Anthropology & Materialism

Anthropology & Materialism

Veranstalter
Anthropology & Materialism. A Journal of Social Research. https://am.revue.org
Veranstaltungsort
Ort
Paris
Land
France
Vom - Bis
15.10.2017 -
Deadline
15.10.2017
Von
Meike Schmidt-Gleim

Call For Paper für die vierte Ausgabe der Zeitschrift zum Thema „Technologie und Kunst“, Erscheinungsdatum 2018.
Das Verhältnis zwischen Mensch und Natur, wie es in gegenwärtigen Debatten über Technologie dargestellt wird (beispielsweise im Rahmen des Konzepts „Anthropozän“), neigt dazu ein anderes wesentliches Verhältnis zu überlagern: die Komplizenschaft zwischen Kapitalismus und Technologie. Jede technische Innovation ist das Ergebnis von Produktionsverhältnissen, die von kommerziellen Unternehmen kontrolliert und von daher von Marktprinzipien geleitet werden. Die kommende Ausgabe von Anthropology & Materialism befasst sich mit den problematischen Aspekten dieser Komplizenschaft und fragt wie man diese unterwandern kann.
Technologie ist, ob in befürwortender oder kritischer Weise, häufig Gegenstand ethischer Urteile: Der Cyberspace wurde als befreiende Kraft willkommen geheißen; das World Wide Web zum Zeitpunkt seiner Erfindung als offene Gesellschaft gefeiert, doch bald darauf für seine kommerzielle Ausrichtung kritisiert; das Mobiltelefon während des arabischen Frühlings als Mittel demokratischer Organisation gepriesen, und sehr bald als Kommunikationsmittel, das indirekt Terrorangriffe unterstützt, verurteilt; und die letzte US amerikanische Wahlkampagne schließlich wurde bezichtigt, Cyber-technologie als Mittel der Manipulation eingesetzt zu haben. Das Problem dieser Polarisierung zwischen einem demokratischen Versprechen der Technologie (von Seiten der Technophilen, nach Norbert Wiener) und ihrer Denunziation als Komplize des Bösen (von Seiten der Technophoben, nach Jacques Ellul) ist, dass sie Technologie fetischisiert und seine Wirkung auf eine polarisierende ethische Position beschränkt, während ein anderes Verhältnis, das zwischen Technologie und Kapitalismus, verdeckt wird. Technologie wird auf diese Weise von den Bedingungen seiner Produktion getrennt betrachtet und als etwas verstanden, das unabhängig von menschlicher Praxis existieren kann; mit anderen Worten, die menschliche Arbeitskraft scheint definitiv von der kapitalistischen Produktionsweise entfremdet zu sein. Marshall McLuhan’s berühmte Aussage “das Medium ist die Botschaft” ist symptomatisch für eine solche Hypostase der Technologie.
Ist es möglich, Technologie jenseits der ethischen Polarisierung zu denken? Muss eine kritische Herangehensweise in ethischen Begriffen gedacht werden? Oder eher in politischen? Die, gegen fetischisierende Ansätze ins Treffen geführte Idee, dass Technik nur ein Werkzeug ohne inhärente Bedeutung ist, dass Technologie so gut oder schlecht sei wie die Menschen, die sie verwenden, unterschätzt das transformative Vermögen technologischer Erfindungen. Lange vor McLuhan hatte Walter Benjamin eine vergleichbare Position bezogen, indem er darauf hingewiesen hat, dass die technische Reproduzierbarkeit den Charakter von Kunstwerken revolutioniert. Aber über McLuhan hinausreichend, hat Benjamin die Produktion von Technologie zurück an die Bedingungen ihrer Produktion geknüpft, und damit in radikaler Weise das Verhältnis zwischen Technologie und Kapitalismus, Nature und Kunst neu organisiert und einen produktiven Abstand zwischen kapitalistischer Produktionsweise auf der einen Seite und der menschlichen Praxis technischer Erfindungen auf der anderen Seite ermöglicht. Ein anderer Theoretiker, der Marcuse Schüler Andrew Feenberg, hat diese nicht-essentialistische und nicht-fetischisierende Theorie der Technologie im Kontext moderner Gesellschaft weiterentwickelt.
Im Horizont dieser Ansätze, ist es heute vielleicht eine der wichtigsten Aufgaben von KünstlerInnen, die Beziehung zwischen Kapitalismus und Technologie zu hinterfragen, um die emanzipatorischen und spielerischen Dimensionen von Technik zu befreien und neue Arten sozialer Beziehungen zu entwerfen. KünstlerInnen können die scheinbar natürlichen Bedingungen technologischer Produktion im Kapitalismus offenlegen und so dem bedrohlichen Aspekt der Technologie für die Natur ihre Kraft nehmen. Mithilfe von Kunst könnte Technologie wieder ein Spiel mit der Natur werden, es zu einem Spiel machen, in dem Technologie als menschliches Vermögen sichtbar wird. Esther Leslie betont: “Das Menschliche ist eine Lüge. Existenz ist technoid; das heißt, ein Verständnis technischen Lebens ist der Ausgangspunkt sozialer Theorie.” Nimmt man sie beim Wort, ist Technologie nicht nur ein menschliches Vermögen, sondern eine Bedingung menschlicher Existenz. Das macht es umso wichtiger sein Verhältnis zum Kapitalismus zu lösen.
Dieser CFP lädt TheoretikerInnen ein, über die Art und Weise nachzudenken, wie Kunst (oder künstlerische Praxis) mit der problematischen Verknüpfung von Technologie, Natur und Kapitalismus in der Gegenwart umgeht oder umgehen kann. Im Sinne der multi-disziplinären Perspektive der Zeitschrift, beabsichtigt die kommende Ausgabe neue innovative theoretische Ansätze (soziologische, anthropologische, politische oder ästhetische) über das Verhältnis zwischen Technologie und Kunst, und seine Rolle in kapitalistischen Gesellschaften zu veröffentlichen. Dies kann auf eine eher theoretische Art und Weise erörtert werden, in einer Analyse spezifischer technologischer Entwicklungen, oder auch in Form einer Fallstudie eines bestimmten politischen Ereignisses beziehungsweise einer künstlerischen Arbeit (digitale/elektronische Kunst). Folgende Fragen könnten von den Autoren behandelt werden: Auf welche Weise verhüllt die Gegenüberstellung von Technologie auf der einen Hand und Natur und Kunst auf der anderen, das enges Verhältnis von Technologie zur kapitalistischen Produktionsweise? Wie kann die Rolle von Technologie analysiert werden, ohne in die Fallen einer Technologie fetischisierenden Haltung zu tappen (Technophilie/technophobie)? Sollten wir Technologie in ethischen oder in politischen Begriffen erörtern? Wie können wir uns Technologie als befreiende Kraft vorstellen? Wie können wir uns eine Gesellschaft vorstellen, die nicht durch ihre eigenen technischen Entwicklungen bedroht ist (Überwachungssysteme, Waffen, etc.)? Können künstlerische Arbeiten die unheilige Allianz zwischen Technologie/Wissenschaft und Kapitalismus auflösen?
Wenn Sie an einer Veröffentlichung in der vierten Ausgabe von Anthropology & Materialism interessiert sind, bitten wir Sie ein Abstrakt von 3000 Zeichen (oder 500 Wörtern) vor dem 15/10/2017 an anthropologicalmaterialism@gmail.com zu senden. Die Einreichfrist für die vollständigen Artikel ist der 15/12/2017. Die Artikel werden in einem Peer-Review Verfahren geprüft.

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