3. Workshop des Netzwerks "Lutherische Orthodoxie revisited. Konfessionelle Muster zwischen Identitätsverpflichtung und ‚Weltoffenheit‘"

3. Workshop des Netzwerks "Lutherische Orthodoxie revisited. Konfessionelle Muster zwischen Identitätsverpflichtung und ‚Weltoffenheit‘"

Veranstalter
Dr. Joar Haga (Menighetsfakultet Norwegian School of Theology, Oslo), Dr. Stefan Michel (Sächsische Akademie der Wissenschaften, Leipzig), Dr. Sascha Salatowsky (Forschungsbibliothek Gotha), Dr. Thomas Töpfer (Schulmuseum Leipzig)
Veranstaltungsort
Sächsische Akademie der Wissenschaften, Karl-Tauchnitz-Straße 1, D-04107 Leipzig
Ort
Leipzig
Land
Deutschland
Vom - Bis
07.03.2018 - 09.03.2018
Deadline
05.03.2018
Von
Salatowsky, Sascha

Die Ansicht der Forschung hinsichtlich der Stellung des Luthertums zur Politik hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Die wirkungskräftige, seit Max Weber und Ernst Troeltsch vorherrschende Perspektive eines obrigkeitshörigen und politisch passiven Luthertum wurde zunehmend infrage gestellt. Denn die gegenseitige „Verzahnung“ (Robert v. Friedeburg/Luise Schorn-Schütte) von Politik und Religion – man spricht sogar von einer expliziten „Konfessionspolitik“ (Markus Matthias) –, die in Weiterentwicklung von Luthers Zwei-Reiche-Lehre hin zum Ausbau der Drei-Stände-Lehre ein unumstößlicher Pfeiler des obrigkeitlichen Staatsverständnisses in den lutherischen Territorien geblieben sei, dürfe nicht dazu verleiten, den Aspekt des obrigkeitskritischen Denkens zu übersehen. Verschiedene Forschungsbeiträge haben umfassend die differenzierten Positionen der Lutheraner im Zusammenhang mit der Frage nach dem Widerstandsrecht gegen eine als ungerecht empfundene weltliche oder sogar geistliche Obrigkeit herausgearbeitet. Gemäß dem Konzept einer politica christiana wurde die politische Welt als äußere Gestalt der Frömmigkeit verstanden, die der Obrigkeit eine besondere Verantwortung auferlegte, zugleich aber der Geistlichkeit den schärfsten Einspruch ermöglichte.
In diesem Spannungsfeld von Politik, Theologie und Frömmigkeit sind viele Studien zu einzelnen Hofpredigern, Theologen oder Obrigkeiten bzw. ganzen Herrschaftsgebieten angesiedelt. Ferner hat sich in den letzten 30 Jahren eine eigene rechtsgeschichtliche Literatur entwickelt, die die Reichsgerichtsbarkeit, die staatsrechtlichen, verstärkt auch naturrechtlichen Fragen des Luthertums im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, aber auch in den europäischen Ländern behandelt. Einen Schwerpunkt der Forschung bildet hierbei auch das Königreich Dänemark-Norwegen. Dort bildete sich als Folge des sog. dänischen Staatstreichs im Jahre 1660 eine lutherische Staatsreligion aus.
Der dritte Workshop des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten und von Joar Haga (MF Norwegian School of Theology, Oslo) und Sascha Salatowsky (Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt) geleiteten Netzwerks „Lutherische Orthodoxe revisited“ wird sich diesem Themenfeld „Politik und Religion“ widmen. Er soll das Luthertum als politisch-soziale Kraft im Zusammenhang mit der Herausbildung konfessioneller Kulturen in den Blick nehmen. Es wird danach gefragt, welche politischen Konzepte die Theologen für die lutherische Gesellschaft entwickelten, wie sie die Aufgaben des magistratus politicus verstanden und welche Funktion sie sich selbst dabei zuschrieben. Oft genug gerieten Theologen dabei in das Fahrwasser politischer Konflikte bzw. initiierten diese selbst. Die zentrale Frage lautet daher, welche Auswirkungen die lutherische Konfessionalisierung auf die Politik hatte bzw. umgekehrt, wie die politischen Verhältnisse die Gestalt der lutherischen Konfession bestimmte. Wie eng war die Herausbildung dieser Konfessionen tatsächlich mit der frühmodernen Staatsbildung verknüpft? In welchem Verhältnis standen Theologen, Juristen und hochrangige Hofbeamte zueinander? Welche Meinungsführerschaften und Binndendifferenzierungen innerhalb des Luthertums lassen sich festellen? Gibt es unterschiedliche „Schulen“ in Theorie und Praxis zum Thema „Politik und Religion“? Lassen sich hierfür Kriterien und wenn ja, welche benennen? Wie veränderte der 30jährige Krieg den Diskurs? Auf welchen Ebenen, mit welchen Inhalten und mit welchen Zielen nahmen adlige Frauen Einfluss auf politische Entscheidungsprozesse?
Ein weiterer wichtiger Aspekt des Verhältnisses von Religion und Politik soll anhand der alten Frage nach der Realisierung des himmlischen Jerusalems auf Erden beleuchtet werden. Welche Funktion hatten Utopien in der lutherischen Orthodoxie? Welcher Zusammenhang lässt sich hierbei zwischen einer biblisch fundierten Utopie, wie sie insbesondere in der Johannes-Offenbarung sichtbar wird, und einer konkreten Raumwerdung in der Stadt angesichts aufkommender chiliastischer Gedanken wie im Pietismus feststellen?

