“Gibt es eine kulturelle Identität?” - Jahrestagung des Arbeitskreises „Politik und Kultur“ der DVPW

“Gibt es eine kulturelle Identität?” - Jahrestagung des Arbeitskreises „Politik und Kultur“ der DVPW

Veranstalter
Sektion "Politik und Kultur" der DVPW, Lehrstuhl für Politische Theorie und Ideengeschichte am Institut für Politik- und Verwaltungswissenschaften, Universität Rostock
Veranstaltungsort
Universität Rostock
Ort
Rostock
Land
Deutschland
Vom - Bis
12.07.2018 - 14.07.2018
Deadline
15.03.2018
Website
Von
Valerian Thielicke

In seinem gerade erschienenen Buch plädiert der Philosoph François Jullien dafür, den Begriff der „kulturellen Identität“ in den Sozialwissenschaften nicht weiter zu verwenden. „Identität“ werde im Alltag und in der Politik nicht selten als eine statische Substanz betrachtet, die in der westlichen philosophischen Tradition zu den Sprachuniversalien gehöre. In der reflexiven Spätmoderne solle man dagegen von einer dynamischen Entwicklung der Kulturen ausgehen, die nicht voneinander isoliert bleiben und sich demnach nicht durch Differenzen – auch nicht aufgrund eines „Rechts auf Differenz“ – voneinander unterscheiden, sondern durch Abstände (écarts), aus denen sich fruchtbare Spannungen zwischen den Kulturressourcen ergeben. Er schlägt deshalb vor, den Begriff der „kulturellen Identität“ durch „kulturelle Ressourcen“ zu ersetzen und erwartet von den einzelnen Mitgliedern einer Gesellschaft, dass sie diese Ressourcen aktivieren. Jullien gehört somit zu jenen Philosophen und Sozialwissenschaftlern, die den Begriff der Identität in Frage stellen. Damit steht er in der Tradition von Claude Lévi-Strauss, der die Identität als foyer virtuel betrachtete, von Rogers Brubaker, der anstatt von Identität von Identifikation spricht oder auch Peter Wagner, der den Identitätsbegriff dahingehend kritisiert, dass dieser mit einer konzeptuellen Festschreibung arbeite, die er empirisch zu benennen vermeide. Es stellt sich allerdings die Frage, ob diese Positionierung in einer Welt, in der Kollektividentitäten wieder eine zunehmend größere Rolle spielen, politisch sinnvoll ist. Jürgen Straub stellt fest, dass kollektive Identität ein kommunikatives Konstrukt bezeichnet, welches mittlerweile eine breite Anwendung findet. Seine Ausklammerung aus dem sozialwissenschaftlichen Diskurs mache daher wenig Sinn. Walter Reese-Schäfer geht noch einen Schritt weiter, wenn er die Kollektividentität als fait social im Sinne Durkheims bezeichnet, welche die Handlungen vieler Einzelner bestimmt.
Die Tagung möchte die wissenschaftliche Beschäftigung mit Kollektividentitäten ins Zentrum der Auseinandersetzung stellen und diese im Zusammenhang von Politik und Kultur erörtern. Leitend für die Diskussion sollen drei Fragenkomplexe sein:
(1) Gibt es eine kulturelle Identität und wenn ja, (inwiefern) lässt sie sich von anderen bspw. nationalen, religiösen, ethnischen oder sozialen Dimensionen kollektiver Identität unterscheiden? Bilden sich über Fragen kollektiver Identität momentan neue, vertikale wie horizontale, gesellschaftliche cleavage-Linien heraus? Inwiefern fördern die fortschreitende Auflösung der Sozialstruktur und die zunehmende Individualisierung die Postulierung neuer kollektiver Identitäten
in der Spätmoderne?
(2) Welche Rolle spielen Fragen von Macht und Herrschaft bei der deutungskulturellen Konstruktion, der medialen Vermittlung und der politischen Sozialisation kollektiver Identitäten? Inwiefern können machtaffine Ansätze (wie etwa kulturelle Hegemonie bei Gramsci, symbolische Gewalt bei Bourdieu, Deutungsmacht bei Vorländer und Stoellger oder Kulturalisierungsregime des Sozialen bei Reckwitz) die Erforschung kollektiver Identitäten bereichern?
(3) Wie gestaltet sich die soziokulturelle Verankerung kollektiver Identitäten auf Seiten der Rezipienten hinsichtlich ihrer individuellen belief systems? Wie lässt sich der belief systems Begriff definieren und konzeptualisieren? Welche kognitiven, affektiven, emotionalen, ästhetischen und evaluativen Aspekte sind für eine erfolgreiche Verankerung kollektiver Identität zu berücksichtigen? In welchem Verhältnis stehen belief systems und Ideologie?
Erwünscht sind Beiträge, welche die Leitfragen rund um die Konstruktion, Vermittlung, Sozialisation und Verankerung von Kollektividentitäten im Kontext der politischen Kulturforschung
theoretisch fundieren, konzeptuell oder methodisch systematisieren sowie empirisch analysieren.
Die Tagung wird von Dennis Bastian Rudolf und Yves Bizeul (Rostock) vorbereitet und durchgeführt.
Beitragsvorschläge zu den skizzierten Fragestellungen werden mit einem kurzen Abstract (max. 1 Seite) bis zum 15. März 2018 an folgende Emailadressen erbeten:
dennis.rudolf@uni-rostock.de
yves.bizeul@uni-rostock.de
Eine Publikation auf Grundlage der Tagungsergebnisse ist geplant; daher wird um Originalbeiträge
gebeten.

Programm

Kontakt

Dennis Rudolf

IPV, Universität Rostock, Ulmenstraße 69
18057 Rostock

dennis.rudolf@uni-rostock.de


Redaktion
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