammerer (Universität Marburg): Ist mein Datenschatten real? Streifzüge durch einen Topos des Überwachungsdiskurses
Tobias Matzner (Universität Paderborn): Cooperation between Humans and Algorithms. Fictions and Technologies

17.30–18.15

David Murakami Wood (Queen's University, Kingston/Kanada): Imagining Glocal Government. Micro-Democracy, Surveillance and Control in Malka Older's Centenal Cycle

Freitag, 01.02.2019

ÜBERWACHUNGSEXZESSE

9.30–11.00

Leon Hempel (TU Berlin): Karneval und Kontrolle
Nils Zurawski (Universität Hamburg): Consumption of Surveillance

DYSTOPIEN DER ÜBERWACHUNG

11.30–12.15

Matthias Schwartz (ZfL): Das Schicksal des Scharfsichtigen. Sowjetische Überwachungsfiktionen der Stalinzeit und danach

13.30–15.00

Claude Haas (ZfL): Von der Fremdüberwachung zur Selbstüberwachung. George Orwells 1984 und Dave Eggers' The Circle
Betiel Wasihun (TU Berlin): No Privacy, No Shame? Surveillance in Contemporary Dystopian Fiction

15.00–15.30

Abschlussdiskussion

Kontakt

Stefan Willer (stefan.willer@hu-berlin.de)
Betiel Wasihun (betiel.wasihun@tu-berlin.de)

http://www.zfl-berlin.org/veranstaltungen-detail/items/ueberwachung-fiktionen-und-emotionen.html
Redaktion
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