Jahrestagung des Wolfenbütteler Arbeitskreises für Renaissanceforschung: Ägypten übersetzen. Fremde Schriftsysteme als Imaginationsräume der Frühen Neuzeit

Jahrestagung des Wolfenbütteler Arbeitskreises für Renaissanceforschung: Ägypten übersetzen. Fremde Schriftsysteme als Imaginationsräume der Frühen Neuzeit

Veranstalter
Wolfenbütteler Arbeitskreis für Renaissanceforschung (Herzog August Bibliothek); Leitung: Anja Wolkenhauer (Tübingen) und Johannes Helmrath (Berlin)
Veranstaltungsort
Halle und Bibelsaal in der Bibliotheca Augusta
Ort
Wolfenbüttel
Land
Deutschland
Vom - Bis
10.09.2018 - 12.09.2018
Website
Von
Bauer, Volker

Solange Kultur in der Frühen Neuzeit in den Grenzen Europas definiert wurde, war Ägypten das nächste (und größte) Fremde. Die Faszination fand seit der Antike in der Aufstellung von Obelisken ihren sichtbarsten Ausdruck, erstreckte sich aber auch auf andere kulturelle Felder wie die Hieroglyphenschrift. Die Aneignung dieser zwischen Bild und Text, Erkennbarkeit und Fremdheit, göttlicher und menschlicher Sphäre stehenden Zeichen steht im Zentrum der Tagung, in der es um die kulturellen Übersetzungs- und Adaptionsprozesse des frühneuzeitlichen Europa geht, die darauf zielten, Ägypten als ‚andere Antike‘ ins eigene Denken einzubeziehen.

Die Beschäftigung mit der ägyptischen Hieroglyphik beginnt mit dem Fund der Schriften des Historikers Ammianus Marcellinus (Poggio 1417) und der ungefähr gleichzeitigen Entdeckung der Hieroglyphica des Horapollon (Buondelmonti 1419; Erstdruck Venedig 1505). Von Marsilio Ficino auf die platonische Ideenlehre bezogen, in der Hypnerotomachia Polifi (1499) als Idealschrift weitergesponnen, von Pierio Valeriano emblematisch systematisiert (Hieroglyphica 1556) und von Athanasius Kircher visualisiert und ‚übersetzt‘, bereichern sie das Zeichenvokabular des Arkanwissens für lange Zeit. Da die Hieroglyphen in dieser Epoche nicht phonetisch gedeutet, sondern primär als Ideogramme interpretiert werden, wird die Renaissancehieroglyphik oft als ein phantasievolles Missverständnis beschrieben. Aber was ist ein phantasievolles Missverständnis?

Vor dieser Frage ausgehend widmet sich die Jahrestagung 2018 des Wolfenbüttler Arbeitskreises für Renaissanceforschung den Verfahren und Funktionen kultureller Übersetzung in der Frühen Neuzeit, wobei der Focus auf der Renaissancehieroglyphik liegen soll (aber andere Übersetzungsphänomene nicht ausgeschlossen sind).

Die Fragen richten sich darauf, was und wie hier eigentlich verstanden wurde; folgende Teilfragen sind zu identifizieren:
- Wo und wie fanden Hieroglyphen und andere ‚fremde Schriften‘ in der europäischen Kultur zwischen 1400 und ca. 1650 Verwendung?
- Welchen Imaginationsraum öffnete die Beschäftigung mit den fremden Schriftsystemen, wozu dienten sie, was hoffte man zu verstehen?
- Inwiefern war der Projektionsraum Ägypten für den Entwurf einer anderen, alternative Antike von Bedeutung, und für wen?
- Auf welche Bedürfnisse reagierten die ägyptisierenden Neuschöpfungen der Zeit?
- Wie verhielten sich die Humanisten gegenüber den asiatischen und amerikanischen Schriftsystemen, die im 16. Jahrhundert sukzessive in den Blick gerieten und zu vergleichbaren ‚Missverständnissen‘ Anlass gaben?
- Welche Vorstellungen über das Wesen von Sprache, Schrift und Kultur lagen dem Aneignungsprozess zugrunde?

Programm

Montag, 10. September 2018

19.00 Uhr Öffentlicher Abendvortrag in der Augusteerhalle

Thomas Scharff (Braunschweig)
Mittelalterliche Grundlagen des frühneuzeitlichen Ägyptenbildes

Dienstag, 11. September 2018

09.00 Uhr Begrüßung und Einführung

09.30 Uhr Florian Ebeling (Heidelberg)
Die platonische Hermeneutik des Ägyptenbildes

10.20 Uhr Kaffeepause

10.50 Uhr Pedro Germano Leal (Glasgow)
Untranslating Horapollon's Hieroglyphica: the perception of hieroglyphs in 5th century Alexandria and in the Renaissance

11.40 Uhr Marion Gindhart (Mainz)
„Die welt zeschreiben maalen sie ein schlangen“.
Hieroglyphische Aneignungen von Giovanni Nanni da Viterbo bis Johannes Herold

12.30 Uhr Mittagspause

14.00 Uhr Margit Kern (Hamburg)
Die Sprachfähigkeit der Hieroglyphe in der Mission der Frühen Neuzeit

14.50 Uhr Franziska Neumann (Rostock)
Das Komma von Perspepolis. Die Entzifferung der Keilschrift als Säkularisierungsmotor

15.35 Uhr Kaffeepause

16.00 Uhr Maren C. Biederbick (Ingolstadt)
Ägyptische Symbolik in Impresen

16.50 Uhr Bücherrunde

19.00 Uhr Gemeinsames Abendessen

Mittwoch 12. September 2018

09.00 Uhr Organisatorisches

09.15 Uhr Sergius Kodera (Wien/ St. Pölten)
Renaissancehieroglyphik im Werk von Giovan Battista Della Porta

10.05 Uhr Michael Weichenhan (Berlin)
Athanasius Kirchers Übersetzungsstrategien zwischen Imagination und Philologie

10.50 Uhr Kaffeepause

11.20 Uhr Sabine Herrmann (Stuttgart)
Ägyptenrezeption in Venedig

12.10 Uhr Daniel Orrells (London)
Visualising Ancient Egypt in eighteenth-century antiquarianism

13.00 Uhr Schlussrunde (Leitung: Wilhelm Schmidt-Biggemann, Berlin)

Kontakt

Dr. Volker Bauer

Herzog August Bibliothek, Postfach 13 64, D-38299 Wolfenbüttel

forschung@hab.de


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