Gäste sind herzlich willkommen. Um Anmeldung bis zum 5.3.18 unter sascha.salatowsky@uni-erfurt.de wird gebeten.

Programm

Mittwoch, 7. März 2018
14.00 Uhr (intern)
Netzwerkgespräch

16.00 Uhr
Begrüßung und Einführung
Christian Winter, Generalsekretär der SAW
Sascha Salatowsky/Joar Haga

1. Sektion: Luthertum und Politik
Moderation: Cornelia Rémi

16.15 Uhr
Kurzreferate (jeweils 10 Minuten) zu Quellen mit anschließender Diskussion
Stefan Michel (Leipzig): Veit Ludwig von Seckendorffs Ansicht von der Obrigkeit im Christen-Staat (1685)
Sascha Salatowsky (Gotha): Kernlehren lutherischer Politik? Die Disputation De religione lutherana, disquisitio politica des Wittenberger Theologen Andreas David Carolus (1685)

17.15 Uhr
Johannes Träger (Leipzig): Konfliktfelder lutherischer Kirchenleitung: Die Auseinandersetzung des Leipziger Konsistoriums um das jus patronatus des Leipziger Rates (1599-1605)

Abendessen

Donnerstag, 8. März 2018
Moderation: Elena Tolstichin

9.00 Uhr
Robert von Friedeburg (Rotterdam, London): Wie sieht es mit „dem“ Luthertum im Hinblick auf die Obrigkeit aus? Oder: Wer hat nun Recht, Troeltsch und Honecker oder Schwarzkopff?

10.00 Uhr
Steffie Schmidt (Rostock): Theologisch geeint, politisch entzweit? Schwedische Theologen und das deutsche Luthertum nach dem Dreißigjährigen Krieg

11.00 Uhr Pause

2. Sektion: Politische Praxis
Moderation: Stefan Michel (Leipzig)

11.30 Uhr
Kurzreferate (jeweils 10 Minuten) zu Quellen mit anschließender Diskussion
Hendrikje Carius (Gotha): Allianzverhältnisse lutherischer Theologen und Herrschaftsträgerinnen im Spannungsfeld von Politik und Konfession. Zur Beratungspraxis Johann Gerhards für Christine von Sachsen-Eisenach
Thomas Töpfer (Leipzig) (noch offen)

12.30 Uhr Mittagspause

14:00 Uhr
Siegrid Westphal (Osnabrück): Lutherische Konfessionspolitik im Spannungsfeld von Integration und Abgrenzung

15.00 Uhr
Daniel Gehrt (Gotha): Von Flacius bis Gerhard. Die Entstehung der Universität Jena als Zentrum der lutherischen „Orthodoxie“ im Spannungsfeld zwischen universitärer „Autonomie“ und fürstlichem „Absolutismus“

ca. 16.00 Uhr
Historischer Stadtrundgang

Abendessen

Freitag, 9. März 2018
Ort: Theologische Fakultät, Universität Leipzig, Martin-Luther-Ring 3, SR 4

3. Sektion: Politik und Gesellschaft
Moderation: Hendrikje Carius (Gotha)

9.00 Uhr
Sivert Angel (Oslo): Die politische Rolle der Predigt und die Wissenskultur lutherischer Homiletik des 17. Jahrhunderts

10.00 Uhr
Joar Haga (Oslo): Chiliasmus, Utopie und die lutherische Stadt. Der Fall Kopenhagen

11.00 Uhr Pause

11.30
Abschlussdiskussion

12.00 (intern)
Netzwerkgespräch

Kontakt

Sascha Salatowsky

Forschungsbibliothek Gotha, Schlossplatz 1, D-99867 Gotha

+49 (0)361/737 5562
+49 (0)361/737 5539
sascha.salatowsky@uni-erfurt.de

https://luthorth.hypotheses.org/
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