Der erfahrene Krieg. Selbstzeugnisse aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges

Der erfahrene Krieg. Selbstzeugnisse aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges

Veranstalter
Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel; Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Lehrstuhl für Geschichte der Frühen Neuzeit
Veranstaltungsort
Herzog August Bibliothek
Ort
Wolfenbüttel
Land
Deutschland
Vom - Bis
31.05.2018 - 01.06.2018
Deadline
15.02.2018
Von
Zirr, Alexander

Selbstzeugnisse als bewusst und aus eigenem Antrieb verfasste Texte mit explizitem Selbstbezug bieten ganz unterschiedliche individuelle Perspektiven auf historische Ereignisse und Prozesse und deren Verarbeitung durch Einzelpersonen, sei es als handelnde Subjekte, sei es als direkt oder indirekt Betroffene. Mit seinem existenzbedrohenden Destruktionspotential bot der Krieg als ein allgegenwärtiges und prägendes Phänomen der Vormoderne in besonderer, bedrängender Weise Anlass und Stoff, persönliche Erfahrungen und Widerfahrnisse für sich, die Familie oder Mit- und Nachwelt festzuhalten. Derartige Ego-Dokumente bereichern nicht nur unser Faktenwissen, sondern bieten ein ganzes Bündel von Aspekten, die in der gewöhnlichen Quellenüberlieferung eher verborgen bleiben. Die erfahrungsgeschichtliche Dimension historischer Phänomene wird greifbar, aber auch die Wertvorstellungen von Akteuren, ihre Handlungsmotive oder ihr Umgang mit den eigenen Emotionen. Abseits der großen politischen Zusammenhänge und der Welt der unmittelbaren politischen Entscheidungsträger kann auf Grundlage von Selbstzeugnissen mit mikrogeschichtlichen Zugängen und Fragestellungen, die seit einigen Jahren einen festen Platz in der Geschichtswissenschaft gefunden haben, eine besondere Alltags- und Erfahrungsgeschichte des Krieges erforscht werden, können Lebenswelten und soziale Praktiken von Kombattanten und Nichtkombattanten beleuchtet werden.

Im 17. Jahrhundert stellte der Dreißigjährige Krieg als politisch, religiös und ökonomisch vielschichtiger Großkonflikt, der weite Teile Europas erfasste, für viele Menschen eine Zäsur dar. Im weiten Spektrum der in dieser Zeit entstandenen Selbstzeugnisse, wie Autobiografien, Tagebücher, Chroniken, Reiseberichte, aber auch Briefe, wurden die oft leidvollen Erfahrungen von Soldaten und der Zivilbevölkerung, die bereits eingetretenen oder die noch erwarteten Folgen des Krieges sowie die daraus resultierenden Überlebensstrategien der Betroffenen, von Tätern und Opfern gleichermaßen greifbar. Neben der Verwicklung in tatsächliche Kampfhandlungen fanden thematisch vor allem die Begleiterscheinungen des Krieges, wie Hunger, Krankheiten und Tod, physische, auch sexualisierte Gewalt, existenzielle Ängste, Verlust von Habe durch Plünderung und Zerstörung, aber auch Kriegsgewinne, Sonderabgaben, Truppendurchzüge und Einquartierungen, Devianz, Flüchtlingsströme, wirtschaftlicher Niedergang oder sozialer Aufstieg, Niederschlag in den Selbstzeugnissen jener Zeit. Der Erfahrungshorizont des „expliziten Selbst“ verläuft dabei, bei unterschiedlich stark bezeugtem „Ich-Bezug“ innerhalb der dokumentierten Umwelt, in einem weiten Feld zwischen höchst traumatischen Kriegserlebnissen und weitgehender Normalität in Phasen der Ruhe.

Unser Workshop richtet sich an Promovierende und junge WissenschaftlerInnen, die an Projekten zum Thema Kriegsbetroffenheit und Kriegserfahrungen in Selbstzeugnissen aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts arbeiten. Aber auch andere Aspekte der Epoche des Dreißigjährigen Krieges, wie die konfessionellen Konflikte oder der Wandel politischer und sozialer Ordnungen, können im Vordergrund stehen. Ausdrücklich erbeten sind Werkstattberichte noch nicht abgeschlossener Arbeiten, wobei sowohl Ergebnisse als auch offene Fragen und methodische Probleme diskutiert werden können. Der Alltag des Krieges und seine gesellschaftlichen Konsequenzen, das Zusammenleben von Militärs und Nichtmilitärs, die Wahrnehmung und Erfahrung militärischer Gewalt sowie die verschiedenen Versuche oder Konzepte zur soziokulturellen und psychischen Krisenbewältigung wären gewünschte thematische Schwerpunkte.

In zwei halbtägigen Sitzungen sollen die TeilnehmerInnen die Möglichkeit erhalten, ihre Projekte zu präsentieren und mit den Beteiligten des Projekts „Digitale Edition und Kommentierung der Tagebücher des Fürsten Christian II. von Anhalt-Bernburg (1599-1656)“ in wissenschaftlichen Austausch zu treten. Bei einer abendlichen Podiumsdiskussion am 31. Mai 2018 können die Teilnehmenden auf Grundlage von einem oder mehreren Impulsreferaten zudem mit den Selbstzeugnis-ExpertInnen des anwesenden Beratungsgremiums des Christian-Tagebuch-Projekts – Prof. Dr. Peter Burschel (Wolfenbüttel/Göttingen), Prof. Dr. Achim Aurnhammer (Freiburg), Prof. Dr. Rudolf Dekker (Amsterdam), Univ.-Doz. Dr. Katrin Keller (Wien), Prof. Dr. Hans Medick (Berlin) und Prof. Dr. Michael Rohrschneider (Bonn) – ins Gespräch kommen. Überdies ist geplant, den Teilnehmenden eine Einführung in die mögliche Visualisierung und technische Aufbereitung von Selbstzeugnissen durch die Möglichkeiten digitaler Editionen zu bieten.

Die Herzog August Bibliothek übernimmt Reise- und Übernachtungskosten im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen des Landes Niedersachsen.

Wir freuen uns auf eine kurze Darstellung des jeweiligen Forschungsprojekts mit knappen Angaben zu Ihrer Person. Bitte senden Sie Ihre Skizzen bis 15. Februar 2018 an zirr@hab.de Eine Auswahl der Beiträge erfolgt bis Ende Februar 2018.

Kontakt für inhaltliche bzw. organisatorische Fragen: Dr. Andreas Herz (herz@hab.de)/Dr. des. Alexander Zirr (zirr@hab.de)

Programm

Kontakt

Alexander Zirr

Herzog August Bibliothek
Lessingplatz 1, D-38304 Wolfenbüttel

zirr@hab.de

http://www.hab.de